Von
der Manufaktur zur Wandplattenfabrik
Die Stadt Bonn
verdankt ihrer Rolle als Residenzstadt der Kölner Kurfürsten bis
auf den heutigen Tag ihre wesentlichen Züge. Kurköln als große
Macht ging in der napoleonischen Ära unter - wie so manches
politische Gebilde nach ihm.
Unmittelbar aus dem
Wirken des Kurfürsten Clemens August von Wittelsbach, Erzbischof
von Köln1, gingen die
Wessel - Werke hervor: Ihr Markenzeichen - stilisierter Kurhut mit
Krummstab und Schwert als Sinnbild geistlicher und weltlicher
Gewalten - war Verweis auf ihren Ursprung.
Manufaktur
in Poppelsdorf
Kurfürst Clemens
August gründete 1755 die Poppelsdorfer
Faience Fabrique am Fuße des Kreuzberges auf dem Gelände der
Katzenburg2, einen Steinwurf vom Poppelsdorfer Jagdschloß entfernt. Er
beauftragte den geistlichen Konferenzrat Ferdinand von Stockhausen3
und dessen Schwager Johann Jacob Kaising4,
die aus China bekannte Porzellanherstellung das arcanum
zu erkunden. Die Souveräne des 18. Jahrhunderts wetteiferten auch
auf diesem friedlichen Gebiet miteinander. Der kurkölnischen Gründung
in Poppelsdorf am Rande Bonns war nicht das glanzvolle Schicksal der
Gründungen in Meissen, Berlin, Nymphenburg, St. Petersburg, Wien
oder Sèvres beschieden. Schon nach zwei Jahren wurde vom Hofe des
Kurfürsten von Stockhausen und Kaisin mitgeteilt, dass sie auf
eigene Kosten das Unternehmen weiterzuführen hätten. Nur sehr
wenige Stücke aus dieser ersten Periode haben die folgenden
Jahrhunderte überstanden. Neben Zierfayencen und Geschirren wurden
auch Fliesen in geringem Umfang hergestellt.
Schon 1757 hatte die
Manufaktur finanzielle Probleme. Bis 1805 wechselten Pächter und
Eigentümer mehrfach. Dann übernahm Johann Mathias Rosenkranz5
mit seinem Schwager Mauritz Wulf 6
den Betrieb. Sie beschäftigten 1809 15 Arbeiter.
Die Produktion
expandierte, denn 1816 waren etwa 70 und 1818 sogar etwa 80 Arbeiter
beschäftigt.
Abb. 1. Die Poppelsdorfer Faience Fabrique um 1840 (aus: Ernst Bauer, Ludwig
Wessel AG Bonn, Berlin 1927).
Das Bild zeigt geschäftiges
Treiben vor dem Fabrikgebäude. Dichter Rauch der Brennöfen steigt
auf. Die Befeuerung der Öfen war von Holz auf Kohle umgestellt. Die
Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert mit ihren gewaltigen Erschütterungen
war für den Betrieb solcher Unternehmungen eine äußerst
schwierige Zeit. Ludwig Wessel7,
Kaufmann aus der Bonner Sternstraße, gab 1821 Johann Mathias
Rosenkranz, dem damaligen Besitzer der Manufaktur ein Darlehen.
Schon vier Jahre später mußte Rosenkranz wegen Insolvenz einen
Teil seines Betriebes an Wilhelm Wessel8
verkaufen. Johann Mathias Rosenkranz starb am 9. Juli 1828. Ludwig
Wessel übernahm danach weitere Teile der Manufaktur und ließ auf
dem aufgekauften Gelände eine neue Fayence- und Steingutfabrik
errichten. Ludwig Wessel entwickelte die Manufaktur mit großer
Energie zu einem hoch angesehenen Unternehmen, dessen Produkte weite
Verbreitung fanden. Am 23. März starb Ludwig Wessel. Sein Sohn
Franz Joseph Wessel9 übernahm
mit seinem Schwager Karl von Thielmann10
das Unternehmen. Eine erste Dampfmaschine wurde 1830 in Betrieb
genommen.
Abb. 2. Dampfmaschine
in der Porzellan – und Steingutfabrik Ludwig Wessel in Poppelsdorf
(aus: Ernst Bauer, Ludwig
Wessel AG Bonn, Berlin 1927).
Um 1840 wurden die
Fabrikanlagen erweitert. Die Rohstoffe Kaolin, Feldspat und fette
Tone bezog man aus England, Feuersteine von der nordfranzösischen Küste.
1842 schied Karl von
Thielmann aus dem Unternehmen aus.
Franz Joseph Wessel,
Sohn des Ludwig Wessel, übertrug 1868 die Leitung des Unternehmens
seinen beiden Söhnen Nikolaus Joseph Wessel11
und Carl Ludwig (Louis genannt) Wessel12.
Bei Witterschlick, in
unmittelbarer Nähe der Stadt Bonn in der Voreifel, wurden 1880
Blauton-Vorkommen entdeckt. Der Ton aus Witterschlick kam mit der
Voreifelbahn und wurde zum wichtigsten Rohstoff der Wessel -
Produktion.
|
Abb. 3.
Dieses aus 204
Fliesen bestehende Bild wurde 1881 auf der Allgemeinen
Deutschen Patent- und Musterschutz-Ausstellung in Frankfurt am
Main gezeigt (aus: W. Schumacher, Die Poppelsdorfer Porzellan- und Steingutfabrik von Ludwig Wessel in
Bonn, Tf. IV. 2. Aufl.
Bonn 1888.
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Abb. 4. Gemälde, das
Hamburger Rathaus mit Szenen am Kai.
Eine Abbildung dieses
Fliesengemäldes veröffentlichte ich in meinem Buch
Die Geschichte der Fliese (Köln 1996) auf Seite 222.
Die Verbindung dieses
Fliesengemäldes aus der Ludwig Wessel AG in Bonn-Poppelsdorf zu
Hamburg ergibt sich aus der
Tatsache, dass Carl Ludwig (Louis genannt) Wessel am 17.08.1882 in
zweiter Ehe Olga Gayen aus einer angesehenen Altonaer Reederfamilie
heiratete.
Das Gemälde besteht
aus 63 Fliesen im Format von 150x150x10 mm. Es war 1978 im Besitz
von Herrn Dr. Nikolaus Fasolt.
|
Abb. 5
Die Scherben der
Fliesen haben die Rückenprägung 7 im Verzeichnis der
Fliesenrücken (Katalog 1 zur Ausstellung ‚Volkskunst im
Wandel‘, Köln 1978, Seite 158).
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Abb. 6. Werksgelände
um 1885 (aus: Ernst Bauer, Ludwig
Wessel AG Bonn, Berlin 1927).
Nach dem Tod seines
Bruders Nikolaus Joseph Wessel wandelte Louis Wessel den Betrieb
1888 in eine Aktiengesellschaft um.
Louis Wessel, Enkel
Ludwigs, erwarb sich im letzten Teil des 19. Jahrhunderts besondere
Anerkennung in der keramischen Entwicklung der Produkte des
Unternehmens in der starken Konkurrenz nicht zuletzt zu den
englischen Herstellern. Er war es auch, der die Idee verwirklichte,
der Geschirrherstellung eine Fliesenproduktion anzugliedern.
Abb. 7 ‚Schäferszene‘
aus 30 Fliesen (4 Fliesen fehlen), als Inv. Nr. 76/890-76/915 im
Landesmuseum für Volkskunde in Kommern. Aufglasurmalerei in bunten
Farben auf grauem Grund. Gemäß Prägung der Scherben wurden die
Fliesen von der Ludwig Wessel Act. Ges. Poppelsdorf – Bonn
gefertigt.
1896 wurde die Wessel‘s Wandplattenfabrik AG, Bonn ausgegliedert. Das
Poppelsdorfer Werk trug über viele Jahrzehnte den Namen AG
für Porzellan- und Steingutfabrikation Ludwig Wessel. Es litt
in den 1920er Jahren schwer unter der Weltwirtschaftskrise. Am 5.
Februar 1926 zerstörte ein Brand das Werksgelände in Poppelsdorf
fast vollständig. Der Hersteller für Sanitär-Keramik Friedrich
Butzke aus Berlin übernahm das Unternehmen. Nach der Übernahme
beschränkte sich die Produktion auf Sanitärkeramik. Nach dem 2.
Weltkrieg firmierte das Poppelsdorfer Unternehmen unter Wessel Keramische Werke AG. Nach konstantem Absatzschwund wurde die
Fabrik am 31. Dezember 1969 geschlossen. Das Land
Nordrhein-Westfalen kaufte das Werksgelände im Süden Bonns an der
Clemens-August-Straße, Carl-Troll-Straße und Katzenburgweg. 1977
wurden die Fabrikgebäude abgerissen.
Wessel‘s
Wandplattenfabrik AG, Bonn
Vorversuche und erste
Produktion von Wandfliesen erfolgten 1895 in der Poppelsdorfer
Manufaktur. Am 13. August 1895 stellte Konsul Luis Wessel den
Bauantrag zur Errichtung
einer Wandplattenfabrik in Dransdorf bei Bonn. So entstand 1896 die
neue Fabrik in Dransdorf, die Luis Wessel auf eigene Rechnung unter
dem alten Markenzeichen der Krone betrieb. Die Wessel‘s Wandplattenfabrik AG, Bonn wurde aus dem Poppelsorfer
Unternehmen ausgegliedert.
Abb.
8. Bauplan der „Fabrikanlage für Wandplatten-Fabrikation
von Consul Louis Wessel in Bonn“, im August 1895 von H. Petazzi
gezeichnet. In der Ansicht von der Straßenseite sieht man von links
nach rechts: Dampfkesselhaus, Maschinenhaus, Mühlengebäude,
Eingang zum Werk und Schuppen für Rohmaterial.
Abb. 9.
„Zeichnung zum Muffelhaus der Wessel’s Wandplatten-Fabrik in
Bonn“. Der Bauplan wurde im Oktober 1899 von H. Petazzi
gezeichnet.
Im neuen Betrieb
stellte man „Steingutwandfliesen nach der Segerschen
Grundformel"13 mit
transparenter Blei-Bor-Glasur her. Die Masse wurde nach dem
klassischen Naßverfahren aufbereitet, die Formgebung aber erfolgte
durch Trockenpressen von Hand. Biskuit- und Glasurbrand14
in
Schamottekapseln wurden in Rundöfen mit Steinkohlefeuerung durchgeführt.
Die Anfangsjahre waren für die junge Fliesenfabrik schwer. Die
Dokumente jener Zeit könnten auch aus unseren Tagen stammen. Da ist
die Rede von „starker Konkurrenz durch Billigware aus dem
Ausland" (1896), von „Arbeitermangel" (1898) und von
„Stagnation" (1899-1902). Aber man hielt durch, suchte und
fand Ideen und sammelte alle Kräfte. Schon im Jahre 1902 hatte
die Qualität der Produktion einen so hohen Stand erreicht, dass
Goldmedaillen (Düsseldorf 1902 und St. Louis 1904) und Ehrendiplome
(Buenos Aires 1910) verdienter Lohn für die Mühen waren. 1912
wurde ein Kesselhaus mit Kamin für eine Lanz ‚Lokomobile‘
(Dampfmaschine) gebaut. In den Jahren von 1910 bis
1912 waren durchschnittlich über 300 Arbeiter beschäftigt.
In den Jahren bis zum
Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde auch der Absatz auf den
Exportmärkten intensiviert; die Produktion konnte verzehnfacht
werden. Diese Aufwärtsentwicklung unterbrach der Krieg.
Consul Luis Wessel
starb wenige Monate nach Beginn des 1. Weltkriegs.
Die Führung des
Unternehmens hatte er während seiner letzten Lebensjahre, durch
schwere Krankheit geschwächt, seinem zweiten Sohn Wilhelm übertragen.
1922 stand ein erster
Tunnelofen unter Feuer. Auf Grund der Wirtschaftskrise ruhte die
Produktion im Jahr 1923 neun Monate. So wurde am 22.12.1923 „...
auf den Bericht des Vorstandes über die Geschäftslage verzichtet,
da den Aufsichtsratsmitgliedern der trostlose Zustand derselben
infolge des neunmonatigen Stilliegens des Werkes bekannt ist.“
Abb.
10. Wessels’s Wandplattenfabrik in Dransdorf in den
zwanziger Jahren.
Wilhelm Wessel15
führte das Werk durch zwei Weltkriege, zwei Perioden von
Nachkriegswirren, zwei Inflationen, zwei Besetzungen bis zu seinem
Tode 1967.
Bedeutende Männer
standen ihm über lange Jahrzehnte zur Seite. Darunter finden sich
so bekannte Namen wie Justizrat Josef Abs16,
stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wessels
Wandplatten-Fabrik AG in Bonn,
und dessen Sohn Hermann Josef Abs17,
der dem Unternehmen als Vorsitzender des Beirates und Gesellschafter
verbunden war.
In der Fliesenfabrik,
die 1922 in die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und 1959 in die
einer GmbH umgewandelt wurde, waren die Folgen zweier umwälzender
Kriege zu überwinden. Zweimal mussten kriegsbedingt fremde
Fabrikationen eingerichtet und die angestammte nahezu aufgegeben
werden. Zweimal verlor das Geld seinen Wert vollständig. Während
langer Zeiten lag das Werk still. Die Protokolle sprechen eine
beredte Sprache:
22.12.1923 „... auf
den Bericht des Vorstandes über die Geschäftslage wird verzichtet,
da den Aufsichtsratsmitgliedern der trostlose Zustand derselben
infolge des neunmonatigen Stillliegens des Werkes bekannt ist."
Jugendstilfliesen
Abb. 11.
Neun Beispiele von Fadenreliefdekoren aus Katalog 30.
Tierplastiken
Zwischen 1920 und
1930 wurden in Wessels Wandplatten-Fabrik Bonn auch Tierplastiken in
Hartsteingut mit Zirkonglasur gefertigt.
Abbildungen. 12 und
13. Kaltblut belgischen Typs, Hartsteingut mit Zirkonglasur.18
Abb. 14. Stempel im
Sockel der Tierplastik. Größe des Stempels 2,7x3,7 cm.
Den Wessel-Werken
gelang 1940 die Übernahme der Mehrheit der damals viel
bescheideneren Servais-Werke AG in Witterschlick bei Bonn19
und 1941 der Otto Kauffmann KG in Niedersedlitz bei Dresden20.
Letztere ging nach dem
2. Weltkrieg verloren. Die Servais-Werke
dagegen entwickelten sich nach faktisch vollkommener Zerstörung
durch einen Luftangriff und einer - wie bei Wessel - unendlich
schwierigen Nachkriegsperiode zu einem blühenden Unternehmen. Sie
entstanden um die Jahrhundertwende auf der Grundlage der dortigen
Tonvorkommen und befaßten sich bald mit der Erzeugung von Fliesen.
Ihre Wurzel ist in Ehrang zu suchen.
Die Wiederaufnahme
der Fliesenproduktion wurde beiden Werken erst um die Jahreswende
1947/48 erlaubt - der Wunsch höchster Besatzungsbehörden nach Bädern
soll hierbei eine Rolle gespielt haben. Bis dahin mussten sich die
zerstörten Werke unter der tatkräftigen Führung der Männer der
ersten Stunde am Leben zu erhalten suchen.
Die Schwierigkeiten
dieser Zeit kann man sich kaum vorstellen. So erklärt sich auch die
Aufnahme elektrokeramischer Fertigungen, die in der damaligen
britischen Zone fehlten, und der in der ersten Phase aufgenommenen
Dachziegelproduktion. Die elektrokeramische Fertigung wurde bei
Servais für den Niederspannungsbereich und bei Wessel für den
Hochspannungsbereich mit teilweise sehr großen Erfolgen bis in die
sechziger Jahre fortgeführt. Wessel arbeitete eng mit den etwa um
die gleiche Zeit entstandenen Rheinisch-Westfälischen
Isolatoren-Werken in Siegburg zusammen. Die beiden Firmen vertrieben
ihre Hochspannungsporzellane gemeinsam.
1950 stieg Dr.
Nikolaus Fasolt21 als
Sachbearbeiter in die Firma ein. Er hatte vier Monate nach
Kriegsende Vera Wessel, Erbin der Mehrheit des ältesten und größten
Fliesenunternehmens Deutschlands, geheiratet. 1961 übernahm Dr.
Fasolt die Leitung des Unternehmens. Die Fliesenproduktion nahm eine
rasante Entwicklung. Im Juni 1967 starb Konsul a.D. Wilhelm Wessel.
Neben manchen anderen
Entwicklungen war der in den sechziger Jahren vollzogene Übergang
zur Erzeugung von Preßmassen im Sprühverfahren eine wesentliche
Neuerung. Der in den siebziger Jahren stetig wachsende Verbrauch an
Fliesen und eine immer heftiger werdende Konkurrenz aus dem Ausland
lösten eine stürmische Entwicklung des Sortiments aus. Die Zahl
der verschiedenen Produkte vervielfachte sich. Die zum Teil sehr
anspruchsvollen Dekore stellten an die Keramiker hohe Anforderungen.
Hunderte verschiedene Fliesentypen wurden trotz Fertigung in Großserien
in nahezu handwerklicher Qualität geliefert. Die Produktion
erfolgte unter Anwendung moderner Technik im klassischen
Zweibrandverfahren22. Die
erforderlichen Rohstoffe kamen aus der Kölner Bucht und Umgebung,
dem Westerwald, dem bayerischen und mitteldeutschen Raum, aber auch
aus Belgien und England. Wessel exportierte in den siebziger Jahren
ein Viertel seiner Fliesenproduktion. Abnehmer fanden sich in allen
Weltteilen. Südamerika gehörte, wie schon in der Zeit zwischen dem
1. und 2. Weltkrieg, zu den wichtigsten Gebieten.
Abb. 15.
Luftbild des Wessel-Werkes von 1971
In den
Nachkriegsjahren stieg das Familienunternehmen zu den Branchenführern
auf.
Der Jahresumsatz 1977
betrug rund 150 Millionen Mark.
Im April 1978 übernahm
Dr. Nikolaus Fasolt, Chef der Wessel-Werke und Verbandsvorsitzender
der Keramischen Fliesenindustrie, die Nachfolge des ermordeten
BDI-Chefs Hanns Martin Schleyer. Ende der 70er Jahre
geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Der starke
Wettbewerbsdruck durch Importe und Inlandskonkurrenz führten zu
massivem Erlösverfall.
Eine Übernahme durch
die Servais-Gruppe verzögerte nur das Aus.
Am 22.01.1985
berichtete der Bonner Generalanzeiger vom Ende der Wessel-Werk GmbH.
Abb. 16.
Markenzeichen der WESSEL-WERK GMBH BONN auf einer Klapptafel zur Präsentation
von Wandfliesen.
Kurfürst Clemens
August gründete 1755 die kurfürstliche Fayencerie in Poppelsdorf
am Fuße des Bonner Kreuzberges. Das Markenzeichen - stilisierter
Kurhut mit Krummstab und Schwert als Sinnbilder geistlicher und
weltlicher Gewalten - war bis 1985 Verweis auf die Ursprünge der
Wessel-Werke.
Erläuterungen
1
Clemens
August von Bayern (*16.08.1700 in Brüssel; + 6. Februar 1761 in
Koblenz) war von 1723 bis 1761 Erzbischof von Köln
und damit
gleichzeitig Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches.
Außerdem
war er Inhaber weiterer weltlicher und kirchlicher Würden.
2 Die Katzenburg in Bonn-Poppelsdorf wurde zuerst 1661 erwähnt.
Sie war Ausgangspunkt der Poppelsdorfer Fayence-Manufaktur. Die
Anlage wurde im 19. Jahrhundert abgebrochen.
3
Ferdinand von Stockhausen, geistlicher Konferenzrat und
Pagenhofmeister am Hofe des Kurkürsten Clemens August, bewohnte die
Katzenburg in Poppelsdorf. Er stellte dem Kurfürsten seinen
Schwager Johann Jacob Kaising als Porzellanmacher vor.
4
Johann Jacob Kaising begann 1755 in der Katzenburg, einer
kleinen Wasserburg in Poppelsdorf, mit Versuchen zur Herstellung von
Porzellan.
5
Johann Mathias Rosenkranz übernahm 1805 die Manufaktur nach
mehrfachem Wechsel von Eigentümer oder Pächter.
6
Mauritz Wulf, Schwager des Johann Mathias Rosenkranz, war
technischer Leiter der Manufaktur.
7
Ludwig Wessel, Kaufmann aus der Bonner Sternstraße, gab 1821
Johann Mathias Rosenkranz ein Darlehen. 1840 übernahm er die
ehemalige Kurfürstliche Fayencerie in Poppelsdorf.
8
Wilhelm Wessel kaufte 1825 nach Insolvenz des Mathias
Rosenkranz einen Teil der Manufaktur.
9
Franz Joseph Wessel führte nach dem Tod seines Vaters Ludwig
Wessel das Unternehmen.
10 Karl von Thielmann, Schwiegersohn des Ludwig Wessel, trat
1830 in die Firma ein. Er sollte als technischer Direktor Ludwig
Wessel ermöglichen, sich auf die Finanzen des Unternehmens zu
konzentrieren.
11
Nikolaus Joseph Wessel, Sohn des Franz Joseph Wessel, übernahm
1868 mit seinem Bruder Carl Ludwig Wessel die Leitung des
Unternehmens.
12
Carl Ludwig Wessel, Sohn des Franz Joseph Wessel, übernahm
1868 mit seinem Bruder Nikolaus Joseph Wessel die Leitung des
Unternehmens.
13 Der Keramiker Hermann Seger (1839-1893) entwickelte Prüfkörper
zur Bestimmung von Brenntemperaturen, die sogenannten Segerkegel.
14
Biskuitbrand war das Vorbrennen von Fliesen zur Festigung des
Scherbens vor dem Auftrag der Glasur. Beim Glasurbrand richtete sich
die Brenntemperatur nach der verwendeten Glasur. Im Normalfall waren
das 1020°-1040°.
15
Konsul Wilhelm Wessel, Sohn des Luis Wessel, führte das Werk
durch zwei Weltkriege, zwei Perioden von Nachkriegswirren, zwei
Inflationen, zwei Besetzungen bis zu seinem Tode im Juni 1967.
16
Dr. Josef Abs (* 6.12.1862 in Euskirchen; + 24.5.1943 in
Bonn), Rechtsanwalt in Bonn, hatte mehrere Aufsichtsratsposten u.a.
in Bergbauunternehmen. Er stand über lange Jahre Wilhelm Wessel als
stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wessels Wandplatten-Fabrik AG in Bonn zur Seite.
17
Dr. Hermann Josef Abs (* 15.10.1901 in Bonn; + 5.2.1994 in
Bad Soden), Sohn des Dr. Josef Abs, war Bankier und von 1957 bis
1967 Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG. Er war Mitglied
zahlreicher Aufsichtsräte verschiedener Industriekonzerne. Bei den
Wessel - Werken war er Vorsitzender des Beirates und Gesellschafter.
18 ‘Lossberg‘, Sieger der DLG-Schau Leipzig 1928. Kaltblut
belgischen Typs, Sohn des ‘Lothar III‘, vom Landgestüt Wickrath
bei Mönchengladbach. (Harbers, Annette, Quellen und Materialien zur
Geschichte des Rheinischen Landgestüts Wickrath, mit Foto des
Hengstes ‘Lossberg‘ als Abb.18).
Die Tierplastik ist Teil meiner Keramiksammlung. Die Plastik
trägt im Sockel den Nassstempel ‘LOSSBERG SIEGER DER D-L-G-SCHAU
LEIPZIG 1928‘.
Eine Ausformung der Tierplastik ‘Lossberg‘ ist mit der
Inv. Nr. 75/1023 auf Seite 245 im Katalog 2 zur Ausstellung
Volkskunst im Wandel abgebildet.
19
Die Servais-Werke AG wurden 1940 von Wessel’s
Wandplatten-Fabrik AG übernommen.
Die
Wessel-Servais-Gruppe hatte in den späten 70er Jahren einen
Marktanteil von mehr als 25 Prozent in Deutschland produzierter
Wandfliesen und exportierte weltweit. Nach dem Aus der
Wessel-Wandplattenfabrik AG fusionierte die Wessel-Servais-Gruppe
1989 (100 Jahre nach Gründung des Witterschlicker Werkes) mit der
Agrob AG zur Agrob-Wessel-Servais AG (AWS). 1992 schloss sie sich
mit der Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer AG
zusammen.Witterschlick ist Sitz der Hauptverwaltung.
20
Die Otto Kauffmann KG in Niedersedlitz bei Dresden,
bedeutender Fliesenproduzent im Osten Deutschlands, wurde 1941 von
der Wessel-Werk AG Bonn übernommen. Das Werk ging nach dem 2.
Weltkrieg durch Enteignung verloren.
21
Dr. Nikolaus Fasolt (* 21.7.1921 in Berlin: + 29.8.2014 in
Ruhpolding) heiratete 1945 Vera Wessel, Erbin der Mehrheit der
Wessel-Werke, stieg 1950 in die Firma ein und übernahm 1961 die
Leitung des Unternehmens. Die Fliesenproduktion entwickelte sich
rasant. Er war von April bis September 1978 Präsident des
Bundesverbands der Deutschen Industrie. Wegen einer Steueraffäre
musste er zuück treten. Mit ihm endeten 1985 die weltweit bekannten
Wessel‘s Wandfliesen-Werke.
22 Zweibrandverfahren. Im ersten, dem Roh- oder Schrühbrand,
wurden die keramischen Scherben (Biskuit) gefestigt. Im zweiten, dem
Glasurbrand, wurde die auf die Scherben aufgetragene Glasur
gebrannt. Bei einigen besonders empfindlichen Glasuren war noch ein
dritter Brand mit geringeren Brenntemperaturen erforderlich.
Sowohl
Steingut- als auch Steinzeugfliesen können heute im
Einbrandverfahren hergestellt werden. Bei glasierten Fliesen wird
beim Einbrandverfahren
die Glasur zusammen mit dem Scherben gebrannt. Da die
Brenntemperatur recht hoch ist, wir bei manchen Glasuren doch noch
das Zweibrandverfahren eingesetzt.
Benutzte
Literatur
Hauptmann, F. Die Geschichte der Familie Wessel nach urkundlichem Material
zusammengestellt, Bonn 1901
Weisser, Michael Die Poppelsdorfer Faience Fabrique. Monographie des feinkeramischen
Betriebes von 1700-1840. In: Bonner
Geschichtsblätter. Band 28. Bonn 1976, S. 37 ff.
‚Die
Wessel - Gruppe‘
in Berichte der Deutschen Keramischen Gesellschaft“ Band 54 (1977)
Nr. 4, S. 123-126
Wessel, Stefanie, Bonner Wandfliesen in: Zeitschrift
für Unternehmensgeschichte, Jg. 32, 1987, S. 166-182
Ergänzend Berichte
im Internet zur Firmengeschichte und zu Personen.
Sehr gute
Informationen boten das Buch Weisser, Michael ‚Jugendstilfliesen‘
(1978) und die im Auftrag des Landschaftsverbandes Rheinland von
Adelhart Zippelius herausgegebenen Führer und Schriften des
Rheinischen Freilichtmuseums und Landesmuseums für Volkskunde in
Kommern, Nr. 11 (1978) - Katalog 1 -, Nr. 12 (1980) - Katalog 2 -
und Nr. 13 (1984) - Katalog 3 -.
Benutzte
Zeitungsberichte:
Bonner Rundschau
|
23.01.1956
|
Verdienstkreuz für
Konsul Wessel ...
|
Generalanzeiger
|
20.10.1958
|
Ein halbes
Jahrhundert Wirtschaftsführer ...
|
Bonner Rundschau
|
20.10.1958
|
Konsul Wessel
feiert Jubiläum
|
Generalanzeiger
|
08.12.1960
|
Bonner Erde für
die Steingutindustrie
|
Generalanzeiger
|
20./21.06.67
|
Konsul a.D. Wilhelm
Wessel gestorben
|
Generalanzeiger
|
31.07.1967
|
150.000 Mark
Schaden durch Großbrand ...
|
Bonner Rundschau
|
01.08.1969
|
Wandfliesen aus
Bonn zieren Wände in Tahiti
|
Generalanzeiger
|
23./24.12.72
|
Rheinische
Unternehmer, Dr. Nikolaus Fasolt
|
Die Welt
|
11.01.1975
|
Fliesen mit Kurfürsten-Tradition
|
Der Spiegel
|
04/1978
|
Schleyer -
Nachfolge, BDI-Kandidat Fasolt
|
Der Spiegel
|
22/1978
|
BDI-Präsident
Fasolt hat Schwierigkeiten ...
|
Generalanzeiger
|
22.01.1985
|
Schließung des
Wessel - Werks
|
In
Arbeit habe ich:
Teil
2 Katalog 30 (vor dem 2.
Weltkrieg)
Teil
3 erster Katalog nach dem
2. Weltkrieg
Teil
4 Fabrikation von
Wandfliesen in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts
Teil
5 Fliesenpräsentation
mittels Klapptafel
Teil
6 Fliesenpalette 1972
Teil
7 Fliesenpalette 1973
|