Rotterdamer Fliesengemälde im 
Palácio Saldanha (jetzt
Palácio da Ega)
in Lissabon

Stadtprospekt von Köln
- Fliesengemälde und graphische Vorlage -

 

Der bedeutende portugiesische Fliesenforscher J. M. dos Santos Simões (1) veröffentlichte 1949 den Bericht ‚OS AZULEJOS HOLANDESES DO PALÁCIO SALDANHA’ (2). Er beschrieb darin die Geschichte des Palastes und holländische Fliesengemälde mit Stadtansichten von Antwerpen, Hamburg, Köln, Konstantinopel, London, Middelburg, Rotterdam und Venedig. Alle acht Fliesengemälde wurden auf ganzseitigen Tafeln in Graudruck vorgestellt. Den Bericht von 1949 übernahm J. M. dos Santos Simões 1959 in sein Buch ‚Carreaux céramiques hollandais aux Portugal et en Espagne’ (3).

 

 01

Ansicht des Palastes von der Calçada da Boa-Hora

 

  Der Palast

Im Westen der Stadt Lissabon, nahe dem früheren Strand von Junqueira, erstreckte sich die Quinta das Caldas, Wohnsitz der Saldanha. Die Quinta erfuhr im 17. und 18. Jahrhundert weitreichende Veränderungen und Erweiterungen.

Es ist davon auszugehen, dass die holländischen Fliesengemälde zwischen 1715-1720 geliefert und angesetzt wurden.

Nur wenige Jahre später, am 1. November 1755, führte ein Erdbeben in Verbindung mit Großbränden und einem Tsunami zur Zerstörung von ca. 80 % der Gebäude in der reichen Hafenstadt. Der Palácio Saldanha wurde nicht zerstört, aber stark beschädigt. Die acht Fliesengemälde sind Zeugnisse von Veränderungen am und im Gebäude. Bei einer Neueinrichtung des Musik- oder Festsaales (Salao Pompeia) wurden die Fliesengemälde in Zweitverwendung angesetzt. Dies ist deutlich an vielen Details, wie fehlende, vertauschte oder ergänzte Fliesen, zu erkennen.

Es folgten weitere eingreifende Veränderungen im und am Palácio Saldanha nachdem der französische General Junot mit Truppen Napoleons am 30. November 1807 Lissabon besetzte. Die portugiesische Königsfamilie hatte sich bereits nach Brasilien abgesetzt. Am 21. August 1808 wurden die Franzosen in der Schlacht von Vimeiro von einer britisch-portugiesischen Armee geschlagen und mussten gemäß der Konvention von Cintra Portugal bei freiem Abzug wieder räumen.

Den Saldanha, inzwischen Grafen von Ega, der Kooperation mit der Regierung Junot angeklagt, wurden alle Güter, darunter auch der Palast in Junqueira, genommen. Der Palast wurde Militärhospital der Engländer und später Residenz des englischen Gouverneurs William Beresford.

1820, während sich Beresford in Brasilien aufhielt, kam es in Portugal zur liberalen Revolution, die mit einem Aufstand portugiesischer Offiziere in Porto begann. Alle britischen Offiziere wurden aus der portugiesischen Armee entlassen. Der alte Graf von Ega, vom zurückgekehrten König begnadigt, erhielt den Palast zurück. Er starb ohne Nachkommenschaft. Der Palast wechselte noch mehrmals den Besitzer bis er 1919 in den Besitz des portugiesischen Staates überging.

Er beherbergte bis 1931 eine Lehranstalt für Tropenmedizin mit angeschlossenem Hospital. Seit 1931 wird der Palácio Saldanha in der Calçada da Boa-Hora 30, jetzt Palácio da Ega genannt, vom Arquivo Histórico Ultramarino genutzt.

 

 02

Festsaal (Salão Pompeia) im Palácio da Ega

An der linken Seitenwand sieht man die Stadtansicht von London, an der Rückwand hinter den Säulen die Stadtansichten von Köln und Middelburg und an der rechten Seitenwand die Stadtansicht von Antwerpen.

 

 

  Die Fliesengemälde

Der portugiesische König Dom Pedro II, o Pacifico (* 26.04.1648 - + 19.12.1706) verbot 1687 die Einfuhr von Fliesen nach Portugal, um die Produktion einheimischer Werkstätten zu schützen. Nach Aufhebung des Einfuhrverbots von 1698 sind verstärkt Lieferungen von niederländischen Fliesen zum Beispiel nach Lissabon, Figueira da Foz, Nazaré und Cádiz bekannt.

Jan van Oort und Willem van der Kloet aus Amsterdam sowie Jan Aalmis aus Rotterdam signierten nach Portugal gelieferte Fliesengemälde in unteren Randbereichen.

Bei den Stadtansichten im Palácio da Ega sucht man vergeblich nach einer Signatur. Der Grund dafür könnte sein, dass vor allem die unteren Reihen der Fliesentableaus vor der Zweitverwendung stark beschädigt waren.

Unterlagen über den Ankauf der Fliesen fand J. M. dos Santos Simões bei seinen gründlichen Recherchen nicht. Er schrieb die acht Stadtansichten schon 1949 dem Rotterdamer Fliesenmaler Cornelis Boumeester (4) zu.

Nach dem Vergleich dieser Stadtansichten mit vielen anderen von Cornelis Boumeester signierten Fliesengemälden schreibe auch ich ihm die Arbeiten zu. Seine Art der Umsetzung von graphischen Vorlagen zu den großformatigen Stadtansichten und Details - zum Beispiel die Ausarbeitung von Wolken, Wellen und Vögeln - erhärten dies.

 

 03

Festsaal (Salão Pompeia) im Palácio da Ega

An der Rückwand befinden sich hinter den Säulen die Fliesentableaus “Köln” und „Middelburg“.

 

 

 04

Stadtprospekt „Köln“

Die Säule machte es unmöglich, das Fliesentableau komplett zu fotografieren. So wurden Aufnahmen von links und rechts erstellt, um diese dann später bei der Bearbeitung des Bildmaterials zusammenzufügen.

 

 05

Köln-Ansicht im Palácio da Ega in Lissabon

 

 06

Linker Bereich der Stadtansicht (mit südlichem Bollwerk)

 

 07

Mittlerer Bereich der Stadtansicht (mit nördlichem Bollwerk)

 

 08

Rechter Bereich der Stadtansicht

 

 

  Ansetzfehler im Fliesentableau

 09

Über Jahrhunderte prägte der Baukran auf dem Domturm das Stadtbild von Köln.
Hier unterlief den Fliesenlegern ein Ansetzfehler, denn die Türme von Rathaus und Groß St. Martin sieht man zwischen Domturm und Langhaus.

 

10

Ansetzfehler
Die Fliesen 1 und 3 sowie 2 und 4 sind zu tauschen.

 

 11

Korrektur im Bereich Domturm (mit Baukran)

 

 

  Graphische Vorlage für die Stadtansicht von Köln

J. M. dos Santos Simões schrieb 1959 in seinem Buch ‚Carreaux céramiques hollandais aux Portugal et en Espagne’, dass die sehr große Stadtansicht des Pieter van der Keere aus Amsterdam dem Fliesenmaler als Vorlage gedient habe.

 

 12

Colonia Agrippina

Kupferstich 1613/15; Stecher und Verleger: Pieter van der Keere (Petrus Kaerius), Amsterdam; Darstellung: 36 x 213 cm; Blatt: 56 x 213 cm; aus vier Teilen zusammengesetzt.

Unterhalb der Darstellung steht links: „Wie gaet ick Keere / Petrus Kaerius Flander caelavit et excudit an à nato Christo 1613“.

Unten rechts steht: “A Amsterdam. On les vent chez Piere de Keere Tailleur de Cartes, en la Rue de Calverstrate, a l’enseigne du temps incertain, Anno 1615.“

Diese Graphik kann nicht als Vorlage gedient haben, denn es fehlt das südliche Bollwerk, was auf dem Fliesentableau deutlich zu sehen ist.

 

 13

Detail des Fliesengemäldes im Palácio da Ega in Lissabon, mit südlichem Bollwerk am Rheinufer

 

 14

Ausschnitt aus der Stadtansicht des Pieter van der Keere (Petrus Kaerius)
Der Pfeil weist auf die Stelle hin, wo beim Fliesentableau das südliche Bollwerk zu sehen ist.
Wahrscheinlich diente dem Fliesenmaler eine der folgenden Radierungen / Kupferstiche als Vorlage:

 

 15

Radierung / Kupferstich, 1620, erschienen bei Gerhard Altzenbach, Köln (5)
Stecher: Matthäus Merian d.Ä.
Darstellung: 13,7 x 32,2 cm / Blatt: 20,2 x 36,1 cm

 

 16

Kupferstich, um 1670, erschienen bei Johann Philipp Steudner, Augsburg
Darstellung: 17,4 x 36,1 cm / Blatt: 27 x 42 cm

 

 17

Kupferstich, 1689, erschienen bei Jakob Koppmayer, Augsburg
Darstellung: 21,5 x 32,2 cm / Blatt: 28,2 x 35,3 cm

 

 

Erläuterung der Bauwerke

 18

1 “S. Catrinen“ St. Katharina

2 “S. Johan“ St. Johann Baptist

3 “Leis kerche“ St. Maria Lyskirchen

4 “Ad. Carmelitas“ Maria vom Frieden

5 “S. Panthaleon“ St. Pantaleon

6 “S. Georgius“ St. Georg

7 “Capitolium“ St. Maria im Kapitol

  8 “S. Nicola“ Klosterkirche St. Nikolaus

  9 “T.S. Martini“ Klein St. Martin

10 “Reingass Port“ Pforte Rheingasse

11 “Ney Bollwerk“ neue Bastion

12 Rheininsel “Werthchen“

13 Schiffmühlen

 

 19

14 “Ad. Augustin“ Augustinerkirche

15 “S. Cecilien“ St. Cäcilien

16 “Ad. Apostolos“ St. Aposteln

17 “Domus Senatorum“ Rathaus

18 “T. Martini Magni“ Groß St. Martin

19 “Ad. Minores“ Minoritenkirche

20 “S. Gereon“ St. Gereon

21 “Templum S. Petri et S. Trium Regum“

Dom St. Peter und Hl. Dreikönige

22 “Groß Bollwerk“ Große südliche Bastion

 

 

 20  

23 “S. Lupus“ St. Lupus

24 “ad Predigatores“ Predigerkirche

25 “Ney Iesuiter Kirch“ Jesuitenkirche

26 “S. Ursula“ St. Ursula

27 “Corpus Christi“ St. Corpus Christi

28 “T. Machaberum“

Kloster u. Kirche der Machabäer

29 “ T.S. Cuniberti“ St. Kunibert

 

In Köln blieben die folgenden zwölf romanischen Kirchen erhalten:
St. Severin, St. Maria Lyskirchen, St. Pantaleon, St. Georg, St. Maria im Kapitol, St. Cäcilien, St. Aposteln, Groß St. Martin, St. Andreas, St. Gereon, St. Ursula und St. Kunibert.

St. Severin fehlt auf dem Fliesengemälde, da dieses wahrscheinlich bei der Zweitverwendung links um eine Reihe Fliesen gekürzt wurde.
St. Andreas fehlt auf dem Fliesengemälde, da die Kirche vom unvollendeten Dom verdeckt wird.

 

   

Anmerkung:  

(1) J. M. dos Santos Simões (* Lissabon 17.07.1908 - + Lissabon 15.02.1972)

Nach dem Studium zum Textilingenieur in Frankreich ließ er sich in der portugiesischen Stadt Tomar nieder. Dort schrieb er eine Studie über das Christuskloster, dessen Konservator er war. Die Stadt Tomar ernannte ihn zum  Ehrenbürger. Zurück in Lissabon beschäftigte er sich fortan mit der Geschichte der Fliese. Ab 1944 folgten viele Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich.
In den Gebäuden von Madre de Deus in Lissabon, wo sich in der Kirche die größten niederländischen Fliesentableaus befinden, gründete J. M. dos Santos Simões der Welt größtes Fliesenmuseum. Es öffnete seine Pforten während des “1st International Symposium on Tiles“ (13.-20. Oktober 1971). Während des Postsymposiums (20.-27. Oktober 1971) erlitt J. M. dos Santos Simões einen Herzinfarkt, von dem er sich nicht wieder erholte.

(2) J. M. dos Santos Simões, Os Azulejos Holandeses do Palácio Saldanha. Lisboa, 1949. Separata da Revista e Boletim Academia National de Belas Artes, 2° Serie, Numero 1. Die acht Stadtansichten ließ er schon 1944 fotografieren.

(3) J. M. dos Santos Simões, Carreaux céramiques hollandais aux Portugal et en Espagne’, Martinus Nijhoff, La Haye, 1959.


(4) Notiz bei Hoynck van Papendrecht, A., DE ROTTERDAMSCHE PLATEEL- EN TEGELBAKKERS EN HUN PRODUCT 1590-1851 - Bijdrage tot de geschiedenis der Oud-Nederlandsche majolika :
„Cornelis Pieterszn. Boumeester, jongman van Rotterdam, wonende in de Nieuwe Vranckestraet, trouwt 13 December 1676 met Adriaentjen Jacobsdr. de Back, jongedochter van Rotterdam, wonende op de Delftschevaart (Geref. Trouwb. N0. 10). Zij sterft op hoogen ouderdom; in de eerste week van Maart 1732 wordt als overleden aangegeven: „Adriana de Back, huijsvrouw van Cornelis Boumeester op de Vest bij d’Oranjeboom“ (Dooden die betalen, N0. 3). Niet lang daarna maakt „Cornelis Boumeester, gewesene tegelschilder, woonagtig‘ op Stads Binnevest omtrent de Delfsepoort“, testament (Notaris Hartman de Custer, Akte 33). Anderhalf jaar later sterft ook hij; „Cornelis Boumeester, weduwnaer van Adriana de Bak op de Vest, 8-14 Nov. 1733“ (Weeskamer, Reg der Overledenen, L 1). Zijne woning stond aan de Vest „bij de Delfse Poort“ (Begraafboek).
Den 29 Mei 1693 en 26 Mei 1694 komt zijn naam voor op de nominatie voor hoofdlieden van de tegelbakkersknechts; in Mei 1694 wordt hij als zoodanig benoemd.  

In 1696 schrijft Boumeesters tijdgenoot, Gerard van Spaan (Beschrijvinge der stad Rotterdam) `eene opsomming van levensbizonderheden omtrent vele Rotterdamsche schilder`, na er reeds een goed dertigtal genoemd te hebben, het volgende: „Kornelis Boumeester, welke hooger geplaatst had behooren te werden, is een zeer goed scheepstekenaar; voorts weet hij meesterlijk de steden, kusten, baijen, inhammen, stormen en schipbreuken af te beelden, en de schepen zoodanig af te schetsen, dat‘er niet een touwtje aan ontbreekt“.

(5) Das rechte Wappenschild auf dem Merian-Stich zeigt das sogenannte fränkische Wappen. Die neun Flammen im Stadtwappen weichen von den heute gebräuchlichen elf Flammen ab. Ursprünglich war das obere Feld mit den drei Kronen für die hl. Dreikönige geschmückt und das untere Feld weiß bzw. silbern. Im 17. Jahrhundert kamen im unteren Teil des Wappens zuerst schwarze Hermelinschwänze vor. Daraus wurden durch die zunehmende Verehrung der hl. Ursula elf Flammen für 1100 Jungfrauen, die in Köln mit der hl. Ursula angeblich als Märtyrerinnen den Tod fanden.

 

Danksagung:

Ich danke Frau Rita Wagner M.A., Leiterin der Graphischen Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums, für eine Beschreibung der Wappenschilde des Merian-Stiches und sonstige vielfältige Hilfe.

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung des Berichtes und für die Veröffentlichung auf der Homepage.  


Bildnachweis:

1-4 Rainer Marggraf
5-11, 13 und 18-20 Verfasser
12 und 14-17 Kölnisches Stadtmuseum (Graphische Sammlung) und Kreissparkasse Köln (Graphische Sammlung)

 

Benutzte Literatur:

Hugo Borger, Abbilder des Himmels, Kölner Kirchen des Mittelalters, Köln 1976

Richard Büttner, Die Säkularisation der Kölner geistlichen Institute, Köln 1971

KÖLN von seiner schönsten Seite – Das Kölner Stadtpanorama in Drucken vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in den Graphischen Sammlungen des Kölnischen Stadtmuseums und der Kreissparkasse Köln – herausgegeben von Werner Schäfke, bearbeitet von Anke D. Sievers, Köln 1997

Hiltrud Kier und Ulrich Krings, Die Romanischen Kirchen in Köln, Köln, 3.Auflage 1986

Carl Dietmar, Das mittelalterliche Köln, 3. Auflage Köln 2006

Werner Schäfke, Kölns romanische Kirchen. Architektur – Kunst – Geschichte, Köln 2004

Sabine Czymmek, Die Kölner Romanischen Kirchen, Schatzkunst, Bd. 1, Köln 2008, Bd. 2, Köln 2009 (= Colonia Romanica, Jahrbuch des Fördervereins Romanische Kirchen Köln e. V. Bd. 22, 2007 und 23, 2008)

Richard W. Gassen, Mittelalterliche Kirchen in Köln, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010