Mittelalterliche keramische Schmuckfußböden in der ehemaligen Klosterkirche
St. Martin und St. Marien
in Sponheim / Landkreis Bad Kreuznach

 

Sponheim

Sponheim ist eine Ortsgemeinde im Landkreis Bad Kreuznach und gehört der Verbandsgemeinde Rüdesheim an. Eine erste urkundliche Erwähnung des Ortes stammt im Zusammenhang mit dem Kloster Sponheim aus dem Jahr 1224.

 

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Matthäus Merian (1593-1650), um 1650

 

Das Kloster

Graf Stephan II. von Sponheim gründete das Mönchskloster. In seinem Auftrag wurde 1101 mit dem Bau von Kirche und Klosteranlage begonnen. Sein Sohn, Meginhard von Sponheim, vollendete die Baumaßnahmen. Bischof Burchard II. von Worms weihte 1123 die Klosteranlage. 1124 bezogen zwölf Benediktiner der Abteien St. Alban und St. Jakob bei Mainz das Kloster.
Bedeutendstes Mitglied des Benediktinerklosters Sponheim war der Gelehrte und Humanist Johannes Trithemius (eigentlich Johannes Heidenberg). Das Kapitel wählte ihn 1483 zum 25. Abt. 1505 verließ Johannes Trithemius Kloster Sponheim und ging nach Würzburg.
Der 30. und letzte Abt, Jacobus Spiera, hob das Kloster 1565 infolge der Einführung der Reformation auf und trat gleichzeitig sein neues Amt als protestantischer Pfarrer der Gemeinde Sponheim an. Er heiratete Beatrix, eine ehemalige Äbtissin eines nahegelegenen Zisterzienserinnen-Klosters.
Vor der Aufhebung des Klosters bestand die klösterliche Gemeinschaft nur noch aus dem seit 1560 regierenden Abt und einem Konventualen.
Nach Einsetzen der Gegenreformation wechselte die Nutzung der ehemaligen Klosterkirche 1700 in eine Simultankirche. Ein Brand zerstörte 1707 den Vierungsturm. Beim neuen Turm ersetzte man den ursprünglichen Turmhelm durch eine welsche Haube. - Der Kupferstich des Matthäus Merian (Bild 01) zeigt den früheren Vierungsturm, Bild 02 den heutigen mit der welschen Haube. -
Mit der Säkularisation wurde die Abtei Sponheim 1802 aufgehoben und 1808 der Klosterbesitz versteigert. Nach dem Bau der evangelischen Kirche in Sponheim 1856 übernahm die katholische Gemeinde die ehemalige Klosterkirche als katholische Pfarrkirche St. Martin und St. Marien.

 

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 Mittelalterliche keramische Schmuckfußböden

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Die mittelalterlichen Schmuckfußböden liegen in den beiden Querhausapsiden 1 und 2 sowie im Chorraum 3.

 

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Die Kirche St. Martin und St. Marien betritt man durch das Portal an der Südwand.

 

 

Querhausapside 1

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Der Blick fällt auf den hl. Sankt Martin zu Pferd, einer Arbeit aus dem 18. Jahrhundert.

Richtet man den Blick zum Boden, so entdeckt man einen mittelalterlichen keramischen Schmuckfußboden. Die Fliesen aus dem 13. Jahrhundert wurden um 1868-70 aus dem Querhaus in die Apsiden verlegt. Wahrscheinlich schmückten Fliesenböden ursprünglich die gesamte Abteikirche.

 

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Rote, gelbe, weiße und blaugraue Fliesen schmücken in quadratischer, rechteckiger und dreieckiger Form den Teilbereich links neben dem Blockaltar.

 

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Dekor R 30

Mit Stempel wurden Dekore vor dem Brand in den noch weichen Ton gedrückt.
Es gibt Lilienstäbe mit Quadrat, Kreis und Astroide in vertiefter Prägung und zum Teil mit andersfarbigem Ton gefüllte vertiefte Prägungen.
In der Apside liegen in Zweitverwendung eindeutig Fliesen aus verschiedenen Bereichen. Das kann man am unterschiedlichen Grad der Abnutzung erkennen.

 

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Die keramische Fläche ist vom Untergrund her Feuchtigkeit ausgesetzt, Dies ist an der Dunkelfärbung der Fliesen und des Fugmörtels, aber auch am fleckigen Wandputz zu sehen. Dieser Mangel sollte abgestellt werden, da vom Verlegeuntergrund aufsteigende Feuchtigkeit auf Dauer die kunsthistorisch so wertvollen Schmuckfliesen schädigt.

 

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Detailbereich diagonal verlegter Bodenfliesen vor dem Blockaltar.

 

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Teilbereich des keramischen Schmuckfußbodens rechts vom Blockaltar.
Der Lichteinfall kommt von Fenstern der Südwand.

 

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Dekor R 29

Aufwendig inkrustierte Prägung einer Fliese mit abschließender Füllung der linearen Dekoration mit farblich abgestuftem Ton. So entstand eine quasi zweifarbige Fliese.

 

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Hier liegen gestempelte Schmuckfliesen unterschiedlicher Dekore und Formate nebeneinander.

 

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Die Fliesen wurden um 1868-1870 leider nicht ausreichend im Fugenschnitt verlegt.

 

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Diese Fliesen haben die Maße 80 mm x 80 mm x 23 mm. Die Dicke von 23 mm konnte ich bei einem früheren Besuch der Kirche im Jahr 1995 in einem Fehlbereich feststellen. Wahrscheinlich hatten ‚Andenkenjäger‘ Schmuckfliesen entwendet.

 

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An der linken Fliese sind Abscherungen der grauen Engobe zu erkennen.

 

 

 

 

 

Querhausapside 2

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Blick zum Marienaltar von rechts.

 

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Frontalansicht des Marienaltars.

 

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Bereich vor dem Marienaltar.

 

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Links neben dem Blockaltar liegen Fliesen unterschiedlicher Größen und zwei Rosetten mit unterschiedlichem Durchmesser. 
Die vordere Rosette hat zwei rote Ringe, die hintere dagegen bei gleicher Größe der Zentralscheibe nur einen.

 

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Rosette (als Ornament stilisierte Rose) links neben dem Marienaltar. Davor liegen drei Stempelfliesen unterschiedlicher Größen und Dekore.

 

 

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Die Fliese hat die Maße 135 mm x 135 mm. Die Dicke ist mir nicht bekannt.

 


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So lag wahrscheinlich die Herzfliese im Vierpas vor der Zweiverwendung.

 

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Rechts neben dem Blockaltar liegen Fliesen unterschiedlicher Größen und zwei Rosetten mit unterschiedlichem Durchmesser. 
Die linke Rosette hat zwei rote Ringe, die rechte dagegen bei gleicher Größe der Zentralscheibe nur einen.

 

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Zwei Rosetten umgeben von Fliesen im Format 48 mm x 48 mm.
Neben dem Blockaltar liegen Fliesen im Format 135 mm x 135 mm.
Die große Rosette hat einen Durchmesser von 730 mm, die kleine einen Durchmesser von 435 mm.

 

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Neben der großen Rosette liegen Stempelfliesen im Format 48 mm x 48 mm.

 

 

 

 

Der mittelalterliche Schmuckfußboden im Chorraum  3

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Blick in das Chorjoch der ehemaligen Klosterkirche St. Martin und Marien. Es lohnt sich, den Blick auf den keramischen Bodenbelag zu richten.

 

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Im Chorraum findet man vierzehn Rosetten und dreiundzwanzig blaugrau umrahmte Felder mit Schmuckfliesen im Format 80 x 80 mm in Diagonalverlegung.

‚Im Bereich vor der Tür zur Sakristei hatten sich Fliesen gelöst. Nachdem einige Fliesen entwendet wurden, beauftragte die Kirchengemeinde einen Restaurator mit der Überarbeitung dieses Details der Bodenfläche. Die relativ kleine Fehlstelle konnte 2014 mit gleichartigen Fliesen, die sich auf dem Speicher des Pfarrhauses fanden, geschlossen werden. Auch die Schmuckfliesen in den Seitenapsiden wurden restauriert. 
(Mitteilung des Herrn Nico Gäns aus Sponheim).

 

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Ein Teilbereich der keramischen Bodenfläche ist mit einem roten Sisalteppich abgedeckt.

Der Schmuckfußboden datiert aus der Entstehungszeit der Klosteranlage, der Mitte des 13. Jahrhunderts. Er ist neben den Grundmauern des Chorjoches und der beiden Apsiden ein Überbleibsel aus dieser Zeit.

 

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Wer mag schon über diesen keramischen Bodenbelag geschritten sein? Man kann davon ausgehen, dass auch der 25. Abt des Klosters, der berühmte Gelehrte und Humanist Johannes Trithemius (1462-1516), zwischen 1483 und 1505 mit dem Kapitel hier die hl. Messe feierte.

 

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Aufbau der Rosette (alle Maße einschließlich Mörtelfugen)

1. Zentralscheibe mit einem Durchmesser von 134 mm.
- Die ursprünglich aufgebrachte weiße Engobe ist weitestgend abgenutzt. -

2. Erster 107 mm breiter Kreisring (Fläche zwischen zwei konzentrischen Kreisen), aus 11 graublauen Fünfecken und 11 ursprünglich weißen Dreiecken.

3. Zweiter Kreisring aus  47 mm breiten roten gebogenen Streifen.

4. Dritter 107 mm breiter Kreisring aus 21 graublauen Dreiecken und 21 ursprünglich weißen Dreiecken.

5. Vierter Kreisring aus 47 mm breiten roten gebogenen Streifen.

6. Fünfter 107 mm breiter Kreisring aus 29 graublauen Dreiecken und 29 ursprünglich weißen  Dreiecken.

7. Sechster Kreisring aus 47 mm breiten roten gebogenen Streifen.

8.   47 mm breite graublaue Streifen als quadratische Umfassung der Rosette.
Die Rosette hat einen Durchmesser von 1058 mm.

Das die Rosette umschließende Quadrat hat die Aussenmaße von 1152 x 1152 mm.

 

 

 

Detailaufnahmen diagonal verlegter quadratischer Fliesen

 

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Leonore Landgraf bildete in ihrem dreiteiligen Werk Ornamentierte Tonfliesen des Mittelalters in West- und Süddeutschland 1150-1500, Stuttgart 1993, auf Seite 549 in Sponheim vorkommende Dekore R 29, R 30, R 31 und R 32 ab, und erwähnte diese auf den Seiten 517 und 518.

 

 

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Blick zurück zum Chorjoch der ehemaligen Klosterkirche St. Martin und Marien mit dem kulturhistorisch so wertvollen mittelalterlichen keramischen Schmuckfussboden.

 

 

Literatur

Landgraf, Eleonore: Ornamentierte Tonfliesen des Mittelalters in West- und Süddeutschland 1150-1500, Masch. geschriebene Dissertation, Tübingen, 1958

Landgraf, Eleonore: Ornamentierte Bodenfliesen des Mittelalters in Süd- und Westdeutschland 1150-1550 (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in Baden Württemberg, Bd. 14/1-3), Stuttgart 1993  

Sponheim - Wikipedia

Kuyer, Michael, Sponheim mit der ehemaligen Klosterkiche St. Martin und St. Maria. In: Rheinischer Verein für Denkmalpflege, Heft 502/2008
Schneegans, Wilhelm, Abt Johannes Trithemius und Kloster Sponheim, Hansebooks 2/2017. Nachdruck der Originalausgabe aus dem Jahr 1882.



'Fotonachweis'

Abbildungen 1 und 3 Wikipedia
Abbildungen 2 und 4 bis einschließlich Abbildung 58 Norbert Joliet (20. Juni 2017)



Wikipedia - Klosterkirche Sponheim 


Förderverein Klosterkirche Sponheim e.V.
  Feldbergstraße 2
  55595 Sponheim
  Telefon 06758-7354

 


Ich danke meinem Sohn Norbert für die Fahrt nach Sponheim, seine Fotoaufnahmen sowie die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.