Im
Zuge von Renovierungsarbeiten in und an der ehemaligen Propsteikirche
St. Pankratius wurden 1974 beim Absenken des Fußbodens unter dem
Natursteinbelag und einer Aufschüttungsschicht Reste eines keramischen
Schmuckfußbodens wiederentdeckt.
Dieser Bodenbelag ist ein wichtiges Glied in der Kette keramischer
Schmuckfußböden, die in der Blütezeit romanischer Baukunst im Rheinland
verlegt wurden (z.B. Köln, Brauweiler, Merten und Seligenthal).
Die
vom Ausgrabungsleiter Hans Merian gefertigte Zeichnung zeigt dunkel
angelegt in situ gefundene Reste des Bodens (die Nummerierung der
Pfeiler fügte der Bearbeiter hinzu).
Einfache quadratische Tonfliesen entfernte man in der Zeit des Barock
vor Aufhöhung des Bodens vor allem in den Seitenschiffen.
Beim Bau eines Luftheizungskanals wurde der Boden leider angeschnitten
und der läuferartige Mittelstreifen vor allem aber größte Bereiche des
keramischen Kosmosbildes zerstört.
Lage und Musterung keramischer Beläge waren 1974 bei der Ausgrabung
durch Abdrücke im Kalkmörtelbett zu erkennen.
Der spätmittelalterliche Schmuckfußboden zeigt eine besondere Beziehung
zum Orient. Als Ganzes ähnelt er einer Fläche aus neben- und
übereinander gelegten orientalischen Teppichen. So ist auch der
keramische Belag in der ehemaligen Propsteikirche St. Pankratius zu
verstehen, der keine klare Ordnung der Musterfelder erkennen lässt. Die
Art der Einteilung muss in der Denkweise der Zeit gesehen werden, sie
ist nicht Resultat handwerklichen Unvermögens. Leider wurde darauf bei
der Verlegung der Kopie - trotz aufwendig gefertigter photometrischer
Vermessungen - keine Rücksicht genommen.
Im Chor verzichtete man 1974 auf eine Absenkung des Bodens. Sollte auch
hier im Mittelalter ein keramischer Boden verlegt worden sein, so wäre
er nach Meinung der Denkmalpfleger spätestens bei der Verlegung des
Terrazzobodens im Zuge der Renovierung unter Wiethase (1891-1894)
zerstört worden.
* Die Zeichnung des Grabungsleiters Hans Merian ist auf Seite 122 des
Ausstellungskatalogs MONUMENTAANNONIS (Köln 1975) abgebildet.
Kosmosbild
Die
vom Ausgrabungsleiter Hans Merian 1974 gefertigte Zeichnung zeigt
dunkel angelegt in originaler Lage gefundene Reste eines keramischen
Kosmosbildes.
Größte Bereiche wurden beim Bau eines Luftheizungskanals angeschnitten
und zerstört. Ein Bild von Form und Lage fehlender Keramik ergab sich
bei der Grabung 1974 durch Abdrücke im Kalkmörtelbett.
Der leicht verzogene quadratische, von einer Schmuckbordüre
eingefasste, keramische Teppich zeigt uns ein schematisches Bild des
Weltalls.
Das keramische Kosmosbild von Oberpleis ist in seiner Art ein bis heute
einzig bekanntes Beispiel in Symbolik und Ausführung. Es zeigt das
mittelalterliche Weltbild im Mikrokosmos-Makrokosmos-Schema.
* Die Zeichnung des Herrn Architekten Hans Merian ist auf Seite 123 im
Ausstellungskatalog MONUMENTA ANNONIS (Köln 1975)abgebildet.
Nördlicher
Teil des Kosmosbildes
"Plattenmosaik
aus roten, weiß engobierten und schwarzblau-geschmauchten Tonplatten.
Die Plattenstärken liegen zwischen 18 mm und 32 mm. Die Kanten sind
nach unten abgeschrägt. Haftlöcher auf den Unterseiten finden sich nur
selten, meistens in den geschmauchten Platten. Differenzierte Farben
entstanden durch Unterschiede in der Konsistenz des Brenngutes, den
Plattenstärken und Brenntemperaturen. Der Sandzuschlag zur Magerung des
Tones, besonders bei den rot gebrannten Platten, beträgt bis zu 40 %.
Die Oberflächen sind deshalb von unterschiedlicher Glätte und Qualität.
Der Boden liegt in einem einheitlichen Kalkmörtelbett mit
durchschnittlichen Fugenbreiten von 3 mm. Die Seitenlänge des
Quadratfeldes einschließlich Bordüre beträgt etwa 3.38 m, der
Durchmesser der großen Rosette 3.10 m, der kleinen Zwickelrosetten etwa
0.60 m."
- Angaben des Architekten Hans Merian, Leiter der Ausgrabung -
Engobieren - eine keramische Grundmasse mit einer andersfarbigen z.B.
weißbrennenden Masse überziehen
Schmauchen - unter Sauerstoffentzug brennen, bewirkt schwarzblaue
Färbung einer sonst weißbrennenden Tonerde
Blick
in östliche Richtung
Der
im nördlichen Teil des Kosmosbildes freigelegte weiße Kreisring trägt
die in Majuskeln sorgfältig eingeschnittene Inschrift ... TAM ET CAPVT
RO ...
Im Bild rechts ist ein Teil des im Winter 1952-1953 gebauten
Luftheizungskanals zu erkennen.
Robert Flink, Die Geschichte von Oberpleis (Siegburg 1955), Seite 88:
„Die Propsteikirche war offensichtlich, wenigstens zu einem Teil, auf
dem Friedhof von Oberpleis gebaut worden.“ Anmerkung 200: „ Bei der
Anlage des Luftheizungsschachtes im Winter 1952/3 sind im w Joch des s
Seitenschiffs auf einer Länge von etwa 4 m 6-7 vollständige,
nebeneinander liegende Skelette mit den Köpfen nach Westen unter dem
Baugrund gefunden worden, etwa 1,5 m unter dem heutigen
Kirchenfußboden.“
Nordöstliche
Zwickelrosette
Die
Zwickelrosette besteht aus einer beschrifteten Mittelscheibe, einem
Kreisring aus neun weißen und neun grau-blauen Dreiecken sowie einem
äußeren weißen Kreisring mit Inschrift.
Auf der Mittelscheibe findet man den zur Mitte ausgerichteten
Buchstaben A (ADAM) mit der Umschrift AER (Luft)- VER (Frühling)-
SANGUIS (Lebensfreude) und im äußeren Kreisring + HVMI(DUS) (E)T
C(A)LIDUS
HVMIDUS = feucht
CALIDUS =
warm
Südlicher
Teil des Kosmosbildes
Die
Bordüre des keramischen Teppichs wird aus schwarz-blauen diagonal
gestellten Quadraten und weißen Dreiecken sowie schwarz-blauen
Rechtecken als Rahmung gebildet. Der äußere ungegliederte schwarz-blaue
Kreisring tangiert die Schmuckbordüre und wird durch die Zwickelrosette
unterbrochen. Auf dem nächst kleineren weißen Kreisring lautet die
Inschrift auf den erhaltenen Bruchstücken ...EQ.IR...
Südlicher
Teil des Kosmosbildes
Auf
dem äußeren weißen Kreisring erkennt man die eingeschnittenen Majuskeln
...EQ.IR... Weiter innen liegt im schwarz-blauen Kreisring eine weiße
Keramikscheibe mit der eingeschnittenen Majuskel C.
Links im Bild ist ein Teil des Lüftungskanals zu sehen, der zum
Zeitpunkt der Fotoaufnahme noch nicht abgebrochen war.
Die
südöstliche Zwickelrosette
Die
südöstliche Zwickelrosette wird aus einer beschrifteten kreisrunden
Scheibe, einem Kreisring aus schwarz-blauen und weißen Dreieckfliesen
sowie einem abschließenden beschrifteten Kreisring gebildet. Die
Spitzen der schmalen weißen Dreieckfliesen weisen nach außen, die
Spitzen der breiteren schwarz-blauen Dreiecke nach innen.
In die Kreisscheibe ist im Zentrum der Buchstabe M und als Umschrift
IGNIS ESTAS COLERA eingeschnitten.
Vom äußeren Kreisring blieb der Schriftzug + ...LIDA E..SICCA erhalten.
M = der vierte Buchstabe von ADAM
Die auf den vier Zwickelrosetten jeweils zur Mitte des Kosmosbildes
gerichteten Buchstaben A D A M stehen für den Menschen. Im Mittelalter
bezog man diese vier Buchstaben aber auch auf die vier
Himmelsrichtungen ANATOLE (Osten), DYSIS (Westen), Arktos (Norden) und
Mesembria (Süden).
Blick
in nordöstliche Richtung
Detailbereiche
vor und links neben dem Pfeiler 4
Blick
in nördliche Richtung
Detailbereich
vor dem Pfeiler 5
Blick
in südöstliche Richtung
Detailbereich
vor den Pfeilern 12-11 (von links nach rechts)
Blick
in südliche Richtung
Detailbereiche
vor den Pfeilern 12-11 (von links nach rechts)
Blick
in südliche Richtung
Detailbereich
vor dem Pfeiler 11
Blick
in südliche Richtung
Detailbereich
vor den Pfeilern 10-9 (von links nach rechts)
Die
Farbaufnahmen wurden mir freundlicherweise vom Landschaftsverband
Rheinland zur Verfügung gestellt. Den Mitarbeitern gilt mein herzlicher
Dank.
Baugeschichte
Die Propstei Oberpleis wurde um 1100 von der Benediktinerabtei Siegburg
gegründet. Die erste Propsteikirche war eine dreischiffige
Pfeilerbasilika mit Querschiff und Chor über einer Hallenkrypta mit
vorgesetztem Westturm. Der erste Bauabschnitt konnte etwa 1160
abgeschlossen werden.
Wahrscheinlich nahm die Pfarrkirche St. Pankratius - es war bis 1805
eine Propsteikirche des Benediktinerordens - in der Zeit zwischen 1198
und 1205 im Thronstreit Philipps von Schwaben und Ottos IV. Schaden.
Die Wiederherstellung erfolgte nach kunstgeschichtlichen Befunden um
1220 - 1230. Querschiff und Chor hat man auf altem Grundriss neu
aufgebaut und das Langhaus eingewölbt. Wahrscheinlich wurde bei diesen
spatromanischen Baumaßnahmen auch der keramische Schmuckfußboden
verlegt. Dem veränderten Zeitgeschmack des Barock entsprechend wurde
der Boden wohl unter Propst Bertram von Ans in der Zeit um 1645—1648
aufgehöht und mit Natursteinplatten abgedeckt.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden große Partien des keramischen
Bodens aus der Kirche aufgenommen und fanden wahrscheinlich in den
Wohn- und Wirtschaftstrakten der Propstei neue Verwendung. Bei der
Anlage eines Luftheizungsschachtes wurde der Boden leider angeschnitten.
Im Chor der Kirche verzichtete man bei den jetzt durchgeführten
grundlegenden Erneuerungsarbeiten auf eine Absenkung des Bodens. Sollte
auch hier der mittelalterliche keramische Belag verlegt gewesen sein,
so wäre er nach Meinung der Denkmalspfleger spätestens bei der
Verlegung des Terrazzobodens im Zuge der Wiethaseschen Renovierung
(1891 - 1894) zerstört worden.
So blieb der keramische Schmuckfußboden aus dem Mittelalter nur noch
teilweise erhalten. In diesen erhaltenen Partien ist jedoch das
mittelalterliche Weltbild überliefert.
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