Wilhelm Joliet |
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Das
Kloster São Vicente de Fora liegt auf einer Anhöhe außerhalb des
Stadtzentrums von Lissabon in der Nähe des Flusses Tejo. Es wurde 1147, nach
der Rückeroberung Lissabons von den Mauren, von König Afonso I. Henriques
(Regierungszeit von 1139 bis 1185) als Augustinerkloster gegründet und unter
den Schutz des heiligen Vinzens, dem Schutzheiligen der Seefahrer, gestellt.
Kloster und Kirche erhielten unter Philipp II. (Regierungszeit von 1598 bis
1621) ihr heutiges Aussehen.
Bei Erbauung von Kirche und Kloster (1582 bis 1627)
standen die Sakralbauten außerhalb der Lissaboner Stadtmauern (de Fora
übersetzt: außerhalb der Mauern).
01 Blick auf das Kloster
São Vicente de Fora vom Castelo de
São Jorge. Die
Bauarbeiten dauerten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. So wurden die
ungefähr 14.000 weiß-blauen Azulejos in der Zeit zwischen 1710 und 1759
geliefert und angesetzt.
Während des Erdbebens von 1755 wurden die Gebäude schwer beschädigt. Es
dauerte fast ein Jahrhundert, bevor Kirche und Kloster in ihren heutigen
Stand restauriert wurden. Im
Kloster befindet sich
der
Panteão da Casa de Bragança,
eine Grablege der portugiesischen Königsfamilie aus dem Haus Braganza und
der Panteão dos Patriarcas de Lisboa, die Grablege der Patriarchen von
Lissabon. Die
abseits der touristischen Höhepunkte von Lissabon liegenden Sakralbauten
sind Orte klösterlicher Ruhe.
02 Das ursprünglich romanische Kloster São Vicente de Fora
ist manuelinisch ausgestaltet.
03 Blick in den Kreuzgang. Die
Azulejotableaus wurden ab 1735 im Atelier
des Valentim de
Almeida (*1692 - +1770) gefertigt.
Valentim de Almeida zählt zu den besten Malern Portugals des 18.
Jahrhunderts und war ab 1716/17 Mitglied der Lissaboner Malergilde St.
Lukas.
Die Tableaus im Kreuzgang
zeigen Szenen des höfischen Lebens.
04 Erstes Tableau im Kreuzgang Im
August 2001 fotografierte ich neunzehn Azulejotableaus im Kreuzgang des
Klosters São Vicente de Fora a) zwischen den wuchtigen Pfeilern und b) als
Details.
05 Detail von Abbildung 04
06 Elf
der neunzehn Tableaus haben den gleichen oberen Aufbau über der eigentlichen
szenischen Darstellung, wenn die Rahmung des Fensters nicht in das Tableau
reicht. Es ist eine portugiesische Spezialität, Azulejos zu schneiden und in
den angrenzenden Wandputz zu integrieren.
07 Zweites Tableau im Kreuzgang
08 Detail von Abbildung 07
Details der herrschaftlischen Bauten wurden vom Maler in hervorragender
Qualität ausgearbeitet. Leider ist nicht bekannt, um welche Bauten es sich
handelt.
Alle
neunzehn Tableaus werden einheitlich seitlich von den mit Abbildungen 09 und
10 gezeigten Karyatiden begrenzt.
Karyatiden sind bekleidete weibliche Figuren, die in antiker Baukunst Säulen
oder Pfeiler bei Portalen und in der Fassadengliederung ersetzten. Im Barock
und im Klassizismus wurden Karyatiden in der europäischen Architektur wieder
als Elemente der Gestaltung eingesetzt. Valentim de Almeida übernahm die
schwere Lasten tragenden weiblichen Wesen in seine blauen Gemälde auf
weißglasierten Azulejos.
11 Drittes Tableau im Kreuzgang
12 Detail von Abbildung 11
13 Alle
neunzehn Tableaus werden unter den szenischen Darstellungen einheitlich von
diesen 12 x 3 Azulejos mit Maske und Girlande begrenzt.
14 Viertes Tableau im Kreuzgang Für
dieses Tableau fand ich entsprechende grafische Vorlagen. Gezeigt wird das
Aufrichten des Maibaums.
Sowohl niederländische als auch portugiesische Fliesenmaler benutzten
grafische Blätter als Vorlagen für ihre Werke.
15 Die
allegorischen Darstellungen der vier Jahreszeiten aus dem Verlag des
Pierre-Jean Mariette tragen die Beischriften LE PRINTEMPS / On plante le
May, L’ESTE / Le Feu de la St. Iean, L’AUTOMNE / Les Rejouissances de la St.
Martin, L’HIVER / Les Divertissemens du Roy-boit
und jeweils einen Vierzeiler in französischer Sprache.
Pierre-Jean Mariette (*1694 in Paris - †1774 in Paris) war Stecher und
Verleger.
16 Auf
den bei Gerrit de Broen (*1692 in Amsterdam - †1774 in Amsterdam) Es
gibt neben der spiegelbildlichen Ausführung des Azulejotableaus markante
Abweichungen zu den grafischen Bättern.
17
Dieses in der Rotterdamer Fliesenmanufaktur Aalmis geschaffene
Fliesengemälde ist im Besitz des Aachener Couven-Museums.
18 Fünftes Tableau im Kreuzgang
19 Detail von Abbildung 18 Im
unteren linken Bildfeld sitzt ein Maler und skizziert die Brunnenanlage.
20 Sechstes Tableau im Kreuzgang
21 Detail von Abbildung 20
22 Siebtes Tableau im Kreuzgang
23 Detail von Abbildung 22
24 Achtes Tableau im Kreuzgang
25 Detail von Abbildung 24
Auch
für dieses Azulejogemälde fand ich die grafische Vorlage.
Valentim de Almeida übernahm Details aus dem Blatt von J. Visscher nach
Nicolaes Berchem, Diversa animalia
quadrupedia, ca. 1660.
26
27 Neuntes Tableau im Kreuzgang
28 Detail von Abbildung 27
Durch einen Baum getrennt zeigt das Tableau zwei unterschiedliche
Jagdszenen,
29 Zehntes Tableau im Kreuzgang
30 Detail von Abbildung 29
31 Elftes Tableau im Kreuzgang
32 Detail von Abbildung 31
33 Zwölftes Tableau im Kreuzgang
34 Detail von Abbildung 33 Zwei Männer beim Handel und
ein vor Anker liegendes Schiff. Es lohnt sich, die präzise Ausführung des Schiffes zu
betrachten. Alle Details wurden mit feinstem Pinselstrich und kobaltblauer
Farbe auf weißer Zinnglasur ausgearbeitet.
35 Dreizehntes Tableau im Kreuzgang
36 Detail von Abbildung 35 Für
die mit Abbildungen 14 und 24 gezeigten Tableaus fand ich Vorlagen bei
niederländischen Stechern. Der Einfluß höfischer Kunst und Kultur
Frankreichs fand in Portugal auch in der Azulerija Ausdruck. Motive der
voluminösen Rahmungen finden sich wahrscheinlich in französischen Vorlagen-
oder Entwurfsbücher jener Zeit.
37 Vierzehntes Tableau im Kreuzgang
38 Detail von Abbildung 37
39 Fünfzehntes Tableau im Kreuzgang
40 Detail von Abbildung 39
Die
Details von Angler und Schütze fanden in etwas abgewandelter Form auch im
neunten Tableau (Abbildungen 27 und 28) Verwendung.
41 Sechszehntes Tableau im Kreuzgang Die
blau-weiße Azulejaria mit überbordenden hochbarocken Rahmungen bringt
Bewegung in die klassisch-strenge Architektur des Kreuzgangs.
42 Detail von Abbildung 41
43 Siebzehntes Tableau im Kreuzgang
44 Detail von Abbildung 43
45 Achtzehntes Tableau im Kreuzgang
46 Detail von Abbildung 45
47 Neunzehntes Tableau im Kreuzgang
48 Detail von Abbildung 47 Auf
den ersten Blick läßt das Tableau die Festung Belem am Tejo vor der Stadt
Lissabon vermuten. Der Aufbau der Festung stimmt mit zeitgenössischen
Darstellungen überein, aber es gibt einen deutlichen Unterschied, es fehlt
der markante schlanke Turm.
49 Blick vom Innenhof in einen Teil des Kreuzgangs
50 Blick aus einem Fenster der 1. Etage auf Kreuzgang und
Innenhof mit Ziehbrunnen
Zusammenfassung
Dieser erste Bericht zur Azulejaria im Lissaboner Kloster São Vicente de
Fora soll Einstieg sein zu weiteren Veröffentlichungen. Die Pracht der
Azulejos wird jeden Kulturtouristen vor allem aber jeden Liebhaber
historischer Fliesenkeramik begeistern.
Bildnachweis 01
Turismo de Lisboa 02
und 49 Frans Dronkers 15,
16 und 26 Wikipedia / Kunsthandel Alle
anderen Fotos vom Verfasser des Berichtes |
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