Seit
einigen Jahren erhalten historische keramische Bodenbeläge des 19.
Jahrhunderts die Aufmerksamkeit, die ihnen leider lange vorenthalten
blieb.
Dies geschieht
ausgerechnet in einer Zeit, die ansonsten vom Zeitgeist des
schnellen Konsums beherrscht wird. Die keramische Fliese ist zurzeit
ein alltäglicher und schnell austauschbarer Baustoff, der
Modetrends folgt.
Im 19. und 20.
Jahrhundert fanden halbindustriell und industriell gefertigte
Fliesen nicht nur aus optischen und hygienischen Gründen
Verwendung. Ein wesentlicher Aspekt war die zu erwartende lange
Nutzungsdauer der damit hergestellten Bekleidungen und Beläge.
01
Verzeichnis der grösseren öffentlichen Bauten, in
welchen Mettlacher Mosaik- und Wand-Platten, Verblender sowie
Stiftmosaiken (musivische Arbeiten) in Glas- und Thonwürfel ausgeführt
worden sind (fabriciert seit 1852).
In diesem ca. 1895
erschienenen Verzeichnis fand ich unter anderen die folgenden
Hinweise auf Arbeiten der Firma Villeroy & Boch in Einsiedeln /
Schweiz:
Mettlacher
Mosaikplatten
1885 Stiftskirche Einsiedeln
90 qm
1886 Stiftskirche Einsiedeln 200 qm
1886 Kloster Maria Einsiedeln 50 qm
Thonmosaik
1887 Stiftskirche Maria Einsiedeln 193 qm Thonmosaik
1888 Gnadenkapelle Maria Einsiedeln 22 qm Thonmosaik
Bei einem Urlaub in der
Schweiz besuchte ich die Stiftskirche Maria Einsiedeln in der
Gemeinde Einsiedeln im Kanton Schwyz und schaute mir die keramischen
Bodenbeläge an. Von der zeitlosen Schönheit und dem tadellosen
Zustand der Beläge bin ich begeistert.
Geschichte des Klosters und der Wallfahrten
Von der Insel Reichenau
zog sich 835 der Benediktiner Meinrad als Einsiedler in das Gebiet
zurück, wo heute das Kloster steht. Ihm folgten weitere Einsiedler.
934 wurden diese Einsiedeleien zum „Marienkloster der
Einsiedler“ (einem Benediktinerkloster) zusammengefasst.
Eine „Marienkapelle“
ist erstmals 1286 nachweisbar. Es handelte sich um die alte
„Einsiedlerkapelle“. Unter der Kapelle entspringe der
„Frauenbrunnen“ heißt es in einer Notiz aus dem Jahr 1318. Die
„heilkräftige Quell“ habe den ersten Einsiedlern Kraft
geschenkt und erquicke nun die Pilger.
Schon im 14. Jahrhundert
fanden nachweislich Marienwallfahrten nach Einsiedeln statt. Während
des Mittelalters kamen Pilgerscharen sogar aus Norddeutschland und
den Niederlanden. Die „Schwarze Madonna von Einsiedeln“, die
heute in der Gnadenkapelle verehrt wird, wurde in der Mitte des 15.
Jahrhunderts im Bodenseeraum geschaffen. Sie ersetzte ein
romanisches Gnadenbild, das 1465 bei einem Brand zerstört wurde.
Die barocken Klostergebäude
entstanden von 1674 bis 1735 nach Plänen von Caspar Moosbrugger.
02
Das gewaltige Bauwerk der heutigen Stiftskirche wurde 1721
begonnen und die Gesamtfassade 1724 vollendet.
03
Blick von der Stiftskirche über den 1745-1747 gestalteten
Klosterplatz zur Stadt.
04
Im Zentrum des Platzes befindet sich der Liebfrauenbrunnen
aus dem Jahr 1749 mit einer vergoldeten Figur der Jungfrau Maria.
Schon seit ca. 1318 trinken Pilger Wasser aus dieser ’heilkräftigen
Quell’.
Die keramischen Bodenbeläge in der
Stiftskirche
Philipp Baum
(*20.11.1849 in Sauer-Schwabenheim - +03.11.1886 in
Sauer-Schwabenheim), ein Architekt und Künstler erhielt 1884 vom
Statthalter des Klosters Einsiedeln, Pater Raphael Kuhn (*1826 -
+1909), den Auftrag, den Fußboden der Stiftskirche neu zu
gestalten.
Abt des Klosters war zu
dieser Zeit Basilius Oberholzer, OSB (1875 – 1895).
Baum gestaltete für die
Stiftskirche nicht nur die Bodenflächen aus Mettlacher
Mosaikplatten, sondern fertigte auch Detailzeichnungen für die dort
zwischen 1884 und 1886 verlegten Mettlacher Tonstiftmosaiken.
Im Werksarchiv von
Villeroy & Boch liegen die folgenden Detailzeichnungen von
Philipp Baum für Stiftmosaikarbeiten in der Stiftskirche
Einsiedeln: Päpstlich-Cardinals und Bischofswappen, große Rosette
mit zwei Himmelszeichen, 4 Planet..., Tag und Nacht, Belag
Gnadenkapelle.
Philipp Baum entwarf übrigens
im Auftrag von Villeroy & Boch auch Bildfelder aus Stiftmosaik für
Objekte in Darmstadt, Mettlach, Mannheim und Dresden.
Teil 1
Bodenbeläge aus
Mettlacher Mosaikplatten
in der Stiftskirche Einsiedeln
05
Eingangsbereich
Im Vordergrund das
geometrische Fondmuster Nr. 107b Achteck mit Einlage, dahinter
Mosaikplatten mit der Werksbezeichnung Nr. 544 ’Rococo Fries, röm.
Imit.’ (siehe Abb. 07).
06
Fondmuster Nr. 107b
Achteck mit Einlage und 544 ’Rococo Fries, röm. Imit.’
vor dem
Benediktsaltar
Angabe im damaligen Preis-Verzeichnis der
Mosaik-Fabrik von Villeroy & Boch in Mettlach zum Fondmuster 107
b
Nummer oder Dessin
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Preis
M.
Pf.
|
Bezeichnung
des Musters
|
107b
|
7
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Geometrisches
Fondmuster, weiss oder grau, 8-Eck
m. einf. Einlagen
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07
Musterkarte
im Unternehmensarchiv der Villeroy & Boch AG
Angaben im
Preis-Verzeichnis der
Mosaik-Fabrik von Villeroy & Boch in Mettlach von 1892
Nummer
oder Dessin
|
Preis
M.
Pf.
|
Bezeichnung
des Musters
|
543
|
14
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|
Rococo
Fondmuster
|
544
|
18
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Rococo
Fries, 2 Platten breit, röm.
Imit.
|
570
a
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12
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Fries,
½ Platte röm Imit. zu 580
|
08
‘Rococo Fondmuster Nr. 543’
09
Bodenfläche vor dem Patroziniumsaltar
10
Blick zum Patroziniumsaltar
Belagsfläche aus Mosaikplatten ‘Rococo
Fondmuster Nr. 543’
und angrenzendes Tonstiftmosaik
11
Blick zum unteren Chor
12
Im Vordergrund ein Band aus Mosaikplatten mit der
Werksbezeichnung ‘Rococo Fondmuster Nr. 543’, dahinter ein
Teilstück der großen Rosette aus Tonstiftmosaik unter der
gewaltigen ’Weihnachtskuppel’.
13
Band aus Mosaikplatten mit besonders feiner Linienführung,
links angrenzend ein Band aus Tonstiftmosaik, rechts angrenzend eine Bodenfläche aus Material
mit der Werksbezeichnung 107 i
(Geometrisches Fondmuster gelb, 8-Eck mit
verzierten Einlagen)
14
Zur Ausbildung des Außeneckbereiches waren 18
Mosaikplatten mit 8 verschiedenen Mustern erforderlich.
1x1 / 4x2 / 3x3 / 3x4 / 1x5 / 4x6 / 1x7 und 1x8.
( Für diese
Mosaikplatten habe ich leider keine Werksbezeichnungen und
Preisangaben gefunden.)
15
Geometrisches Fondmuster Nr. 107 i, Achteck mit
verzierten Einlagen
(siehe Abb. 16)
Nachbesserungen kann man im Bodenbelag deutlich
erkennen.
Zwischen 1975 und 2001 wurde die Stiftskirche
umfassend restauriert.
Die Restaurierung der Bodenflächen erfolgte in den
Jahren 1993 bis 1997.
16
Musterkarte im Unternehmensarchiv der Villeroy
& Boch AG
Angaben im Preis-Verzeichnis der Mosaik-Fabrik von Villeroy & Boch in
Mettlach von 1892
Nummer oder
Dessin
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Preis
M. Pf.
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Bezeichnung des Musters
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107 i
|
8
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Geometrisches Fondmuster 8-Eck weiss und
grau mit verzierten Einlagen, gelb 0,50 M. pro qm höher,
römisch imitiert 0,50 M. pro qm höher als
107 i glatt
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Wie Mettlacher
Platten im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts hergestellt wurden,
erfahren Sie in meinem Bericht ’Mettlacher Platten im
Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen’.
Kloster Einsiedeln
http://www.kloster-einsiedeln.ch
Villeroy & Boch
http://www.villeroy-boch.com
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