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Gartenansicht des Palastes
Geschichtlicher
Überblick
Der Fronteira-Palast mit seinen großartigen Gärten
ist eine der sehenswertesten Residenzen portugiesischer Adliger des
17. Jahrhunderts. Er ist noch im Besitz der Gründerfamilie und wird
von D. Fernando José Fernandez Costa Mascarenhas, dem elften
Marquis von Fronteira, bewohnt.
Der Erbauer des Palastes war D. João de Mascarenhas
(1633-1681), ein bedeutender General im Kampf des Adelsaufstandes
gegen die spanische Herrschaft. Im Frieden von Lissabon erkannte
1668 Spanien Portugals Unabhängigkeit an. Regent Pedro II.
(1648-1706) ernannte seinen engsten Berater aus Dankbarkeit zum
ersten Marquis von Fronteira.
Um 1670 begann man im Auftrag von D. João de
Mascarenhas, weit vor den Toren der Stadt Lissabon am Berg Monsanto,
mit dem Bau eines Jagdschlosses im italienischen Stil. Die Gärten
wurden ebenfalls nach italienischen Vorbildern gestaltet.
Fliesenbekleidungen im Gemäldesaal (Sala dos Painéis)
Alexis Collotes de Jantillet, Offizier aus dem
Herzogtum Lothringen, verfasste am 11. April 1678 in Lissabon Horoe
Subsecivoe, eine Beschreibung des Jagdschlosses Fronteira.
Diesen 1679 gedruckten Bericht widmete er D. Fernando de
Mascarenhas, zweiter Marquis von Fronteira (1655-1729).
In der Beschreibung findet man Details von größtem
Interesse. So gab Alexis Collotes de Jantillet auch Informationen über
die Azulejos (Fliesen), die Daten der noch im Archiv des
Fronteira-Palastes vorhandenen Inventur von 1673 ergänzen. Man
findet auch den ältesten Nachweis der Fliesen im “Sala dos Painéis“
bezeichneten Raum. Diese Fliesengemälde wurden von ihm als “von
Holland eingeführte Malerei“ beschrieben. (Mitteilung
des Herrn D. Fernando José
Fernandez Costa Mascarenhas, elfter Marquis von Fronteira).
Sie sind die ersten mir bekannten Fliesengemälde,
die auf Bestellung aus Portugal in Holland gefertigt wurden. Die
nach grafischen Vorlagen gefertigten Tableaus wurden wahrscheinlich
in der Zeit zwischen 1672 – 1678 in Amsterdam gefertigt und nach
Lissabon geliefert.
Gemäß Stilvergleiche können die Fliesengemälde
Jan van Oort (1) zugeschrieben werden, der in
Amsterdam eine ‚Tegelbakkereij’ am Botermarkt besaß.
Jan van Oort schuf und signierte zwei Jahrzehnte später 1698
elf Fliesengemälde für die Kirche des Lissaboner Klosters
Nossa Senhora dos Cardais.
Meine Aufnahmen im möblierten Gemäldesaal
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Linker Teilbereich der Nordwand
Der Gemäldesaal misst 10,34 m von West nach Ost und
6,58 m von Nord nach Süd.
Es gibt 3 Türen in der Nordwand, 1 Tür in der
Ostwand und 3 Fenster in der Südwand.
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Rechter Teil der Nordwand mit dem linken Teil der
Ostwand
Die Fliesentableaus in blauer Bemalung auf weißem
Grund im Gemäldesaal des Fronteira-Palastes wirkten sich auf die
Malweise portugiesischer Künstler aus, denn es kam zeitgleich zum
Wandel von polychromer zu blau-weißer Bemalung von portugiesischen
Azulejos.
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Rechter Teil der Nordwand mit dem linken Teil der
Ostwand
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Ecke Ostwand – Südwand (zwischen der Tür zum
Treppenhaus und dem ersten der drei Fenster der Südwand)
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Westwand und linker Teil der Nordwand
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Westwand
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Detail der Westwand
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Westwand
Über den Fliesengemälden sieht man von kunstvoller
Stuckarbeit umrahmt Ölgemälde, die Mitglieder der Familie
Mascarenhas zeigen.
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Detail der Westwand
Aufnahmen im leer geräumten Gemäldesaal
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Fruchtgirlande
/ Feston (Ecke Westwand – Nordwand)
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Detail
von Bild 11, Girlande / Feston
Rahmung
aus Ornamentfliesen, Dekor diagonal mit einem Anschlusspunkt
. Es
fällt auf, dass das Fliesentableau links Passstücke hat.
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Schiffstableau an der Nordwand (zwischen linker und
mittlerer Tür)
Im Vordergrund ein Bojer (Boeijer), kleines
einmastiges Segelschiff des 16. und 17. Jahrhunderts für Küstengewässer
mit Gaffel-, Bohmsegel und Seitenschwert.
Im Hintergrund ein wendendes Kauffahrteischiff. Bei
Beginn des Wendemanövers sieht es so aus, als ob die Segel falsch
herum stehen.
Dieses Fliesengemälde besteht ohne Rahmung aus 9 x
12 = 108 Fliesen und misst ca. 1,19 x 1,58 m.
Auffällig ist, dass das Fliesenbild rechts mit
kleinen Passstücken endet. Die oberen drei Passstücke sind
eindeutig nicht zugehörig.
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Detail von Bild 13
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Fliesengemälde an der Nordwand (zwischen mittlerer
und rechter Tür)
Kampf der Kentauren und Lapithen (Szene aus den
Metamorphosen des Ovid, XII. 210-535)
Kentauren, die als Gäste zur Hochzeit des Lapithenfürsten
Peirithoos und der Hippodameia eingeladen waren, machten sich während
der Feier in eindeutiger Absicht an die Frauen und sogar an die
Braut heran. Es kam zu dem in Kunst und Dichtung vielfach
geschilderten Kentaurenkampf.
Die Kentauren waren wilde und triebhafte
Pferdemenschen, die Lapithen ein kriegerisches Volk in Thessalien,
Nachbarn und Verwandte der Kentauren.
Dieses Fliesengemälde zwischen Naturwerksteinbändern
misst ohne Rahmung ca. 1,19 x 1,62 m. Zu beachten ist, dass es links
mit Passtücken von ca. 4 cm endet.
Gab es keine konkreten Maßangaben des Auftraggebers?
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Vorlage für das Fliesengemälde war Blatt 116 des
Johann Wilhelm Baur (2) in: ‚Publii Ovidii
Nasonis metamorphoseon, libri XV.’ (Wien. 1641)
Text aus Metamorphosen des Ovid, XII. 240-245 (3)
Da erhitzen sich die Gemüter der Doppelwesen über
die Ermordung ihres Bruders, und alle rufen einmütig um die Wette:
„Zu den Waffen, zu den Waffen!“ Der Wein macht ihnen Mut. Und am
Anfang der Schlacht fliegen geworfene Becher, zerbrechliche Krüge
und bauchige Kessel, bisher Tafelgerät, jetzt Kriegs- und
Mordwerkzeug.
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Detail von Bild 16
Detail von Bild 15
Kampf eines Lapithen mit einem Kentauren
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Fruchtgirlande (Ecke Nordwand – Ostwand)
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Detail
von Bild 19, Fruchtgirlande / Feston
Es fällt auf, dass das Fliesentableau rechts Passstücke
hat.
Da auch die Bemalung beschnitten ist steht fest, dass das
Fliesentableau ursprünglich drei Fliesen breit gefertigt wurde.
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Jagdszene an der Ostwand
Das Fliesengemälde besteht aus 9 x 29 = 261 Fliesen
und misst ohne Rahmung ca. 1,19 x 3,83 m.
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Detail 1 aus Bild 21
Der berittene Jäger hebt seinen Speer, um ihn auf
ein gejagtes Tier zu werfen.
Dem Hund sieht man die wilde Jagd an.
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Detail 2 aus Bild 21
Die Hundemeute hat einen Bär gestellt.
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Ecke Ostwand - Südwand
Links: Putti mit Blumen und Früchten
Rechts: Blumengirlande mit markanter Sonnenblume
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Putti an der Ostwand im Eckbereich zur Südwand
Das Tableau war ursprünglich drei Fliesen breit. Es
wurde rechts und links beschnitten.
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Blumen- und Fruchtgirlande / Feston an der Südwand
im Eckbereich zur Ostwand
Das Tableau war ursprünglich drei Fliesen breit. Es
wurde rechts und links stark beschnitten. Teile der Bemalung gingen
verloren.
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Fliesenbild
an der Südwand (zwischen mittlerem und dritten Fenster)
Das Gemälde besteht ohne Rahmung aus 9 x 11 = 99
Fliesen und misst ca. 1,19 x 1,45 m.
Pan und Syrinx
Gemäß Metamorphosen des Ovid, I. 689-712, verschmähte
die Nymphe Syrinx die Liebe Pans. Auf der Flucht vor ihm wurde sie
am Fluss Ladon in Schilfrohr verwandelt. Statt Syrinx zu erhaschen,
umfasste Pan ein Bündel Schilfrohr, das er für die Nymphe Syrinx
hielt. Aus dem Schilfrohr fertigte Pan mit Hilfe von Wachs die
"Syrinx" genannte Hirten- oder Panflöte.
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Vorlage für das Fliesengemälde war eines der 150 Blätter
des Johann Wilhelm
Baur (2) in ‚Publii Ovidii
Nasonis metamorphoseon, libri XV.’ (Wien, 1641).
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Detail aus Bild 28
Detail aus Bild 27
Metamorphosen des Ovid, I. 705-712
Pan, als er glaubte, Syrinx schon ergriffen zu haben,
anstelle der Nymphe Sumpfschilf im Arme hielt; wie, während er dort
seufzte, die bewegte Luft im Rohr einen dünnen Ton erzeugte, der
einer Klage glich; wie der Gott, von der neuen Kunstform und der
Lieblichkeit des Klanges gebannt, sprach: „Diese Art der
Zwiesprache mit dir wird mir bleiben“; und wie er schließlich
Rohre ungleicher Länge mit Wachs zusammenklebte und so seine Syrinx
wenigstens dem Namen nach in der Hand hielt.
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Fliesenbild
an der Südwand (zwischen mittlerem und linkem Fenster)
Die Flucht der Medea auf ihrem Schlangenwagen (Ovid,
Metamorphosen VII. 350-356)
Das Fliesengemälde misst ohne Rahmung ca. 1,19 x
1,38 m.
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Vorlage für das Fliesengemälde war Blatt 65 der 150
Blätter des Johann Wilhelm
Baur (2) in ‚Publii Ovidii
Nasonis metamorphoseon, libri XV.’ (Wien, 1641).
Ovid,
Metamorphosen VII. 350-356
Wäre sie nicht auf ihren geflügelten Schlangen in
die Lüfte entschwebt, wäre sie der Strafe nicht entgangen, Doch
sie flieht hoch über dem schattigen Pelion, die Behausung der
Philira, über den Othrys und die Stelle, die durch das Schicksal
des alten Cerambus bekannt geworden ist.
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Detail aus Bild 32
Detail aus Bild 31
Zwei geflügelte Schlangen ziehen den Wagen, auf dem
Medea flieht.
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Detail aus Bild 32
Detail aus Bild 31
Medea entkommt auf dem Drachenwagen ihren Verfolgern
(Ovid, Metamorphosen VII. 350-356)
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Fruchtgirlande in der Ecke Süd - Westwand
Das Tableau war ursprünglich drei Fliesen breit. Es
wurde rechts und links stark beschnitten. Teile der Bemalung gingen
verloren.
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Detail
aus Bild 37, Fruchtgirlande / Feston
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Ländliche Szenen an der Westwand, umrahmt von zwei
Doppelreihen Dekorfliesen
Das Fliesengemälde besteht ohne Rahmung aus 9 x 47 =
423 Fliesen und misst ca. 1,19 x 6,20 m.
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Detail 1 von Bild 39
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Detail 2 von Bild 39
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Detail 3 von Bild 39
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Sockel aus Dekorfliesen in der Sala do Imperio
Es ist die gleiche Art Fliesen wie sie in der Sala
dos Painéis für die Rahmungen der Fliesengemälde benutzt wurde.
Anmerkung (1)
Jan van Oort wurde am Sonntag, den 16.
Februar 1645 in der »remonstrantse kerk« in Utrecht auf den Namen
»Johannes« getauft. Als Eltern sind in der Taufurkunde angegeben
»Sr. Adriaen van Noort, steentjesbacker ende Jennettha Jans de
Reeder.« Taufzeugen waren »de vader, Sr. Pieter Heykes, ende
Gerrit Claess de metselaer.« In welchem Umfeld Jan van Oort in
Utrecht aufwuchs ist schon daraus ersichtlich, dass der berühmte
Maler Herman Saftleven am 25. Januar 1652 Zeuge bei der Taufe seiner
Schwester Bartruyd war. Am 6.Juni 1669 erhielten Adriaen und Jan van
Oort vom Amsterdamer Magistrat die Genehmigung, für eine Dauer von
26 Jahren in Amsterdam, Reguliersmarkt nr. 50, »nagebootste
porcelynen petielen, potten en steentjes« zu brennen (Gem. Archief Amsterdam. Thes. ord. S.V.
3/4, fol. 53/54, 6 juni 1669). Adriaen von Oort starb am 20. Mai
1676 in Utrecht, Jan van Oort starb 1699 in Amsterdam.
Mir bekannte signierte Arbeiten des Jan
van Oort:
Kaminwand aus einem Haus in Wormer mit
einem Blumenvasentableau von 14 x 6 = 84 Fliesen (jetzt im
Rijksmuseum Amsterdam),
Elf Fliesengemälde in der Kirche Nossa
Senhora da Conceição dos Cardais
in Lissabon und zwei Blumenvasentableaus im Muzeum
Narodowe w Gdansku, Gdansk / Polen.
Anmerkung (2)
Johann Wilhelm Baur (* 31. Mai 1607 in Straßburg;
† Januar 1640 in Wien) war ein deutscher Maler und Kupferstecher
des Barock. Er illustrierte unter anderem Ovids Metamorphosen.
Anmerkung (3)
Die Metamorphosen (lateinischer Originaltitel
„Metamorphoseon libri“) des römischen Dichters Ovid, bestehen
aus 15 Büchern von je etwa 700 bis 900 Versen und beschreiben die
Entstehung und Geschichte der Welt in den Begriffen der römischen
und griechischen Mythologie. Dieses Werk hatte einen enormen
Einfluss auf die Literatur des Mittelalters sowie auf die bildende
Kunst vom Mittelalter bis zum Barock.
In den Verwandlungsgeschichten werden meist ein
Mensch oder ein niederer Gott in eine Pflanze, ein Tier oder ein
Sternbild verwandelt.
Die Herren Jan Pluis und Reinhard Stupperich veröffentlichten
die mythologischen Tableaus aus dem Fronteira-Palast und deren
grafische Vorlagen in ihrem Buch ‚Mythologische voorstellingen op
Nederlandse tegels’ (Leiden 2011).
Ich danke Herrn G. J. van Groningen,
Archivar der Remonstrantse Gemeente Utrecht für seine
Nachforschungen zu Jan van Oort in den Taufbüchern.
Ein besonderer Dank gilt meinem Sohn Norbert, der
meine Berichte für die Veröffentlichungen überarbeitet und auf
der Homepage veröffentlicht.
Bildnachweis:
Bilder 01 bis 10 eigene Aufnahmen aus den Jahren
1992, 2000 und 2001.
Bilder 11 bis 43 Archiv Rainer Marggraf
Benutzte Literatur:
Simões,
João dos Santos:
Les carreaux hollandais céramiques au Portugal et en Espagne (Den
Haag, 1959)
Ovidius Naso, Publius:
Metamorphosen
-
In deutsche Prosa übertragen von Michael von Albrecht (München,
1981)
Meco, José undMarggraf, Rainer:
Fliesenkultur in Portugal (Bramsche, 1989)
Quignard,
Pascal:
La frontiere. Azulejos du Palais Fronteira
(Paris,
1992)
Joliet, Wilhelm:
Die Geschichte der Fliese (Köln, 1996)
Sabo,
Rioletta und Falcato, Jorge Nuno:
Azulejos in Portugal (München, 1998)
Pluis, Jan & Stupperich, Reinhard:
Mythologische voorstellingen op Nederlandse tegels
(Leiden
2011)
Wikipedia
Link
Palácio Fronteira
Largo de S. Domingos de
Benfica, 1
1500-554 Lissabon
Tel.: 21 778 20 23
Email: fronteiraalorna@mail.telepac.pt
www.fronteira-alorna.pt
Der Palast ist nur im Rahmen von Führungen zu
besichtigen.
Es gibt Führungen in Englisch, Französisch und Portugiesisch.
Bei einem geplanten Besuch des Palastes empfiehlt sich ein
vorheriger Anruf.
Bitte
beachten Sie auch meine Veröffentlichungen:
Bitte beachten Sie auch meine Veröffentlichungen:
- Fronteirapalast im Lissaboner Stadtteil Benfica -
Teil 1
‚Außenansichten des Palastes und Fliesentableaus an der Ostwand des
Hauptgebäudes‘
www.geschichte-der-fliese.de/fronteira.html
Teil 2
‚Polychrome Fliesentableaus im klassischen Garten des Palastes und am Bassin
vor der Casa do Fresco‘
www.geschichte-der-fliese.de/front.html
Teil 4: ‚Schlachtensaal (Sala das Batalhas)'
www.geschichte-der-fliese.de/fro.html
Teil 5: 'Galerie der Künste'
www.geschichte-der-fliese.de/fronteira5.html
Teil 6:
Casa
do Fresco / Haus der Erfrischung
www.geschichte-der-fliese.de/fronteira6.html
Teil 7:
‘Tanque dos Cavaleiros – Brunnenanlage mit vierzehn Reiterbildern’
www.geschichte-der-fliese.de/fronteira7.html
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