MAKKUMER FLIESEN NACH HARLINGER VORLAGEN
MIT ABBILDUNGEN ZUM RÖMISCHEN RECHT
 

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Römisches Recht

Das Recht, das zunächst in Rom und später im ganzen römischen Weltreich galt, bezeichnet man als römisches Recht. Die im Corpus Iuris Civilis gesammelten Quellen des römischen Rechts wurden in den meisten Staaten Europas als maßgebliche Rechtsquellen angesehen. In Deutschland galt das römische Recht bis zum 1. Januar 1900 als gemeines Recht. Auch das moderne bürgerliche Recht ist nach wie vor vom römischen Recht geprägt.

 

Pandekten / Digesten

Das Gesetzeswerk des Kaisers Justinian I. umfasst die Institutiones Iustiniani (verkündet 533), die Pandekten (lat. Digesten ebenfalls 533 verkündet) und die zugehörigen Novellen. Für die Entwicklung des neuzeitlichen Rechtssystems waren die Pandekten oder Digesten von größter Bedeutung. Die Digesten (auf den Fliesen abgekürzt mit ‘D.‘) sind in 50 Bücher (‘L.‘ = Liber) eingeteilt, diese wiederum in Titel (‘T.‘ = Titulus) unterteilt. Das Gesetzeswerk verzichtete auf religiöse Legitimation.

 

Harlinger Fliesen mit Darstellungen aus dem Corpus Iuris Civilis

- Pandectentegels -

Sijbrand Pieters Feijtema (1639-1691), der seine Werkstatt in Harlingen zwischen Noordijs und Zoutsloot betrieb, stellte 1687 bei den Staten van Friesland einen Antrag auf Alleinrecht zur Herstellung von Fliesen mit Darstellungen aus dem Corpus Iuris Civilis: ‚Soo versoeckt de selve in aller onderdanicheyt, dat U Ed: Mo: hem brieven van Octroy gelieven te vergunnen, omme de steenties met de figuren en tituls hier voren gemelt, in deese Provintie van Frieslandt voor de tijt van vijftien jaaren, allenich te moogen maecken en backen.

Im Amsterdamse Courant vom 26. September 1686 erschien folgende Anzeige: 'Tot Harlingen, by Sybrant Feytama, sijn te bekomen seer rare verglaesde Tegel-steentjes, zynde op yder een bysondere titel van de Pandecten des corpus Juris door seer rare figuren afgebeelt, om in seer korten tyd de gansche sin der keyserlycke Rechten te verstaen, gepractiseert door een vermaert Practisijn in de Rechten'.

Sijbrand Pieters Feijtema ließ 432 Durchstaubschablonen anfertigen. Wer die Durchstaubschablonen fertigte, ist noch unbekannt.

Das Projekt blieb ohne Erfolg. Wahrscheinlich waren die Darstellungen für das einfache Volk unbegreiflich und für Juristen nicht deutlich genug.

Von den in Harlingen um 1686-1690 hergestellten ‚pandectentegels‘ sind nur wenige erhalten (11 Fliesen und 13 Fragmente mit 23 verschiedenen Darstellungen).

 

Herstellung und Dekoration einer Fliese

Mit Hilfe eines Formrahmens und eines Rundholzes formt man die Fliese aus vorbereitetem Ton. Nach ausreichender Trocknung erfolgt der erste Brand (Roh- oder Schrühbrand). Danach wird die Fliese mit einer weiß brennenden Zinnglasur überzogen (1) und darauf das Dekor aufgebracht.

 

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Erster Arbeitsgang der Dekoration ist das Auflegen einer Durchstaubschablone (2) auf die Fliese. Die Durchstaubschablone wird wie folgt gefertigt: Eine Grafik oder eine Zeichnung benutzt man als sogenannte Mutterschablone. Auf Maß geschnittene Blätter Papier legt man unter die Mutterschablone und die Konturen werden mit einer Nadel durchstochen. Auf den unter der Mutterschablone liegenden Blättern (Arbeitsschablonen) ist nun die Darstellung in kleinen Löchern zu sehen. Eine Arbeitsschablone wird im weiteren Arbeitsprozess eingesetzt. Diese legt man auf die mit Zinnglasur überzogene Fliese. Mit einem mit Holzkohlepulver gefüllten Leinensäckchen (3) wird auf die Arbeitsschablone geklopft. Holzkohlepulver dringt durch die Perforation der Konturen der Darstellung und liegt in feinen schwarzen Pünktchen auf der Zinnglasur (4). Nun kann der Maler das aus punktierten Umrissen bestehende Motiv nachziehen (5-6), Schattierungen anlegen und eventuell noch Eckornamente aufbringen (7). Die Mutterschablone dient dem Maler als Vorlage. Die Fliese wird abschließend noch einmal gebrannt (Glattbrand) (8).

 

Meine Fliesen mit Abbildungen zum römischen Recht

Bei der Koninklijke Tichelaar Makkum wurden 1970 zwölf Fliesen mit Abbildungen zum römischen Recht für Professor Mr. A. Pitlo aus Amsterdam gefertigt. Auf meine an Pieter Jan Tichelaar gerichtete Bitte wurden für mich bei der Koninklijke Tichelaar Makkum sechs Fliesen zum römischen Recht vom ‚ersten Maler‘ Sybren Jaspers (Workum 1929 - Makkum 1990) gemalt. Er arbeitete nach vom Fries Museum ausgeliehenen Durchstaubschablonen des Harlinger Sijbrand Feijtema aus der Zeit von ca. 1680 bis ca.1700.

 

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T.1. L.28 = D. 28.1 - Qui testamenta facere possunt et quemadmodum testamenta fiant.

(Rechts- und Handlungsfähigkeit der Beteiligten - Wer Testamente errichten kann und wie Testamente errichtet werden müssen.)

 

Es geht um Szenen der Testamentserrichtung. Vielleicht ist mit der oberen Szene die mündliche Testamentserrichtung durch offene Verkündung der Erben gemeint (D. 28.1.21 pr.). Links unten geht es dagegen um eine schriftliche Testamentserrichtung, welche durch mehrere Zeugen bestätigt werden muß. Rechts unten könnte es darum gehen, dass ein Kriegsgefangener in der Gefangenschaft kein wirksames Testament errichten kann (D. 28.1.8 pr.); oder ein Testator läßt sein Testament vor dem zum Ausrücken bereiten Heer bestätigen.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

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T. 2. L. 5 = D. 5.2 - De inofficioso testamento.

(Über das pflichtwidrige Testament.)

 

Ein Testament ist pflichtwidrig, wenn der Erblasser seinen nächsten Angehörigen (Kinder, Eltern, Geschwister) nicht mindestens ein Viertel des gesetzlichen Erbteils zuwendet. Es geht also inhaltlich um unser heutiges Pflichtteilsrecht.

Auf der Fliese könnte links der Erblasser mit seiner Geliebten dargestellt sein, die er als Alleinerbin einsetzt. Rechts erheben die beiden Kinder des Erblassers vor dem Richter die Klage des pflichtwidrigen Testaments mit dem Ziel, dass das Testament für unwirksam erklärt wird.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

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L. 24, T. 3 = D. 24.3 - Soluto matrimonio dos quemadmodum petatur.

(Nach aufgelöster Ehe - Auf welche Weise nach Auflösung der Ehe die Mitgift verlangt werden kann.)

 

Dargestellt sind zwei verschiedene Möglichkeiten der Ehebeendigung mit ihren jeweils unterschiedlichen vermögensrechtlichen Folgen. Im Vordergrund fordert die geschiedene Frau von ihrem gewesenen Ehemann ihre Mitgift heraus. Oben schiebt ein Diener eine Karre, auf der die Truhen mit Haben des verstorbenen Ehemannes liegen, einschließlich dem, was die Ehefrau in die Ehe eingebracht hat. Die Witwe kann nun ihre Mitgift von den Erben des verstorbenen Ehemannes herausverlangen.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

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T. 4. L.5 = D. 5.4 - Si pars hereditatis petatur.
(Wenn ein Erbschaftsanteil eingeklagt wird.)

 

Hier scheint sich einer der beiden Erben (wohl rechts im Bild) der gesamten Erbschaft bemächtigt zu haben. Der Miterbe (wohl links) klagt nun vor dem Richter seinen Anteil ein.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

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T. 6, L. 39 = D. 39.6 - De mortis causa donationibus et capionibus.
(Über Schenkungen von Todes wegen.)

 

Die Schenkung von Todes wegen ist ein besonderer Fall der Schenkung, die nur Bestand haben soll, wenn der Beschenkte den Schenker überlebt. Häufig wurde eine solche Schenkung bei bevorstehender Todesgefahr vorgenommen. Entkam der Schenker dann der Todesgefahr, konnte er den Gegenstand vom Beschenkten zurückfordern.

Dargestellt wird rechts im Bild die Vornahme einer solchen Schenkung von Todes wegen, wohl im Hinblick auf die bevorstehende (gefährliche) Seereise des Schenkers (links im Bild). Wenn der Schenker die Reise heil überstanden hatte, konnte er den geschenkten Gegenstand zurückfordern. Im Todesfall verblieb die Sache beim Beschenkten.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

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T. 10, L. 38 = D. 38.10 - De gradibus et adfinibus et nominibus eorum.
(Über die Verwandtschaftsgrade und die Verschwägerten sowie ihre Bezeichnungen)

 

Zwischen den auf der Fliese dargestellten Personen besteht Streit über ihre Verwandtschaft. Der Richter erläutert die Verwandtschaft anhand des aufgezeichneten Stammbaumes.

 

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Durchstaubschablone im Fries Museum, Leeuwarden.

 

 

Makkumer Serie von 1989

Bei der Koninklijke Tichelaar Makkum wurde 1989 eine Serie von 20 ’digestentegel’ aufgelegt, die R. van Geffen malte. Die Fliesen dieser von der Koninklijke Tichelaar Makkum aufgelegten Serie kosteten 1989 in Makkum Hfl. 150,- (ca. DM 135,-) pro Stück.

 

 

Benutzte Literatur:

Wikipedia

Noordhoff, D., Pandectentegels, Tegel 2, Otterlo1972, p. 18-27

Noordhoff, D., Pandectentegels, Tegel 17, Otterlo1989, p. 12-18

Spruit, J.E., Rechtsgeleerde muurbloempjes uit de 17e eeuw, Arnhem 1989

Spruit, J.E., Palingenesia muralis. Over zeventiende-eeuwse rechtsvorstellingen, in: Antidoton Liber amicorum, p. 149 t/m 186 (Zwolle 1990)

Tellegen-Couperus, O.E. en Tellegen, J.W., De Pandectentegels van Sybrand Feytema. In: De Vrije Fries LXXIII (1993), p. 115-136, 4 afb.

Gierveld, Arend Jan en Pluis, Jan met een bijdrage van Tichelaar, Pieter Jan Fries Aardewerk. Harlingen, Bedrijfsgeschiedenis 1600-1933 & Producten tot 1720, Leiden 2005

Pluis, Jan, Fries Aardewerk, Harlingen, Producten 1720-1933, Leiden, 2005

Bauer, Andreas, Die friesischen Pandektenfliesen – Das Römische Recht im Bild des 17. Jahrhunderts, in: Europa und seine Regionen: 2000 Jahre Rechtsgeschichte, Köln 2007

 

 

Ich danke der Direktion des Fries Museum für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Durchstaubschablonen.

Den Herren Andreas Bauer, Jan Pluis und Pieter Jan Tichelaar danke ich für vielfältige Hilfe.

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.