Der Fürstenzug in Dresden

 

Fakten
101,90 m Länge
10,51 m Höhe
ca. 25.000 Fliesen

Pflichtprogramm bei einem Besuch Dresdens sollte die Besichtigung des Fürstenzuges, der Welt größtem keramischen Wandbild, sein. Das monumentale Werk an der Fassade des zum Stallhof gehörenden „Langen Ganges“ in der Augustusstraße nimmt einen wichtigen Platz im baukünstlerischen Erbe der Stadt ein.
Für an Fliesenkeramik Interessierte ist diese imposante Wandgestaltung neben dem von Villeroy & Boch Dresden ausgeführten Wandbild am Finanzministerium und den Fliesenbekleidungen in ’Pfunds Milchladen’ das Highlight.
Der Wandfries zeigt eine Ahnengalerie zwischen 1123 und 1904 in Sachsen herrschender Wettiner. Es sind 35 mit ihren Beinamen bezeichnete Markgrafen, Herzöge, Kurfürsten und Könige hoch zu Ross sowie Herolde, Spielleute, Bannerträger, Soldaten, Wissenschaftler, Künstler, Handwerker, Kinder und Bauern weiterhin zahlreiche Pferde und zwei Windhunde dargestellt.
Der Fürstenzug wurde ursprünglich in den Jahren 1871 bis 1876 anlässlich der bevorstehenden 800-Jahr-Feier des sächsischen Fürstenhauses Wettin nach Entwürfen von Wilhelm Walther (1826-1913) in Sgraffito-Technik ausgeführt. In einem bereits 1864 durchgeführten Wettbewerb hatte Walther vorgeschlagen, unterhalb der Fenster einen riesigen Gobelin mit einem überlebensgroßen Reiterzug zu gestalten. Der Reiterzug sollte vor einem goldfarbenen, rautenförmig gegliederten Hintergrund Herrscher der wettinischen Adelsdynastie mit Gefolge darstellen. Die von dem Professor der Dresdner Kunstakademie und Historienmaler Wilhelm Walther im Maßstab 1:5 auf Karton ausgeführten Entwürfe werden noch im Institut für Denkmalpflege Dresden aufbewahrt.
Bereits um 1900 zeigten sich erhebliche, weitestgehend durch Einwirkung von Braun- und Steinkohleabgasen entstandene, Verwitterungsschäden. Die Erneuerung des Wandbildes wurde unumgänglich.
Ein 1902 abgegebenes Angebot der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen, das Wandbild auf Fliesen zu übertragen, gab dem Projekt eine entscheidende Wende. Auf Vorschlag des technischen Betriebsleiters der Porzellanmanufaktur, Oberbergrat Heintze, wurden in den Jahren 1903 und 1904 Fliesen aus einem von ihm entwickelten neuen Werkstoff an Außenwänden der Manufaktur in Meißen angesetzt. Ein im Mai 1904 ausgeführtes Probebild (Friedrich der Ernsthafte) befindet sich übrigens noch heute am Gebäude ’C’ der Manufaktur.
Die Finanzdeputation des Sächsischen Landtages bewilligte 1904 67.000 Goldmark zur Umsetzung des Projektes „Fürstenzug“, dem mit einer Gesamtlänge von 101,90 Meter und einer Gesamthöhe von 10,51 Meter größten keramischen Wandbild der Welt.
In den Jahren 1905 und 1906 wurden nach Originalkartons von A.W. Walther rund 25.000 Fliesen im Format 205x205 mm hergestellt.
Die aus Seilitzer Erde, Löthainer Erde, englischer Porzellanerde, Feldspat und gemahlenen Porzellanscherben bestehende Masse wurde wie folgt verarbeitet:
Aufbereitung der Massen, Trockenpressen, Glattbrand bei ca. 1.380 °C, Schleifen auf das genaue Maß, Spritzen der Grundengobe, weiterer Brand bei ca. 1.350 °C, Bemalung mit speziell entwickelten Scharffeuerfarben und abschließendem Brand bei 1.350 °C. Grundengobe und Scharffeuerfarben hatten die gleiche Grundzusammensetzung wie die Fliesen. Dies ermöglichte die bewiesene Witterungsbeständigkeit von Fliesen und Farbschichten.

      

Deutlich ist die grobe Struktur des stranggepressten Scherbens zu erkennen.
Dreizehn erhabene Stege von je 6,5 mm Breite und 1 mm Höhe vergrößern die Haftfläche des Scherbens und geben dem Mörtelbett mechanische Haftung. Die Abstände der Stege betragen jeweils 7 mm. Der mittige Stempel der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen mit dem Zeichen der gekreuzten Schwerter ist 11 mm breit, 17 mm hoch und ca. 1 mm tief.

Auch das Ansetzverfahren wurde gründlich getestet. Die Fliesen mit einer Wasseraufnahmefähigkeit von ca. 6 % wurden von April 1907 bis Juli 1907 mit sehr fettem Zementmörtel (Mischungsverhältnis RT 1:1) und einem Mörtelbett von ca. 1 cm auf jeweils einem Monat alten Zementputz von Mitarbeitern der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen fugenlos angesetzt.
Bis 1945 traten nur sehr vereinzelt kleine Spannungsschäden am keramischen Wandbild auf, die weitestgehend durch Temperaturschwankungen im 102 Meter langen inhomogenen Mauerwerk und den fugenlos angesetzten Fliesen entstanden. Die Fliesen konnten fugenlos und ohne Bewegungsfugen angesetzt werden, weil die gesamte Wand nicht fluchtrecht sondern gebogen ist.
In der Bombennacht vom 13. Februar 1945 wurde die Umgebung des keramischen Wandbildes fast völlig zerstört. Trotz des Ausbrennens des ’Langen Ganges’, Einstürzens der meisten Gewölbe, des Einschlagens mehrerer Bomben in nächster Nähe und des Feuersturmes in der engen Augustusstraße wurde das keramische Wandbild nur relativ geringfügig beschädigt. Schäden entstanden vor allem in den Fensterbereichen.
Bedingt durch die Kriegsschäden, vor allem aber wegen starker oberflächlicher Verschmutzungen, erfolgte im Sommer und Herbst des Jahres 1978 eine Großreinigung des keramischen Wandbildes. Von März bis September 1979 beseitigte der VEB Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen die mechanischen Schäden. In der Fläche von fast 25.000 Fliesen wurden etwa 450 teilweise beschädigte Fliesen ergänzt und 223 nach alten Rezepten neu hergestellte Fliesen angesetzt. Seither erstrahlt das Wandbild in alter Schönheit und ist neben Frauenkirche und Semperoper Ziel vieler Besucher Dresdens.



Das keramische Wandbild in der Augustusstrasse

 

 

EIN FÜRSTENSTAMM DESS HELDENLAUF REICHT BIS ZU UNSERN TAGEN, IN GRAUER VORZEIT GING ER AUF MIT UNSRES VOLKES SAGEN.

 

 

Detail der Bemalung mit Scharffeuerglasuren

 

 

Detail der bemalten Rahmung

 

 

Herold und Spielleute

 

 

Spielleute und Bannerträger

 

 

(1) Konrad der Große (Regierungszeit 1127 – 1156)

 

 

(2) Otto der Reiche (Regierungszeit 1156 – 1190)
(3) Albrecht der Stolze (Regierungszeit 1190 – 1195)

 

 

(4) Dietrich der Bedrängte (Regierungszeit 1195 – 1221)
(5) Heinrich der Erlauchte (Regierungszeit 1221 – 1288)

 

 

(6) Albrecht II. der Entartete (Regierungszeit 1288-1307)

 

 

(7) Friedrich der Gebissene (Regierungszeit 1307 – 1324)
(8) Friedrich II. der Ernsthafte (Regierungszeit 1324 – 1349)
(9) Friedrich III. der Strenge (Regierungszeit 1349 – 1381)

 

 

(10) Friedrich I. der Streitbare (Regierungszeit 1381 – 1428)

 

 

(11) Ernst (Regierungszeit 1464 – 1486)
(12) Friedrich der Sanftmütige (Regierungszeit 1428 – 1464)
(13) Albrecht der Beherzte (Regierungszeit 1164-1500)

 

 

(14) Friedrich der Weise (Regierungszeit 1486 – 1525)
(15) Johann der Beständige (Regierungszeit 1525 – 1532)
(16) Johann Friedrich der Großmütige (Regierungszeit 1532 – 1547)

 

 

(17) Georg der Bärtige (Regierungszeit 1500 – 1539)
(18) Heinrich der Fromme (Regierungszeit 1539-1541)

 

 

(19) Moritz (Regierungszeit 1547 – 1553)
(20) August I. (Regierungszeit 1553 – 1586)

 

 

Detail der Gruppe Moritz und August I.

 

 

(21) Christian I. (Regierungszeit 1586 – 1591)
(22) Christian II. (Regierungszeit 1591 – 1611)
(23) Johann Georg I. (Regierungszeit 1611-1656)

 

 

(24) Johann Georg II. (Regierungszeit 1656 – 1680)
(25) Johann Georg III. (Regierungszeit 1680 – 1691)
(26) Johann Georg IV. (Regierungszeit 1691 – 1694)

 

 

Detail der Gruppe Johann Georg II., Johann Georg III. und Johann Georg IV.

 

 

(27) August II. der Starke (Regierungszeit 1694 – 1733)
(28) August III. (Regierungszeit 1733 – 1763)

 

 

(29) Friedrich Christian (Regierungszeit 1763)
(30) Friedrich August, der Gerechte (Regierungszeit 1763 – 1827)
(31) Anton, der Gütige (Regierungszeit 1827 – 1836)
(32) Friedrich August II. (Regierungszeit 1836 – 1854)

 

 



Detail der Gruppe Friedrich Christian, Friedrich August der Gerechte und Anton der Gütige

 

 

(33) Johann (Regierungszeit 1854 – 1873)
(34) Albert (Regierungszeit 1873- 1902)
(35) Georg (Regierungszeit 1902 – 1904)
Auf ein Hinzufügen des letzten sächsischen Königs Friedrich August III. (Regierungszeit 1904 – 1918) wurde verzichtet.

 

 

Schlussgruppe

 

 

In der Schlussgruppe abgebildete Personen:
Schüler des Kreuzgymnasiums (Sohn Wilhelm Walthers), Korpsstudent der Universität Leipzig (Herr von Erdmannsdorf) Student der Technischen Hochschule Dresden, Architekt Georg Hermann Nicolai, die Maler K. Peschel und Hübner (betrachten den Fürstenzug-Entwurf), die Bildhauer Johannes Schilling und Ernst Julius Hähnel, Maler Ludwig Richter mit einer Kindergruppe, Ernst Förstemann (Direktor der Königl. Bibliothek), Geheimrat Wiesner (Dezernent für die schönen Künste im Königl. Ministerium), Freiherr von Weißenbach (Kunsthistoriker und Archäologe), Maurer Kern (Mitarbeiter Walthers), sächsischer Bergmann, sächsischer Bauer, Maurer Pietsch (Mitarbeiter Walthers) und Wilhelm Walther.

 

 

Wilhelm Walther (* 18. Oktober 1826 in Cämmerswalde - + 13. Mai 1913 in Dresden), lehrte als Professor an der Kunstakademie Dresden. Sein bekanntestes Werk ist der Fürstenzug in Dresden. Er entwarf den Fürstenzug, arbeitete ihn in mit seiner Frau und Mitarbeitern in Sgraffitotechnik aus und leitete auch noch dessen Neugestaltung mit Meißner Fliesen.

 

 

Abschluss des Fürstenzuges

 

Blick zurück

Zu beachten sind auch die über dem eigentlichen Fürstenzug befindlichen Fliesenfelder in den Fensterbereichen.

 

Ich danke Herrn Dr. Hannes Walter, bis 2008 Geschäftsführer der Staatlichen Porzellan Manufaktur Meißen GmbH, für viele technische Informationen.

Die Fotos fertigten Frau Elvira Kless und Herr Klaus-Peter Dyroff.