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Wand- und Bodenplatten,
Stiftmosaik und Terrakotta von Villeroy & Boch
in der Kapelle St. Joseph in Mettlach |
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Geschichte der Kapelle
Céphalie Thierry geborene de Lasalle gab 1864 eine Gedächtniskapelle für ihren verstorbenen Mann neben ihrem Schloss in Wallerfangen in Auftrag. Die gotische Sainte-Chapelle in Paris diente als Vorbild. Architekt des Sakralgebäudes war Franz Georg Himpler. Die Kapelle wurde von den im nahen Krankenhaus tätigen Barmherzgen Schwestern vom hl. Karl Borromäus genutzt. Sie blieb verwaist, als ein neues Krankenhaus an anderer Stelle in Wallerfangen eröffnet worden war.
Ernest Villeroy, Erbe des Thierry’schen Besitzes, überließ 1882 seinem Onkel Eugen Boch das sakrale Bauwerk, um es von Wallerfangen nach Mettlach zu übertragen. Die neugotische Kapelle wurde abgebaut. Formsteine der Fassade, Gewände und Maßwerk der Fenster sowie Formstücke der Gewölbe und Wandsäulen kamen mit Schiffen von Wallerfangen auf der Saar nach Mettlach. Es erfolgte ein weitestgehend originalgetreuer Aufbau an der heutigen Stelle. Beim Wiederaufbau wurden dem Außenbau statt Steinmetzarbeiten aus Sandstein zum Beispiel Maßwerk, Fialen, Krabben und Kreuzblumen aus Feinsteinzeug „Terrakotta“ hinzugefügt.
Eugen Boch ließ vom Architekten Peter Leuck eine Krypta als Familiengruft unter der Kapelle anlegen.
Wand- und Bodenplatten, Stiftmosaik und Terrakotta von Villeroy & Boch wurden bei der Neugestaltung des Innenraums der Kapelle großzügig verwendet.
Sakralbau
Die Kapelle ist ein schmaler verhältnismäßig hoher vierachsiger Bau mit dreiseitigem Chor und Steildach. Sie misst innen knapp fünf Meter Breite und hat in festen Bänken siebzig Sitzplätze.
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Südseite der Kapelle St. Joseph in Mettlach.
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Symmetrisch aufgebaute Maßwerkfenster über dem Portal.
Das Tympanon, die dreieckige Giebelfläche, ist verziert mit Eichenlaub und hat im unteren Bereich ein Spruchband mit der Inschrift ‚Sancta Maria ora pro nobis‘ (Heilige Maria bitte für uns).
Kreuzblumen und weitere Architekturelemente wurden von Villeroy & Boch aus Merziger Terrakotta gefertigt.
Innenraum
Hohe schmale Fenster sorgen für einen lichtdurchfluteten Raum. Das Deckengewölbe ist strahlend blau mit hellen Punkten als Sternenzelt ausgemalt. Der in Holz geschnitzte neugotische Altar steht auf einem zweistufigen Holzpodest und ähnelt der Bauweise der Kapelle. Um den Altar, liegt ein 1,12 m breites Tonstiftmosaik. Im Chorraum stehen jeweils auf einer Terrakottakonsole links die hl. Maria mit Jesuskind und rechts der heilige Joseph.
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Blick zum Hochaltar.
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Keramische Wandbekleidung und Teil des gerahmten Kreuzwegs aus Merziger Terrakotta.
Der Trierer Johann Jakob Kieffer (* 1814 - + 1891), Historien- und Portraitmaler der Düsseldorfer Schule und Chefdesigner bei V&B, wurde mit dem Gesamtprojekt des Innenraums beauftragt. Die Gestaltung einzelner Teilbereiche wurde dem Mainzer Architekten Philipp Baum übertragen, so die Wandbekleidungen aus Mettlacher Wandplatten und der Stiftmosaikboden um den Altar. Philipp Baum (* 1849 - + 1886) war Architekt mit Schwerpunkt auf kunstgewerblichen Arbeiten. So ergab sich die Zusammenarbeit Baums mit der Firma Villeroy & Boch in Mettlach. Das Bedeutendste waren seine Entwürfe für die Bodenflächen aus Mettlacher Platten und Stiftmosaik der Stiftskirche zu Einsiedeln in der Schweiz. Für Bodenbeläge aus Mettlacher Platten entwarf Baum auch die Tableaus ‚Papstwappen‘ und ‚Sankt Georg‘.
Mettlacher Wandplatten
Das Innere der Kapelle wurde von Villeroy & Boch aufwendig mit farbenprächtigen Wandplatten ausgestattet. Seitenwände und Chorraum haben einen zwei Meter hohen Sockelbereich. Es ist nicht klar, ob es sich bei den Wandplatten um eine Kleinserie oder um eine spezielle Anfertigung für die Kapelle handelt. Die Motive finden sich jedenfalls nicht bei den Musterblättern von Villeroy & Boch aus den Jahren 1880 und 1886.
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Detail der linken Seitenwand.
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Das Dekor mit den beiden grauen Vögeln wird aus drei unterschiedlichen Wandplatten gebildet.
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Die reliefierte Wandplatte hat fünf verschiedene Glasuraufträge.
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Bereich links vom Altar.
Über den Wandflächen aus Mettlacher Wandplatten ist auf Holzuntergrund in goldener Schrift das Apostolische Glaubensbekenntnis zu lesen.
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In diesem Feld dominieren gelbe Vögel die reliefierten Mettlacher Wandplatten.
Merziger Terrakotta
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Eckbereich rechts vom Hochaltar.
Die Figur des heiligen Joseph steht auf einer bemalten Konsole aus Merziger Terrakotta.
Blaue Großbuchstaben im Strahlenkranz zieren die Wandflächen.
Sie stehen für Jesus – Maria - Joseph.
Die drei unterschiedlichen Schriftflächen
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Blaue Majuskeln S-A-S.
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Darstellungen von Fischen auf Mettlacher Platten.
Drei Platten mit unterschiedlichem Dekor ergeben das Gesamtbild des Wandfeldes.
Markant sind die goldfarbenen Fische. Bereits im Urchristentum war die Darstellung des Fisches Symbol und Erkennungszeichen von Christen.
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Vier Platten bilden jeweils das Grundmuster aus fünf Kreisen mit zwei verschieden Dekoren.
Gestaltung der Wandfläche mit Platten eines bisher unbekannten Dekors. Wahrscheinlich handelt es ich bei den Wandplatten um speziell für die St. Josephskapelle geschaffene Motive.
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Die einzelne Platte zeigt die aufwendige Pressung des Scherbens und die prächtige Farbgebung der Bleiglasuren.
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Gnadenbild Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe.
Teil des Schriftbandes mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis, hier: ‘Remissionem peccatorum‘ (Vergebung der Sünden).
Diese Kopie einer kretischen Ikone aus dem 15. Jh. befindet sich seit 1892 zur Erinnerung an die Goldene Hochzeit der Eheleute Eugen und Octavie Boch in der Kapelle.
Kurz nach der Goldhochzeit, die das Paar mit Verwandten, Freunden und Bekannten in der Kapelle in Mettlach feierte, wurde Eugen Boch und seine direkten Nachkommen von Kaiser Wilhelm I. in den erblichen Adelsstand erhoben. Eugen von Boch starb am 11. November 1898, seine Frau Octavie am 12. Mai 1899. Beide wurden in der Familiengruft unter der Kapelle St. Joseph beigesetzt.
Bodenmosaik um den Altar
Ausweislich im Firmenarchiv liegender Korrespondenz zwischen Eugen Boch und dem Mainzer Architekten Philipp Baum wurde dieser 1883 beauftragt, das Bodenmosaik um den Altar mit Ornamenten und Vögel „pompejanisch“ zu gestalten.
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Teppich aus Stiftmosaik in einer Breite von 1,12 m um den Altar.
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Das Opfer des Melchisedech. Detail des Bodenmosaiks vor den Stufen zum Hochaltar, siehe Bild 03.
Im Teppich aus Stiftmosaik gibt es fünf Bildfelder von jeweils 68 cm Durchmesser. Zwei weisen auf das Brandopfer von Abel und drei auf das Opfer des Melchisedech hin.
Im Unterschied zu den blutigen Opfern des Alten Testaments brachte Melchisedech Brot und Wein dar.
Nach der Ordnung des Melchisedech wird das von Jesus eingesetzte Abendmahl zur Erinnerung an seinen Tod und seine Auferstehung mit Brot und Wein gefeiert.
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Linke Ecke des Stiftmosaik-Teppichs vor dem Hochaltar.
Links ein Medaillon mit dem Brandopfer von Abel, rechts ein Medaillon mit dem Opfer des Melchisedech.
Bodenbelag aus Mettlacher Platten
Seit einigen Jahren erhalten historische keramische Bodenbeläge des 19. Jahrhunderts die Aufmerksamkeit, die ihnen leider lange vorenthalten blieb. Dies geschieht ausgerechnet in einer Zeit, die ansonsten vom Zeitgeist des schnellen Konsums beherrscht wird. Die keramische Platte (heute mit der Bezeichnung Fliese) ist zurzeit ein alltäglicher und schnell austauschbarer Baustoff, der Modetrends folgt. Im 19. und 20. Jahrhundert fanden halbindustriell und industriell gefertigte Platten nicht nur aus optischen und hygienischen Gründen Verwendung. Ein wesentlicher Aspekt war die zu erwartende lange Nutzungsdauer der damit hergestellten Beläge.
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Bodenbelag mit Fries aus Mettlacher Platten.
Das komplette Ornament wird aus vier x vier = sechszehn Platten gebildet.
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Detailbereich von Bodenplatten und Fries.
Die in der Kapelle verlegten Platten und Bordüren findet man bei den Musterblättern der Mosaikfabrik von Villeroy & Boch Mettlach aus dem Jahr 1886.
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Einband der Musterblätter von 1886.
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Musterblatt 17 in der Landesbibliothek Stuttgart.
Der Preis für einen Quadratmeter Platten der Dekornummer 318 wird auf dem Musterblatt von 1886 handschriftlich mit 14 Mark angegeben.
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Musterblatt 39 in der Landesbibliothek Stuttgart.
Die in der Kapelle verlegten Bordüren hatten die Dekornummer 372.
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Schriftband mit der Geschichte der Kapelle über der Eingangstür.
Würdigung
Die neugotische Kirche Sankt Joseph in Mettlach ist lohnendes Ziel für Kunstinteressierte.
Sie beherbergt eine einzigartige Ausstattung u.a. mit Wand- und Bodenplatten, Stiftmosaik und Terrakotta von Villeroy & Boch.
Restaurierung
Entsprechend dem damaligen Zeitstil und Kunstempfinden wurden in den 1950er Jahren die farbigen keramischen Wandflächen weiß überstrichen. Damit waren auch alle witterungs- und kriegsbedingten Schäden an den Wandplatten abgedeckt.
Bei der umfassenden Restaurierung der Kapelle ab 2003 wurden die Wandbekleidungen aus Mettlacher Wandplatten 2009 freigelegt. Beschädigte Platten wurden ausgebessert oder durch Repliken ersetzt. An den Renovierungskosten beteiligten sich neben der Besitzerfamilie von Boch-Galhau, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, der Bund und das Land.
Nach insgesamt zehn Jahren war die Instandsetzung der Kapelle St. Joseph im Herbst 2013 abgeschlossen.
Obwohl im Familienbesitz, ist die Kapelle in ihrer überwältigenden farbigen Pracht frei für Besucher.
Bildnachweis
Dr. Herbert van den Berge: 05, 06, 07, 11, 12, 13,14, 19, 22
Dr. Johan Kamermans:01, 02, 03, 08, 10, 15, 16, 17, 18, 20, 21
Lejo Schenk: 04, 09, 26
Bildarchiv Joliet: 23, 24, 25
Benutzte Literatur
Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Monumente, Dezember 2014
Institut für aktuelle Kunst im Saarland. Archiv, Bestand Mettlach,
Klosterkapelle (Dossier K 980)
Arthur Fontaine: Die St. Josef-Kapelle in Mettlach und ihr Kreuzweg, Norderstedt 2022
Rupert Schreiber: Fromme Fliesen für St. Josef, Die kostbare Ausgestaltung des Innenraumes der Grabkapelle von Boch in Mettlach, in: Saargeschichten, 4, 2017, Heft 49, hrsg. vom Historischen Verein für die Saargegend e. V. und dem Landesverband der historisch-kulturellen Vereine des Saarlandes e.V., S. 30–35.
Infoblatt ‚St. Joseph-Kapelle Mettlach‘, ausgelegen in der Kapelle (2024)
Wikipedia
Danksagung
Mein Dank gilt den Herren Dr. Herbert van den Berge, Dr. Johan Kamermans und Lejo Schenk für Bildmaterial und die Genehmigung zur Veröffentlichung in meinem Internetauftritt. Den Damen Agnes Müller und Dr. Christa Grund vom Werksarchiv V&B Mettlach danke ich für ihre Hilfe. Herr Arthur Fontaine schickte mir vielfältige Informationen.
Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.
Besichtigung der Kapelle St. Joseph
Die Kapelle ist täglich, auch an Wochenenden, von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Adresse: Bahnhofstraße 9, 66693 Mettlach.
Der Zugang ist über die Einfahrt zum benachbarten Krankenhaus, Saaruferstraße 10, möglich.
Mosaikplatten in der Stiftskirche Einsiedeln
www.geschichte-der-fliese.de/e insiedeln_mosaikplatten.html
Tonstiftmosaik in der Stiftskirche Einsiedeln
www.geschichte-der-fliese.de/einsiedeln_tonstiftmosaik.html
Mettlacher Mosaikplatten in der Kreuzerhöhungsbasilika im niederländischen Raalte
www.geschichte-der-fliese .de/raalte.html
Mettlacher Mosaikplatten in der Sankt Anna Kapelle Haltern am See
www.geschichte-der-fliese.de /mmh.html
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