Sehenswerte Wand- und Bodenplatten  
von Villeroy & Boch Mettlach
im Ladenlokal einer ehemaligen Metzgerei

und Bodenplatten der Servais - Werke Ehrang
in der Diele des Hauses Bornstraße 3
in Münstermaifeld

 

   

Münstermaifeld

Münstermaifeld ist eine Stadt im Landkreis Mayen-Koblenz in Rheinland-Pfalz.

 

Heimat- und Erlebnismuseum

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war Münstermaifeld Einkaufszentrum für die Bewohner der Stadt und umliegender Dörfer. Heute erinnert ein Ladenmuseum - das größte in Deutschland – daran. Es gibt 30 Geschäfte, Betriebe und Büros wie ‚anno dazumal‘.
Für Freunde historischer Platten - heutige Bezeichnung ‚Fliese‘ - sind das ehemalige Ladenlokal der Metzgerei Diewald und die Diele des Hauses die Highlights.
Moritz und Siegfried Diewald besaßen seit 1913 eine Metzgerei in der Bornstraße 3. Nach der Machtübernahme der Nazionalsozialisten 1933 hatten jüdische Handwerker und Gewerbetreibende zunehmend mit Boykott und Repressalien zu rechnen.
Die Metzgerei Diewald wurde 1937 geschlossen.1
Das Ladenlokal ist jetzt als Teil des Erlebnismuseums zugänglich.

 

Platte oder Fliese?

Mit der um 1850 in England begonnenen industriellen Fertigung von Platten setzte deren Verbreitung ein. 1852 begann die Zeit der maschinellen Herstellung von Platten in Deutschland. Diese wurden damals nicht nur von der Firma Villeroy & Boch ‚Platte‘ genannt. Da die Oberflächen der ersten Bodenfliesen von Villeroy & Boch in der Art von Mosaik ausgeführt waren, galten ‚Mettlacher Mosaikplatten‘ oder ‚Mettlacher Platten‘ über fast ein Jahrhundert als Gattungsbegriffe.

Diese mit der Industrialisierungswelle nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 einsetzende Verbreitung industriell gefertigter Platten erforderte spezialisierte Handwerker für deren Verarbeitung. Keramische Werke bildeten Plattenleger aus, um ihre Produktion besser absetzen zu können. Über eigene Ausstellungen und Materiallager in vielen deutschen Städten sowie über Stützpunkthändler in europäischen Hauptstädten wurde das Plattenmaterial dem Kunden nahegebracht. So breitete sich die Verwendung der Platte als Wandbekleidung und Bodenbelag zuerst in den Großstädten aus.

Der Baustoffhandel verkaufte bis zur Jahrhundertwende in der Regel die Platten und forderte vom entsprechenden Herstellerwerk Handwerker für das Ansetzen und Verlegen an.

Firmen fanden sich z.B. in Berlin 1896, in Mannheim 1909, in München 1912 und in Chemnitz 1913 zusammen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Seit 1908 gab es den ‚Deutschen Arbeitgeberverband im Plattengewerbe e. V.‘ mit Sitz in Berlin. Die Geschäftsstelle wurde 1910 nach Leipzig verlegt.

Ab 1933 verzichtete die keramische Industrie weitgehend darauf, die produzierten Platten selbst anzusetzen und zu verlegen.

Das Plattenlegerhandwerk wurde 1935 zum Vollhandwerk erklärt. Mit dem am 12. August 1937 erfolgten Erlass der Fachlichen Vorschriften für die Meisterprüfung und der Genehmigung der Fachlichen Vorschriften zur Regelung des Lehrlingswesens im ‚Platten- und Fliesenlegerhandwerk‘ vom 18.11.1939 verfügte das Platten- und Fliesenlegerhandwerk über einheitliche Grundlagen, nach der alle fachlichen Fragen der Berufsausbildung vom Beginn der Lehre bis zur Ablegung der Meisterprüfung geregelt wurden.

 

 

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Früheres Schaufenster der Metzgerei Diewald in der Bornstraße 3

 

 

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Blick in das Ladenlokal

 

Auf der Theke aus Carraramarmor steht neben einer Schneidemaschine für Wurst und vor einer Waage ein gerahmtes Foto des Hauses Bornstraße 3

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Ein Detail des Fotos zeigt wahrscheinlich die Kinder Hilde (* 1920), Moritz (* 1923), Mutter Selma (* 1890) und Vater Moritz (* 1881).

 

 

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Wurstwaren, Werkzeuge und Handwerksgerät an Haken vor einer weißen keramischen Wandbekleidung

 

Die weißen Platten vermitteln Frische und Sauberkeit. Dekorativ wirkt der eingearbeitete Fries mit Jugendstildekor.

 

 

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Aufwendige keramische Wandbekleidung mit Jugendstildekoren

 

 

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Vorderfront der Theke aus weiß lackiertem Holz

 

Auf der Theke steht eine Schneidemaschine mit Handkurbel für Hartwurst aus der sogenannten ‚guten alten Zeit‘.

 

 

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Regal mit Blechbüchsen für Gewürze und Fleischbrühwürfel

 

 

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Blick auf den schönen keramischen Wandsockel

 

Vor dem Wandsockel steht eine Wurst-, Käse- und Gemüsehobel.

 

 

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Behälter für Sauerkraut, Tafelsenf und Tafelessig

 

Das Foto gibt einen Blick frei auf Teile der keramischen Wand- und Bodenflächen. 
Keramische Wand- und Bodenplatten von Villeroy & Boch Mettlach waren auch 1913 beim Bau des Ladenlokals Garant für Sauberkeit und Hygiene.

 

 

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Werkzeug und Kleidung des Schlachters

 

 

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Hackklotz mit Wiegemesser und Fleischerbeil in einer Ecke des Ladenlokals

 

 

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Musterblatt von Villeroy & Boch Mettlach

 

Das Musterblatt der Mosaik-Fabrik Villeroy & Boch zeigt im Ladenlokal verwendete Wandplatten mit den Artikelnummern 666, 667, 668 und die Gesimsleisten U und E. Die Wandplatten wurden im Format 145 x 145 mm geliefert.

 

 

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Detail eines Musterblattes von Villeroy & Boch Mettlach

 

Dieses Detail zeigt den im Ladenlokal verwendeten Fries mit der Artikelnummer 566.

 

 

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Musterblatt von Villeroy & Boch Mettlach

 

Dieses Musterblatt zeigt die im Ladenlokal im unteren Bereich des Wandsockels verwendeten Platten mit der Artikelnummer 667 und den profilierten Sockel im Format 175x146 mm in der Glasurfarbe 3a.

 

 

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Wandsockel

 

Aufbau der keramischen Wandbekleidung, von unten (in der Abfolge des Ansetzens):
Sockel im Format 175x146 mm und der Glasurfarbe 3a mit dem Profil in der Glasurfarbe 58.
Platte 667
Platte 668
Gesimsleiste E mit der Glasurfarbe 58
Fries 566
Gesimsleiste U mit der Glasurfarbe 58

 

 

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Detail des Wandsockels

 

Gesimsleiste U mit der Glasurfarbe 58, Fries 566, Gesimsleiste E mit der Glasurfarbe 58 und Platte 668 wurden auf Grund unterschiedlicher Breitenmaße nicht im Fugenschnitt angesetzt.

 

 

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Detail des Wandsockels

 

Platten der Art 667 wurden im Wandsockel nicht wie im Musterblatt angegeben senkrecht, sondern waagerecht angesetzt (siehe Abb. 14).

 

 

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Innenecke des keramischen Wandsockels

 

 

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Außenecke des keramischen Wandsockels und zugehörige Außeneck - Profile

 

 

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Scharfkantig ausgeführte Innenecke und Außenecke mit zugehörigen Profilen

 

 

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Blick auf einen Teilbereich des Bodenbelags

 

Im Ladenlokal der Metzgerei Diewald wurden Mettlacher Mosaikplatten der Artikelnummer 761 in der Fläche verlegt.

 

 

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Musterblatt der Mosaik - Fabrik Villeroy & Boch Mettlach

 

Im Ladenlokal der Metzgerei Diewald wurden Mosaik - Platten der Nummern 761 und 762 verlegt.

 

 

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Blick von der Diele auf den Bodenbelag des Ladenlokals

Im Eingangsbereich liegen Platten der Artikelnummer 762, anschließend Platten der Artikelnummer 761.

 

 

 

 

 

Bodenplatten der Servais - Werke Ehrang in der Diele des Hauses Bornstraße 3 in Münstermaifeld

 

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Blick in die Diele

 

Die trittsicheren Bodenplatten sind auch nach über 100 Jahren Nutzung in gutem Zustand.

 

 

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Musterblatt der Vereinigten Servais - Werke A.-G. Ehrang

 

In der Diele des Hause Bornstraße 3 wurden achteckige Platten der No. 1042 mit sogenannten ‚Einlegern‘ umrahmt von Platten der Nummern 1040 und 1043 verlegt.

 

 

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Abschließender Blick über den keramischen Plattenbelag in Richtung Straße

 

 

1 Beim Novemberprogrom 1938 wurde in Münstermaifeld die Synagoge verwüstet und angezündet.
1942 wurden die letzten 15 jüdischen Einwohner deportiert. Von der Großfamilie Diewald aus Münstermaifeld kamen in der NS-Zeit um: Ernst Julius Diewald (1903), Josef Diewald (1897), Julius Diewald (1873), Moritz Diewald (1881), Selma Diewald geb. Wartensleben (1890), Setta Diewald geb. Hartmann (1863 oder 1864), Siegfried Diewald (1876), Emmy Eichberg geb. Diewald (1899), Moritz kam 1941 in Dachau um, Selma wurde 1942 deportiert. Siegfried, der zusammen mit seinem Bruder Moritz das Geschäft führte, war der letzte Repräsentant der jüdischen Gemeinde. Er wurde 1942 ermordet.

   

Benutzte Literatur:

Münstermaifeld – die Stadt auf dem Berge
Herausgegeben im Auftrag der Stadt Münstermaifeld von Bernhard Koll
Münstermaifeld 2003

 

 

Ich danke den Verantwortlichen des Heimat- und Erlebnismuseums Münstermaifeld für ihre Erlaubnis, im Ladenlokal und in der Diele zu fotografieren und einen Bericht zu den außergewöhnlichen Plattenarbeiten im Internet zu veröffentlichen.

Frau Agnes Müller vom Werksarchiv Villeroy & Boch half mir bei der Suche nach Musterblättern für die im Ladenlokal verarbeiteten Wand- und Bodenplatten.

Herrn Dr. Thomas Rabenau danke ich für die Zurverfügungstellung des Musterblattes der Vereinigten Servais-Werke A.-G.Ehrang.

 

 

Heimat- und Erlebnismuseum
  Alte Propstei im Rosengarten
  56294 Münstermaifeld

Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Sonntag und Feiertage: 14:00 bis 17:00 Uhr
sowie nach telefonischer Vereinbarung unter 02605/3556

Eintrittspreise pro Person:
Erwachsene: 5,00 Euro
Kinder und Jugendliche (6 - 14 Jahre): 3,50 Euro
Schüler/Studenten: 4,50 Euro
Menschen mit Behinderung: 3,50 Euro


Die Besucher können die einzelnen Läden und Werkstätten betreten und jede Einzelheit in Ruhe betrachten.

Nach der Museumsbesichtigung besteht die Möglichkeit, bei einem Stadtrundgang weitere Läden zu besichtigen. Unter fachlicher Führung leiten Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Heimatmuseums so z. B. in eine jüdische Metzgerei in Jugendstilarchitektur, die 1937 geschlossen wurde, und heute wieder ihre ursprüngliche Einrichtung beinhaltet, eine Werkstatt eines Stellmachers, eine historische Schmiede und einiges mehr.
Hierfür wird zusätzlich 1,50 Euro pro Person berechnet.