TÜRKEI

Die ältesten und einfachsten in Anatolien (nach Europa vorgestreckte Halbinsel Asiens) gefertigten Fliesen sind Quadrate und Rechtecke mit einfarbiger deckender Glasur in den Farben Türkis, Azurblau, Grün und Violett. Sie sind noch in vielen Moscheen und Medresen in situ erhalten.
Eine verfeinerte Technik stellen die ornamental geformten Mosaik-Fliesen dar. Da diese Fliesen nach Farben getrennt gebrannt wurden, ließen sich hochglänzende farbige Glasuren erzielen. Die schönsten Beispiele für Mosaik-Fliesen mit ausgefeilter Glasurtechnik sind an der Grünen Moschee in Bursa und an der Gök-Medrese in Sivas zu sehen.
Bedingt durch gesteigerten Bedarf dieser Art Wanddekoration, verbunden mit einem hohen Aufwand beim Ansetzen der Mosaik-Fliesen, wurden diese geometrischen Muster auf quadratische Fliesen übertragen.
Man vermied das Ineinanderfließen verschiedener Glasuren auf der Fliese durch das Umreißen der Felder mit braunen Konturen. Die Muster wurden mit einer Zuckerlösung gezeichnet und danach die Felder mit Glasurmasse ausgefüllt. Beim Brand blähte die Zuckerlösung auf und verhinderte dadurch das Vermischen der Glasuren. Die verbliebenen Furchen sind deutlich zu erkennen und zu ertasten. Die schönsten Fliesen dieser Art sind neben Fliesen in Lüstertechnik und Reliefschrift-Fliesen mit aufgelegtem Blattgold im Museum für Islamische Kunst in Istanbul zu finden.
Nach der ersten glanzvollen Epoche osmanischer Fliesen, die in Bursa, Edirne und Karaman zu bewundern sind, begann die Fliesenkeramik nach der Vertreibung der Europäer aus Konstantinopel (Istanbul) neue Wege zu gehen. Das erste reich mit Fayencefliesen geschmückte Istanbuler Bauwerk ist der 1472 errichtete Cinili Kösk. Berühmt sind die Fliesenarbeiten am Arz odasi (Empfangsraum) des Topkapi Sarayi in Istanbul. Sie zeigen auf azurblauem Grund in den Farben Gelb, Grün und Türkis gemalte Blüten- und Rankenmotive.
In der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts suchte man nach neuen Möglichkeiten der Fliesendekoration. Das Unterglasur- bzw. Inglasurverfahren verdrängte die Farbglasurtechnik. Auf weißem Grund herrschen nun fünf Farben vor: Türkis, Blau, ein zartes Grün ein lichtes Azurblau und Rot. Tulpen, Hyazinthen, Nelken, Päonien, Granatblüten sowie blühende Pflaumen- und Kirschzweige drängten stilisierte Motive in den Hintergrund. Der Raum zwischen den Blüten wurde meist mit dolchförmig gekrümmten Blättern ausgefüllt. In dieser Stilart sind die Fliesen der 1557 vollendeten Süleymaniye-Moschee und den hinter der Moschee liegenden Türben, den Grabanlagen Sultan Süleymans des Prächtigen und seiner Favoritin Hurrem Sultan ausgeführt.
Der Reichtum der Dekoration dieser Zeit ist beispielhaft in der 1559-1561 erbauten Rüstem-Pasa-Moschee schon alleine durch 41 verschiedene Tulpenmotive dokumentiert.
Topkapi-Sarayi, der Sultanspalast, ist das Juwel der sieben Hügel von Istanbul.
Der Palast steht an der Stelle, an der sich die Akropolis des antiken Byzanz befand. Er besteht aus einigen Hauptgebäuden aus der Zeit Mehmets II. des Eroberers und zahlreichen Bauten, die sein Sohn Bayazit II. (1481 bis 1512) hinzufügen ließ. Von Mehmet II. bis Abdül Mecit I. (1839 bis 1861) residierten die Sultane im Topkapi-Sarayi. Sie alle veränderten den Palastbereich durch Baumaßnahmen. Aus der Zeit Mehmets II. steht noch heute der Cinili Kösk, der Fayencen-Pavillon. Fassade und Innenraum des Cinili Kösk sind mit Fayencefliesen geschmückt. Die meist großflächig nach Seldschuken-Art gefertigten Dekore ähneln denen der Grünen Moschee in Bursa. Fliesenarbeiten wurden in vielfältigster Weise bis zur ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Topkapi-Sarayi ausgeführt. Vor allem im Haremsbezirk sind viele Zimmer mit Fliesen mit floralen und geometrischen Mustern ausgestattet. Außergewöhnlich schöne Fliesenbekleidungen findet man in der Wohnung der Sultansmutter, den Privatgemächern des Sultans und der Moschee.
Der Topkapi-Sarayi wurde 1924 in ein Museum umgewandelt.

 

Istanbul,Topkapi Sarayi
Die Wände im Palast sind mit den bedeutendsten Beispielen türkischer Fliesen aller Perioden bedeckt.

Istanbul, Topkapi Sarayi
Ein besonders interessantes und ausgefallenes über mehrere Fliesen verteiltes Dekor.

 

Istanbul, Topkapi Sarayi
Ins Auge fallen neben den wunderschönen Fliesenbekleidungen die in Gold ausgeführten Schriften.

 

Istanbul, Topkapi Sarayi
Offener Kamin im Speisezimmer der Sultansmutter. Diese Fliesenarbeiten wurden im 17. Jahrhundert ausgeführt.

 

Istanbul, Topkapi Sarayi
Harem. Fliesenfeld im Vorraum zum Wohntrakt Murat III. 3. Viertel des 16. Jahrhunderts.

 

Istanbul, Topkapi Sarayi
Fliesen aus dem Bagdad-Pavillon (1639)

 

Istanbul, Topkapi Sarayi
Fliesen aus dem Bagdad-Pavillon

 

Istanbul, Topkapi Sarayi

Mitte des 16. Jahrhunderts fand die Farbe Korallenrot in der Dekoration von Fliesen zuerst Verwendung.
Im Topkapi Sarayi sieht man die schönsten Fliesen, mit Korallenrot als Aufglasurfarbe.
Diese Dekoration erforderte drei Brände der Fliesen (Schrüh-, Glatt- und Muffelbrand).
Die Abbildung zeigt ein Detail einer keramischen Wandbekleidung im Harem mit floralen Motiven in den Farben Weiß, Blau und Rot, die typisch für Fayencemanufakturen aus Iznik sind. Diese Fliesen wurden im ersten Viertel des siebzehnten Jahrhunderts gefertigt.

Die Sultan Ahmet- Moschee ist nach dem Topkapi Sarayi das am reichsten mit Fayencefliesen geschmückte Bauwerk. Schriftliche Quellen belegen die Lieferung von 20.143 Fliesen für die Wände der Logen im Obergeschoss und für die Loge des Sultans.
Die seldschukischen Fayencefliesen wurden in Werkstätten hergestellt, die sich in Konya und anderen seldschukischen Städten befanden.

Nach deren Verfall wurden alle Fayencen von der osmanischen Zeit bis heute, in erster Linie in Iznik, später auch in Kütahya, Istanbul und Bursa hergestellt. Im 18. Jahrhundert erlosch die Produktion von Fayencefliesen in Iznik. In Kütahya lebt die traditionelle Fertigung noch heute fort.

Link zu einem YouTube-Video über den Haremsbereich des Topkapi-Palastes