Grundlage dieses
Berichtes ist die von Direktor Hans Heide und Dipl. Chem. Horst Ebel
im Eigenverlag der Wessel-Werk GmbH veröffentlichte Broschüre
‘Technologie der Fliesen‘ (Bonn, ca. 1959).
Als Berufsschüler hatte ich 1955, als Meisterschüler 1960 und
danach als selbstständiger Fliesenlegermeister bis 1970 mehrmals
die Möglichkeit, die Fabrikation von Wandfliesen bei
Werksbesichtigungen im Wessel-Werk zu sehen. Als Leiter der
Meisterschule ‚Fliesen-Platten-Mosaik‘ der Handwerkskammer zu Köln
besuchte ich mit Meisterschülern Wessel’s Wandplattenfabrik in
den Jahren 1974 und 1975.
Die Technik der
Herstellung keramischer Erzeugnisse hat sich seit der Herausgabe der
Broschüre ‚Technologie der Fliesen‘ rasant verändert. Deshalb
halte ich es für wichtig, nach der Devise
AUS DER VERGANGENHEIT
IN DER GEGENWART
FÜR DIE ZUKUNFT
einen Blick zurück
zu wagen.
Rohstoffe des Scherbens
Bei feinkeramischen
Wandfliesen werden Tonsubstanz, Quarz und Feldspat als Rohstoffe
eingesetzt. Gelegentlich ersetzen Kalkspat, Dolomit und Kreide den
Feldspat.
Zusammensetzung der Rohstoffe des Scherbens:
50% Tonsubstanz (25% plastische Tone und 25% Kaolin), 45% Quarz und
5% Feldspat.
Die Tone
bestehen vorwiegend aus Kaolinit, Montmorillonit und Illit, die auf
geologisch sekundärer Lagerstätte gefunden werden.
Bedingt durch
Humusbestandteile ist ihre Farbe grau bis schwarz. Hauptlagerstätten
befinden sich im Westerwald, in der Eifel, in Sachsen, Hessen,
Bayern und der Pfalz.
Kaoline liegen
auf primären Lagerstätten und unterscheiden sich äußerlich von
Tonen durch ihre weiße Farbe.
Im Brand gibt die
Tonsubstanz zwischen 500 – 800° C ihr chemisch gebundenes Wasser
ab. Sie wandelt kristallin um und verfestigt sich je nach Höhe des
Brandes. Mit der kristallinen Umwandlung sind Dehnungen und
Schwindungen verbunden.
Quarz
ist reine Kieselsäure. Die bekanntesten Gruben Deutschlands liegen
in der Kölner Bucht, in Bayern und Sachsen. Quarz macht im Brand
eine kristalline Umwandlung durch. Quarz dehnt sich bei 570° C
stark aus und zieht sich bei Abkühlung zusammen. Infolge dieses
Verhaltens wirkt der Quarz in keramischen Massen auflockernd.
Quarzreiche Scherben bleiben bis zu hohen Brenntemperaturen porös.
Feldspat
hat frühzeitig schmelzende Alkalien als wirksame Bestandteile. In
keramischen Massen wirkt der Feldspat ab 1100°C verglasend.
Deutsche Vorkommen liegen im Hunsrück und in Bayern.
Aus den Eigenschaften
der Rohstoffe ergibt sich, dass der Steingutscherben mit seinem
geringen Feldspat- und hohen Quarzanteil bei mittleren
Brenntemperaturen von etwa 1200° C porös bleibt.
Rohstoffe
und Aufbereitung der Glasuren
Bei den Rohstoffen für
Glasuren unterscheidet man nicht färbende Oxide von Blei und Zink,
Bor- und Aluminiumoxide, sowie Oxiden der Kieselsäure, des Zirkons
und Titans. Je nach vorherrschendem Oxid unterscheidet man zwischen
Bleiglasuren, Blei-Borglasuren und bleifreien Glasuren.
Nach dem Mischen der
Rohstoffe werden Glasuren vorgeschmolzen und in Wasser abgeschreckt.
Das dabei entstehende Granulat bezeichnetman als Fritte. Für
eine verarbeitungsfähige Glasurmasse wird die Fritte noch mit
Kaolin, Feldspat oder Quarz versetzt und zu einer feinen Suspension
vermahlen. Diese Suspension wird durch Gießen oder Spritzen in
einer Schicht von 0,2 mm auf den keramischen Scherben aufgetragen.
Im Glasurbrand schmilzt die Glasur blank und verbindet sich mit dem
Scherben.
Die Färbung der
Glasur erfolgt durch Zugabe von färbenden Metalloxiden, zum
Beispiel: Eisenoxid für gelb-brau, Manganoxid für rot-brau,
Kobaltoxid für blau und Kupferoxid für grün.
Fabrikation der Wandfliesen
Aufbereitung der Masse
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Formgebung
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Biskuitbrand des Scherbens
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Glasieren
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Glattbrand
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Sortierung
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Aufbereitung
der Masse
Bei der Aufbereitung
der Masse werden Verunreinigungen aus den Rohstoffen entfernt und
Hartmaterialien feinstens zerkleinert, sodass sie etwa in der Größenordnung
von
0 – 100 µ vorliegen. Je kleiner das Massekorn ist, umso günstiger
verlaufen die Reaktionen und umso fester wird das keramische
Erzeugnis.
Man unterscheidet die
Naß-, Halbnaß- und Trockenaufbereitung. In der
Wandfliesenproduktion wird die Naßaufbereitung bevorzugt. Sie
besteht darin, dass Tone und Kaoline mit 60% Wasser in Quirlen
aufgeschlämmt werden. In Trommelnassmühlen werden die
Hartmaterialien Quarz und Feldspat aufgemahlen.
Abb. 01. Schematische
Darstellung der Nassaufbereitung in der Wandfliesenproduktion.
Abb. 02. Tone und
Kaoline werden mit 60% Wasser in Quirlen aufgeschlämmt.
Abb. 03. Über
Transmissionsbänder angetriebene Trommelnaßmühlen.
Die Schlämme aus
Quirlen und Trommelnassmühlen werden in Mischbottischen zusammen
gequirlt und anschließend durch Siebe mit Maschenweiten von 60 –
100 µ von
Verunreinigungen befreit.
Abb. 04. Über
Rohrleitungen verbundene Mischbottische.
In Filterpressen wird
die Schlämme anschließend zwischen Stofftüchern bis zum
plastischen Zustand zu Filterkuchen auf etwa 25% Feuchigkeitsgehalt
entwässert.
Abb. 5. Filterpressen
entwässern die Schlämme zu plastischen Filterkuchen.
Die Filterkuchen
werden bis auf 6% Wassergehalt getrocknet und auf Kollergängen zu
einer preßfähigen Masse zerkleinert.
Abb. 06. Im
Vordergrund sieht man zerstückelte Filterkuchen und im Hintergrund
Kollergänge.
Formgebung
Die Formgebung
erfolgt durch Pressen. Die geringe Wassermenge von 6% im Massepulver
reicht aus zum Verpressen bei hohen Drücken. Dies geschieht auf
Friktionsspindel-, Kniehebel- oder hydraulischen Pressen. Der
erforderliche Druck beträgt 400 kg / cm2. Hierbei wird die Fliese
so verfestigt, dass sie in den weiteren Fabrikationsgang gegeben
werden.
Abb. 07. Schematische
Darstellung der Fabrikationsgänge von Formgebung und Biskuitbrand
der Wandfliesen.
Abb. 08. Formgebung
durch Pressen des Massepulvers unter hohem Druck.
Nach der Formgebung
durch Pressen werden die Fliesen als Stöße von 1 m Höhe auf
Brennwagen gesetzt.
Abb. 09. Beschicken
der Brennwagen.
Die Brennwagen
durchlaufen zuerst einen Trockner in dem bei 120°C die Restfeuchte
von 6% den Fliesen entzogen wird.
Abb. 10. Einfahren
der Brennwagen.
Biskuit-
oder Schrühbrand des Scherbens
Der Brand erfolgt in
Tunnelöfen von 80 bis 120 m Länge. Die Temperatur wird
kontinuierlich erhöht und erreicht nach etwa 24 Stunden die
Brenntemperatur von etwa 1200°C. Danach wird die Temperatur in etwa
weiteren 24 Stunden abgesenkt.
Abb. 11.
Temperaturmessungen erfolgen am Kontrollstand.
Der Brand in den
Tunnelöfen wird auf 5°C genau gesteuert. Die Schiebezeiten der
Brennwagen müssen minutengenau eingehalten werden. Am Tunnelofen
befindet sich eine größere Anzahl Meßstellen in der Vor-, Haupt-
und Kühlzone. Die Temperaturmessung erfolgt elektrisch mittels
Thermoelemente. Außerdem wird jeder Brennwagen durch Segerkegel
kontrolliert. Diese sind kleine Pyramiden aus keramischen Stoffen,
die bei verschiedenen Temperaturen schmelzen. Der Kegelfall zeigt
die Temperatur bis auf 10°C genau an. Auf Abb. 11 sieht man links
auf einem Tisch solche Segerkegel.
Nach dem Biskuitbrand
wird der Bruch aussortiert. Die Fliesen sind nun fertig zum
Glasieren.
Glasieren
Abb. 12. Schema der
Produktionsgänge von der Glasiermaschine bis zur Sortierung.
Das Glasieren erfolgt
maschinell vorwiegend im Gießverfahren. Die Fliesen laufen auf
einem Transportgurt unter einer Gießvorrichtung her. Die nass
aufgemahlene und zu einer Suspension hergerichtete Glasur fließt
aus einem schmalen Sclitz des Glasurbehälters auf die Fliese. Das
Wasser wird vom Scherben aufgesaugt und die Glasur liegt als gleichmäßige
Schicht auf dem Scherben. Eine Gießmaschine leistet bis zu 10.000
Fliesen in der Stunde. Man kann natürlich an Stelle des Gießverfahrens
auch die Glasur auf den Scherben aufspritzen.
Nach dem Glasieren
werden die Fliesen von Hand einzeln in feuerfeste Kassetten gefüllt
und anschließend zum zweiten Mal gebrannt.
Abb. 13. Einfüllen
der glasierten Fliesen in feuerfeste Kassetten.
Glattbrand
Nach dem Einfüllen
der Fliesen in Kassetten werden sie anschließend ein zweites Mal
gebrannt. Der Verlauf des Glattbrandes ist kürzer als der des
Biskuitbrandes. Auch die Temperatur ist niedriger, Sie beträgt
zwischen 1000°C und 1100°C.
Unterscheidung
der Wandfliesen
Man unterscheidet im
Handelsgebrauch
‚Weiß‘
‚Elfenbein‘
‚Industrie‘ und
‚Majolika‘.
‚Weiß‘ und
‚Elfenbein‘ sind die eigentlichen Steingutfliesen, während
‚Industrie‘ eine im Halbnaßverfahren aufbereitete gröbere
Schamottefliese ist. ‚Majolika‘ ist im Handelsgebrauch der
Sammelbegriff für alle farbigen Glasuren.
Eine erste Ordnung
der farbigen Glasuren erfolgt über die Unterscheidung nach
Grundfarben, zum Beispiel Gelb, Rot, Blau, Grün, Grau und Schwarz.
Eine weitere
Unterscheidung erfolgt nach der Oberflächenbeschaffenheit: Glänzend,
Matt und Kristallin. Dem Glasurcharakter nach unterteilt man in:
Durchsichtige
Majolikaglasuren
Deckende Opakglasuren
Deckende
Ausscheidungsglasuren (Matt- und Kristallglasuren).
Alle Glasuren können
wiederum einfarbig oder mehrfarbig gesprenkelt oder geflammt sein.
Diese
Verschiedenartigkeit hat zu folgender Ordnungstabelle geführt:
Abb. 14. Schematische
Ordnung der farbigen Glasuren.
Sortierung
der Wandfliesen
Nach dem Glattbrand
werden die Fliesen sortiert und zwar nach den Handelsqualitäten:
+
I. Sortierung
□
II. Sortierung
3. Sorte
III. Sortierung
Bruch wird
ausgeschieden
Die I. Sortierung ist
fehlerfrei. In die II. Sortierung gelangen Fliesen mit geringfügigen
Fehlern die oft für den Laien kaum erkennbar sind. Die III.
Sortierung enthält größere Fehler. Sie ist keine reguläre
Handelsware, ist jedoch für reine Zweckbekleidungen in
untergeordneten Räumen verwendbar.
In der Qualitätssortierung
erfolgt auch die Sortierung nach Größe. Die genormten Größen sind
in der DIN 18155 festgelegt.
In der Großfabrikation
nuancieren unter dem Einfluß des Feuers alle Glasuren, Deshalb ist
es notwendig, auch auf Farbnuance zu sortieren. Gemeint ist die
Trennung der Nuancen innerhalb einer Glasur.
Formteile
Mit der Lieferung von
Wandfliesen ist die Lieferung von Formteilen untrennbar verbunden.
Sie machen allerdings andere Fabrikationsgänge durch als
Wandfliesen. Wesentlichster Unterschied: sie werden in Gipsformen
gegossen.
Abb. 15. Fertigung
von Formteilen (hier: Seifenschalen).
Die Masse wird zum
Gießen nur bis zu einem steifen Schlamm aufbereitet. Gießt man
eine solche Schlämme in eine Gipshohlform, so saugt der Gips das
Wasser aus der flüssigen Masse an. Der Massebrei steift in der
Gipsform an. Nachdem die Aussteifung bis zu einer gewissen Schichtstärke
erfolgt ist, wird der überschüssige, flüssige Brei ausgegossen.
Der Formling hebt sich infolge seiner Schwindung von der Gipsform
ab. Das gegossene Stück kann nach einer gewissen Zeit aus der
Gipsform entnommen, verputzt und poliert werden. Nach dem Trocknen
durchlaufen gegossene Formteile wie die Wandfliesen den Schrühbrand,
werden glasiert und abschließend glattgebrannt.
Benutzte
Literatur aus meiner Sammlung
Heide, H. „Die
Ordnung der farbigen Glasuren in der Wandplatten-und
Kachelofenindustrie“ in: Berichte der Deutschen Keramischen
Gesellschaft, Band 26/1949
Heide, H.
„Farbenharmonien bei Fliesenbelägen“ in: Fliesentaschenbuch
1953, Bauverlag Wiesbaden
Heide, H.
„Grundlagen für die schöne Raumgestaltung durch Fliesen“ in:
Fliesentaschenbuch 1954, Bauverlag Wiesbaden
Heide, Hans, Direktor
und Ebel, Horst, Dipl. Chem., ‘Technologie der Fliesen‘, Broschüre
im Eigenverlag der Wessel-Werk GmbH (Bonn, ca. 1959)
Lehmann, Prof.
Dr.-Ing. H. „Technologie der Wand- und Bodenfliesen“ in:
Fliesentaschenbuch 1953, Bauverlag Wiesbaden
Salmang, H. „Die
Keramik“, Springer-Verlag, Berlin 1954
Wolfenter, H.
„Fliese, ein altes deutsches Wort“ in: Fliesentaschenbuch 1953,
Bauverlag Wiesbaden
WESSEL’S
WANDPLATTENFABRIK
Bisher
erschienen auf meiner Homepage:
Teil 1
Firmengeschichte
Teil 2
Katalog 30 (vor dem 2. Weltkrieg)
Teil
3
Erster Katalog nach dem 2.
Weltkrieg
Die Wandplatte in ihrer Entstehung und Verwertung
In
Arbeit:
Teil 5
KLAPPTAFEL
ALS PRÄSENTATIONSOBJEKT DER WESSEL AG AUS DEN 50ER JAHREN DES
20.
JAHRHUNDERTS
TEIL 6
WESSEL
INFORMATION 1971
TEIL 7
WESSEL
INFORMATION 1972
TEIL 8
WESSEL
INFORMATION 1973
Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung des Berichtes und die Veröffentlichung
auf der Homepage www.geschichte-der-fliese.de
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