Mettlacher Platten
im Sommerrefektorium
des Klosters Bebenhausen

Bebenhausen liegt drei Kilometer nördlich des Stadtzentrums von Tübingen in einem weiten Talkessel innerhalb des Naturparks Schönbuch. Der Ort ist seit 1974 ein Stadtteil von Tübingen.

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Das unter Ensembleschutz stehende Ortsbild von Bebenhausen wird durch die 1187 von Prämonstratensern gegründete und 1197 von Zisterziensern übernommene ehemalige Abtei geprägt.

 

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Mit dreifacher Ringmauer und markantem Turm der Klosterkirche gilt sie als eine der besterhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen und gehört nach künstlerischer und historischer Bedeutung zu den wichtigsten Baudenkmalen des Landes Baden-Württemberg.

 

Ihre Blüte erlebte die Zisterzienserabtei im 13. bis 15. Jahrhundert. Herzog Ulrich von Württemberg führte 1535 die Reformation ein und löste das Kloster auf. Nach 1556 wurde es als evangelische Klosterschule und als Jagdschloss der württembergischen Könige genutzt. Folgen der Säkularisierung waren 1806 die Schließung der Klosterschule und die Aufhebung des Klosteramtes Bebenhausen. Der württembergische Kurfürst Friedrich wurde 1806 von Napoleon zum ersten König von Württemberg erhoben. Im gleichen Jahr schloss die Klosterschule Bebenhausen ihre Pforten. König Friedrich entschloss sich, das ehemalige Abtshaus zum Jagdschloss ausbauen zu lassen. Nach Fertigstellung des Jagdschlosses im Jahre 1811 lebte die schon im 14. Jahrhundert betriebene herrschaftliche Jagd wieder auf. 1812 fand das bekannte Dianenfest im Schönbuch, der Gegend um Bebenhausen, statt.
Die Zellen des ehemaligen Dormitoriums dienten zahlreichen Jagdgästen als Schlafstätten – siehe meinen Bericht “Ornamentierte Bodenfliesen des Mittelalters im ehemaligen Zisterzienserkloster Bebenhausen“

König Friedrichs Sohn, König Wilhelm I., zeigte wenig Interesse an der Jagd und an Bebenhausen. Er übertrug 1819 die Anlage dem württembergischen Staat. Das Kloster wurde vernachlässigt und geriet mehr und mehr in Verfall. So diente das Sommerrefektorium über längere Zeit als Warenlager.

Unter König Karl erwachte Schloss Bebenhausen aus dem Dornröschenschlaf. In der Zeit seiner Regentschaft (1864-1891) ließ er für sich und seine russische Gemahlin das Obergeschoss des ehemaligen Gästehauses im historistischen Stil ausbauen. Die ehemalige Abtsküche wurde zu einem Appartement umgebaut und die ehemalige Klosterkirche nach der Restaurierung 1885 wieder eingeweiht.

Unter König Karl wurde auch das Sommerrefektorium restauriert und 1874 der Bodenbelag aus Mettlacher Platten verlegt.

Sein Sohn, König Wilhelm II (1891-1921) bewohnte mit seiner Gemahlin Charlotte Schloss Bebenhausen regelmäßig. Während seiner Regentschaft entstand eine für die damalige Zeit recht moderne Küche. Bei der Modernisierung des Appartements der Königin wurde ein Badezimmer eingebaut. Beide Räume erhielten sehenswerte Fliesenbekleidungen und –beläge.
Nach dem ersten Weltkrieg zogen sich Wilhelm und Charlotte auf Schloss Bebenhausen zurück.
Herzogin Charlotte, Witwe des letzten Königs von Württemberg, starb 1946 in Bebenhausen. Von 1946 bis 1952 diente das ehemalige Winterrefektorium des Klosters als Plenarsaal des württembergisch - hohenzollerischen Landtags. Nach umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen an Kloster und Schloss wurde Bebenhausen 1975 als Gesamtanlage unter Ensembleschutz gestellt.

 

Mettlacher Platten im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen 03

Das Sommerrefektorium, ehemaliger Speisesaal der Mönche, ist Bebenhausens bedeutendste Architektur. Das um 1335 unter Abt Konrad von Lustnau errichtete Gebäude wurde unter König Karl von Württemberg (1864-91) restauriert. Es wird von Kennern als Architektur von europäischem Rang bezeichnet.
Drei dünne Achteckstützen ohne Kapitelle tragen ein Sternengewölbe.

 

Mettlacher Platten im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen 04

Die Bemalung der Gewölbekappen stammt wie der keramische Fußboden aus dem 19. Jahrhundert.
Bestimmendes Element der Deckenmalerei sind die Melusinen bzw. doppelschwänzigen Sirenen. Sie haben engen Bezug zum Zisterzienserorden und finden sich auch auf Wappen von Zisterzienserklöstern, z.B. im Wappen der Zisterzienserabtei Wettingen / Schweiz.

 

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Der Raum bildet mit der erhaltenen neugotischen Vertäfelung und dem Fußboden aus Mettlacher Platten eine Verschmelzung von Hochgotik und Historismus.

Im Referenzbuch der Mosaik-Fabrik Villeroy & Boch von ca. 1895 findet man für das Jahr 1874 Lieferung und Verlegung von 200 qm Mettlacher Platten im Refektorium des Klosters Bebenhausen.

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Mettlacher Platten im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen 07

Die um jeweils eine Fliesenbreite versetzten quadratischen Felder aus 6 x 6 = 36 Fliesen (20 unifarbene und 16 Dekorfliesen) bilden ein anschauliches Bild der Produktionspalette “Mettlacher Platten“ von Villeroy & Boch.

 

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Mettlacher Platten im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen 09

 

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Vier Fliesen mit dem Wappen der Zisterzienser

 

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Mettlacher Platten im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen 23

Vier Fliesen mit dem Hirschstangen-Wappen der Grafen von Württemberg

 

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Die Mettlacher Platten haben in Bebenhausen das Format von 168x168 mm.
Zum Teil stammen die vielfältigen Dekore aus damaligem Lieferprogramm. Es wurden aber auch Dekore, die Bezug auf die Geschichte des Klosters und das Haus Württemberg nehmen, speziell für den Bodenbelag des Refektoriums des Klosters Bebenhausen gefertigt.

 

Wie wurden die mit etwa 20 mm Stärke ziemlich dicken Platten hergestellt?

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Einsetzen einer den Dekor darstellenden Schablone in einen würfelförmigen Stahlbehälter.

 

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Aufsetzen einer Abdeckschablone.

 

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Einfüllen der Farbschichten in die von der Schablone vorgegebenen Farbfelder.

 

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Nach dem Herausziehen der Metallschablone Einschütten der Hinterfüllmasse aus gröberem und ungefärbtem Steinzeugtonpulver.
Abschließend Hochdruckpressung mit ca. 250 bar und Brand im Ofen bei 1.120 bis 1.200 °C.

So entstand jede Mettlacher Platte abgesehen vom Pressen und Brennen in reiner Handarbeit.

Im Preisverzeichnis über Mettlacher Platten von Villeroy & Boch (vom Januar 1896) ist das Herstellungsverfahren wie folgt beschrieben:
„Unsere sämmtlichen Platten werden trocken aus Staub gepresst mit Zusatz von Feldspath angefertigt und in Weissgluthitze gebrannt, so dass dieselben eine geschmolzene und verglaste Masse bilden.“

Unter § 1 des Preisverzeichnisses findet man die Beschaffenheit der seit 1852 gefertigten Steinzeugplatten wie folgt beschrieben: „Die Platten sind in hartgebrannter Steinmasse so hart und dauerhaft hergestellt, dass sie Funken am Stahl geben und jedem Einfluss der Witterung widerstehen. Die Farben sind 2-3 mm tief eingebrannt, treten sich daher auch bei stärkster Abnutzung nicht aus. Die Dauerhaftigkeit der Massen, die Schönheit der Färbung und die grosse Sorgfalt beim Sortiren sichern den Platten den Vorzug vor allem ähnlichen Material.“

 

Beispiele der im Sommerrefektorium verlegten Dekore findet man auf folgenden Musterblättern:

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Als Fliesen sind im Sommerrefektorium die Dekore 266, 268, 273, 275 und 276 verlegt.

 

Zusammenfassung:
Die in meinen beiden Beiträgen beschriebenen Fliesenarbeiten im Dormitorium und Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen sind herausragende Beispiele der Fliesenkultur und eine Besichtigung wert.

Falls Sie nach Bebenhausen fahren, sollten Sie sich auch die Schlossküche mit ihren Fliesenarbeiten und der Einrichtung von 1914 sowie das seit 1915 unveränderte Badezimmer der Königin anschauen.

 

Informationen:
Schloss und Kloster Bebenhausen
Im Schloss
72074 Tübingen-Bebenhausen

Schloss- und Klosterverwaltung
Telefon (0 70 71) 60 28-02
Telefax (0 70 71) 60 28-03
info@kloster-bebenhausen.de

Homepage
http://www.kloster-bebenhausen.de

 

 

Bildnachweis:       
01-24 Verfasser
25-32 Firmenarchiv Villeroy & Boch Merzig