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Mettlacher Platten
in der St. Georgs-Kathedrale
von Gus-Khrustalny |
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Gus-Khrustalny (früher: Gus Maltsevsky) ist eine russische Stadt in der Oblast Wladimir. Sie liegt mitten im Gebiet der Meschtschora-Niederung, rund 200 km östlich von Moskau und 63 km südlich der Oblasthauptstadt Wladimir. Durch die Stadt fließt der kleine Fluss Gus, ein linker Nebenfluss der Oka. Der Flussname Gus bedeutet im Russischen auch Gans, was sich im Stadtwappen widerspiegelt. Die Stadt entstand aus einer Siedlung bei einer Bleikristallfabrik, die im 18. Jahrhundert von einem Kaufmann Malzow aus Orjol gegründet wurde. Der Name der Stadt ist bis heute mit dem Glaswerk verbunden.
Durch das Aufstauen des Flusses Gus versank ein Großteil des alten Ortes, der entstandene See teilt die heutige Stadt. Im Südteil stehen das Glaswerk und die Dreifaltigkeits-Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Hier befinden sich noch 247 von 425 für Arbeiter des Glaswerkes gebaute Häuser aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die als Objekte des kulturellen Erbes der der Stadt anerkannt sind.
Im Nordteil der geradlinig angelegten Stadt liegen die St. Georgs-Kathedrale und der 1899 eröffnete Bahnhof. Vor 1899 liefen Personen- und Güterverkehr über den nahegelegenen Bahnhof Netschajewskaja mit Verbindung nach Moskau und Kasan.
Den Stadtstatus erhielt Gus-Khrustalny im Jahre 1931.
Bleikristallglas aus Gus-Khrustalny
Akim Wassiljewitsch Malzow, geadelter Glasfabrikant, und seine adlige Frau Marija Wassiljewna Malzowa gründeten 1756 in Gus die erste Bleikristall-Fabrik und ließen zugleich eine Siedlung für ihre Mitarbeiter bauen. Im Gebiet um Gus gab es reichlich Holz, Sand und Wasser, welches für die Herstellung von Glas benötigt wurde. Hinzu kam begünstigend die gute Lage in der Nähe der Städte des Goldenen Rings. Die Erzeugnisse wurden schnell landesweit berühmt.
Akim Wassiljewitsch Malzow starb 1785. Seine Nachkommen führten das Unternehmen weiter.
St. Georgs-Kathedrale
Die ehemalige St. Georgs-Kathedrale beherbergt seit 1981 das Malzow-Kristallmuseum mit mehr als 12.000 Objekte.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Im Jahr 1890 beauftragte Juri Stepanowitsch Netschajew-Malzow, Besitzer der Gus-Kristallwerke, den russischen Architekten Leonty Nikolajewitsch Benois mit dem Bau einer Basilika im russischen Stil auf seinem Anwesen. Der Kirchenraum sollte für 3000 Gemeindemitglieder ausgestattet sein. 1883/84 hatte er schon das Innere seines St. Petersburger Hauses von Benois im Rokoko-Stil umgestalten lassen.
Benois übertrug Aufsicht und Präsenz in Gus-Khrustalny dem Architekten Grigory Yakovlevich Levi, der zuvor 12 Jahre lang mit ihm an seinen Projekten in St. Petersburg und anderen Städten zusammengearbeitet hatte. Darüber hinaus wurden Wladimir Alexandrowitsch Pokrowski und zwei Vorarbeiter mit dem Bau beauftragt. Benois selbst übernahm es, „für die korrekte Ausführung der Arbeiten zu sorgen“.
Die Einweihung der St. Georgs-Kathedrale erfolgte 1903.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovkh / Malzow-Kristallmuseum
Ausstellung von wertvollem Malzow-Kristallglas in der ehemaligen russisch-orthodoxen Kirche.
Im Jahr 1893 wurde u.a. über die Materialien der zehn Innensäulen und keramischen Böden diskutiert. Auftraggeber und Architekt entschieden sich bei den Säulen auf Labradorit und bei den Bodenbelägen auf Mettlacher Platten.
In der Kathedrale wurden 800 Quadratmeter Mettlacher Platten verlegt, 200 Quadratmeter im Chorraum und 600 Quadratmeter im Langhaus.
Die quadratischen Platten haben die Istmaße 167 x 167 mm und die rechteckigen Platten die Istmaße 83 x 167 mm.
Anmerkung: Die Differenz der Istmaße zu den in Katalogen angegebenen Maßen von zum Beispiel 170 x 170 mm ergibt sich aus unterschiedlichen Schrumpfungsprozessen beim Brand.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Die dunklen Säulen aus Labradorit prägen das Bild des Langhauses.
Währen der Bauphase der St. Georgs-Kathedrale baute Architekt Benois für den russischen Zaren Nikolaus II. die russisch-orthodoxen Kirchen in Bad Homburg (1896-1899) und Darmstadt (1897-1899) in Deutschland. In beiden Kirchen gibt es ebenfalls sehr schöne Bodenbeläge aus Mettlacher Platten.
Die russisch-orthodoxe St.-Georgs-Kathedrale wurde 1919 verweltlicht und als Jugendclub, Kino, Kindermusikschule und Bibliothek benutzt.
Seit 1981 ist die ehemalige Kirche das Malzow-Kristallmuseum. Hundertfünfzig Jahre gehörte die Kristallglas-Fabrik in Gus-Khrustalny der Adelsfamilie Malzow, die nicht nur die Traditionen und den Grund zur einzigartigen russischen Glaskunst legte, sondern auch eine große Sammlung von Malzow-Kristallglas zusammenstellte.
Die Innenausstattung des majestätischen Denkmals und die wunderschöne Kristallsammlung ergeben ein hervorragendes, glanzvolles und feierliches Ganzes.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Detail der keramischen Bodenfläche.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Ein Teppich aus Mettlacher Platten im Zwischenraum von Pfeiler zu Pfeiler des Langhauses.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Der keramische Belag erstrahlt in einem Glanz als ob er frisch verlegt wäre.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Der Bodenbelag aus Mettlacher Platten zeigt ein exaktes Fugenbild.
Musterblätter von Villeroy & Boch von 1886
als Vorlagen für den Bodenbelag in der St. Georgs-Kathedrale
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© Fotoarchiv Joliet
Deckblatt der Musterblätter.
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© Fotoarchiv Joliet
Bezeichnung No 201 ‚Gothisches Fondmuster‘ für den in der Kathedrale verlegten Boden.
Die keramischen Bodenflächen in der Basilika entsprechen der No 201 (von Blatt 23) mit einem Preis von 12 Mark je Quadratmeter.
Für die Mark kann mittels der früher veröffentlichten langen Reihen des Statistischen Bundesamtes und dem heutigen Verbraucherpreisindex die Kaufkraft berechnet werden.
12 Mark entsprechen heute einem Gegenwert von ca. 96,00 €.
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Die keramische Bodenfläche besteht aus Platten mit neben gezeigten Dekor.
Das Gesamtbild ergibt sich aus der Verlegerichtung der einzelnen Platten durch den Plattenleger. |
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Dieser Block von vier Fliesen ergibt den grauen Teil.
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Dieser Block von vier Fliesen ergibt das gelbliche Dekor.
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(309)-- 13
Die Rahmungen der einzelnen Felder setzen sich zusammen aus den Artikelnummern 87 und 309 der Musterblätter von 1886.
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© Fotoarchiv Joliet
No 87 als Teil der Rahmungen im Bodenbelag der St. Georgs-Kathedrale.
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© Fotoarchiv Joliet
No 309 als Teil der Rahmungen im Bodenbelag der St. Georgs-Kathedrale.
Trottoirplatten im Vorraum der Kathedrale
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
Zweifarbige trittsichere Platten im Format 170 x 170 mm im Vorraum der Kathedrale.
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© Fotoarchiv Joliet
Musterblatt für zweifarbig gerillte Trottoirplatten No 3.
Anmerkung: Trottoir ist ein Synonym für Bürgersteig/Gehweg.
Die gerippten Platten im Format 170 x 170 mm gab es in den Stärken 20, 25 und 30 mm.
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© Fotoarchiv Joliet
Preisliste trittsicherer Platten von Villeroy & Boch, Merzig.
Würdigung der St. Georgs-Kathedrale als Gesamtkunstwerk
Die Kathedrale verdient besondere Aufmerksamkeit. Sie ist ein Meisterwerk der altrussischen Architektur. Die Kombination von rotem Backstein mit Bauelementen aus weißem Naturstein verleiht dem Gebäude Eleganz.
Das Innere wurde mit einer Kolonnade aus schwarzem Labradorit gestaltet. Sehenswert sind das wunderschöne Wandmosaik ‚Freue dich Gesegnete‘ des Petersburger Mosaikmeisters Wladimir Alexandrowitsch Frolow nach einem Entwurf von Victor Mikhalowitch Wasnezow und das riesige Gemälde (49 Quadratmeter)‚Das Jüngste Gericht‘ von Wasnezow.
Beeindruckend ist nicht nur für Keramikliebhaber neben diesen Kunstwerken auch der ca. 800 Quadratmeter große Bodenbelag aus Mettlacher Platten.
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
(Foto Anfang des 20. Jahrhunderts)
Apsis der Kathedrale mit dem Wandmosaik ‚Freue dich Gesegnete’ und davor die Ikonostase,
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© Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh / Malzow-Kristallmuseum
‚Das Jüngste Gericht‘ von Victor Mikhalowitch Wasnezow.
Würdigung des Architekten
Leonies Nikolajewitsch Benois (*1856 - +1928), Rektor der Akademie der Künste und der Architekturschule, 1899 zum Architekten des Kaiserlichen Hofs ernannt war einer der bedeutendsten russischen Architekten des Historismus. In Deutschland zeugen die russisch-orthodoxen Kirchen in Bad Homburg vor der Höhe und Darmstadt von seinem Können.
Er schrieb über die St. Georgs-Kathedrale: „Für mich bestand die wichtigste Aufgabe darin, den von mir entworfenen Tempel zu bauen, in dem ich alles gesteckt habe, was ich konnte, und vielleicht wird es mein bestes Werk sein.“
Aktuelle Bibliographie
Gus-Khrustalny. Essays zur Geschichte der Region Meshchera.“ - Gus-Khrustalny: Verlag "Meshchera". IP Vasiliev S.Yu. 2006. (Autor: Vasilyev S.Yu. // Serie Small Towns of Russia) Kapitel 4 – St.-Georgs-Kathedrale (Autorin: N.T. Pak, S. 88-101)
Danksagung
Ich danke Frau Khalatyan Natalya Vladimirovna, Kuratorin des Kristallmuseums, für das Bildmaterial aus Gus-Khrustalny und ihre Informationen.
Meinem Sohn Norbert sei Dank für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.
Bericht zur ehemaligen St. Georgs-Kathedrale im Internet unter:
www.vladmuseum.ru/ru/virtual/georg_sobor/
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Anschrift des Museums
Muzey Khrustalya Imeni Mal'tsovykh
Ulitsa Kalinina, 2а, Gus-Khrustalny, Vladimir Oblast, 601501
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