Jagdschloss Ruthe
Fliesengemälde aus Wrisbergholzen für Kurfürst Clemens August

 

Ruthe 01
Aufriss der Nordfassade, Plan von Georg Ludwig Hoefer, um 1750
(© Sammlung Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)

Ruthe 02
Grundriss des ehemaligen Schlosses Ruthe, Hauptgeschoss, Entwurf von Georg Ludwig Hoefer, um 1750
(© Sammlung Niedersächsisches Landesmuseum Hannover)

 

Zwischen 1751 und 1755 wurde das Jagdschloss durch den Kurfürsten Clemens August nach Plänen des Hildesheimer Landbaumeisters Georg Ludwig Hoefer errichtet.
Am 19. Juni 1751 legte Freifrau Theresia von der Asseburg den Grundstein für das Schloss. Sie war die Ehefrau von Hermann Werner von der Asseburg, einem Günstling des Kurfürsten.

Ruthe 03

Clemens August Ferdinand Maria Hyazinth, Herzog von Bayern (1700-1761) war als Clemens August I. von 1723 bis 1761 Erzbischof von Köln und damit gleichzeitig Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches, Landesherr des zugehörigen Erzstiftes sowie der Nebenländer Recklinghausen und Westfalen. Außerdem war er Legat des Heiligen Apostolischen Stuhls zu Rom. Des Weiteren vereinte er die Ämter des Hochmeisters des Deutschen Ordens (1732-1761), des Fürstbischofs von Regensburg (1716-1719), Paderborn (1719-1761), Münster (1719-1761), Hildesheim (1724-1761) und Osnabrück (1728-1761) sowie andere kirchliche Würden in sich.
Der Nachwelt in Erinnerung blieb er als prunkliebender Rokokofürst, der eine prachtvolle Hofhaltung betrieb und zahlreiche Schlösser bauen oder umbauen ließ.

 

Ruthe 04

Hermann Werner Freiherr von der Asseburg (1702-1779) war kaiserlicher und kurkölnischer Geheimer Rat. 1751 wurde von der Asseburg kurkölnischer Staats- und Konferenzminister sowie Obersthofmeister. Des Weiteren war er fürstbischöflich-paderborner Obermarschall und Oberjägermeister, Drost zu Ruthe, Wewelsburg und Wonneberg.
Am Hofe des Kurfürsten war er maßgeblich für die kurfürstliche Politik verantwortlich. Er vertrat die französische und antihabsburgische Partei und fiel dabei bereits 1755 in Ungnade. Die Leitung der Politik übernahm der bisherige Staatssekretär Gottfried Josef von Raesfeld.

Dem Drosten Hermann Freiherr von der Asseburg war das Ruther Schloss Wohn- und Amtssitz. Für Kurfürst Clemens August und seinem Gefolge diente es als prunkvolle Herberge bei Jagden. Großformatige Fliesengemälde aus Wrisbergholzen mit Jagdszenen in blauer Bemalung auf weißem Grund, den Farben der Wittelsbacher, schmückten die Räume.

Das 19. Jahrhundert brachte für Ruthe eine große Wende. Mit der Säkularisation wurde aus der Amtsökonomie eine staatliche Domäne.

 

Ruthe 05
Jagdschloss Ruthe (© Sarstedter Geschichtsverein)

Am 14. Mai 1891 brach ein Feuer im Schloss aus und zerstörte es. Amtsrat Speichert war damals Pächter der staatlichen Domäne Ruthe.
Rudolf von Bennigsen, Oberpräsident der Provinz Hannover, bat den Architekturhistoriker und Hochschullehrer Professor Karl Albrecht Haupt, sich vor Ort davon zu überzeugen, „ob von der alten inneren Ausstattung von kunstgewerblichem Wert noch etwas zu retten sei.“
Professor Haupt entsprach der Bitte und berichtete „…das Schloss ist innen gänzlich ausgebrannt, so dass nur noch die Außenwände stehen nebst einigen Quermauern. Die größere Masse der Fliesen ist abgebrannt und verloren.“
In einer Veröffentlichung schrieb er aber später: „Ein im Jahr1891 eingetretenes bedauerliches Ereignis hat dem Leibnizhaus zu besonderem Schmuck verholfen. Das Schloss Ruthe bei Sarstedt zwischen Hannover und Hildesheim, ein Jagdschloss des Erzbischofs Clemens von Köln, des Erbauers von Schloss Brühl, brannte nieder. Es gelang mir, aus dem noch rauchenden Brandschutte die Scherben zweier Prachtöfen und der herrlichen Fliesentäfelung des Jagdsaales herauszuscharren und ihre Einverleibung in das Leibnizhaus zu erwirken. Fast 2 Jahre mühevollen Zusammensuchens dieser Scherben hat es bedurft, um die prächtigen Fliesenbilder wieder zusammenzufinden. Diese, wie die beiden ebenso mühevoll zusammengesetzten Öfen gehören sicher zu den glänzendsten keramischen Prachtstücken des Rococo in Deutschland.“ Deutsche Bauzeitung, Jahrgang XXIX., Berlin 1895.

 

Fliesentableaus aus Ruthe im Leibnizhaus in Hannover
Das historische Haus wurde 1499 als Wohnhaus einer Patrizierfamilie gebaut. Zu seinem Namen kam das Leibnizhaus im 19. Jahrhundert in Erinnerung an seinen berühmtesten Bewohner, den Philosophen und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz. Leibniz bezog 1698 hier sein Quartier, nachdem der hannoversche Kurfürst das Stadthaus angemietet hatte, um dort die Hofbibliothek und seinen Bibliothekar, Berater und Ahnenforscher unterzubringen. Leibniz lebte bis zu seinem Tod 1716 im Haus in der Schmiedestraße 10 in Hannover.
Als durch Professor Karl Albrecht Haupt um 1895 Fliesenbilder und Fayenceöfen in das Leibnizhaus kamen, war es Domizil des Kunstgewerbevereins zu Hannover.
Das prächtige und geschichtsträchtige Leibnizhaus wurde 1943 während des 2. Weltkrieges völlig zerstört und damit auch die Fliesenbilder und Fayenceöfen aus Schloss Ruthe.

Ruthe 06
Fliesengemälde und Fayenceofen aus Schloss Ruthe, ehemals im Leibnizhaus. (© Landeskonservator Hannover).

 

 

Fliesentableau aus Schloss Ruthe im Museum der Stadt Flensburg

Architekturhistoriker und Hochschullehrer Professor Karl Albrecht Haupt (1852-1932) verkaufte 1903 das Fliesenbild „Das Bestetten des Hirsches“ nach der Rettung aus der Ruine des Jagdschlosses Ruthe und einer Zwischenlagerung in Hannover an das Kunstgewerbe-Museum der Stadt Flensburg.

Ruthe 07
‚Das Bestetten des Hirsches‘ (© Gerd Remmer, Flensburg).

Vorlage für das Fliesengemälde war das Blatt „Das Bestetten des Edlen Hirsches mit dem Leithund“ aus der ersten Partie der großen Kupferstichfolge Johann Elias Ridingers „Vollkommene und gründliche Vorstellungen der vortreffliche Fürsten-Lust“, Augsburg 1729.

Ruthe 08
Kupferstich des Johann Elias Ridinger (1698-1767), Wikipedia.

 

Rückkehr des Fliesengemäldes nach Wrisbergholzen
Neben Beispielen von Zier- und Gebrauchsgegenständen, Fliesen und Bruchstücke von Ofenfliesen aus Fayence ist vor allem im kleinen Museum der Manufaktur ein Fliesengemälde zu bewundern, das unter anderen Fliesengemälden für das Jagdschloss des Kurfürsten Clemens August in Ruthe zwischen 1751 und 1755 in Wrisbergholzen hergestellt wurde. Vom Verein zur Erhaltung von Baudenkmalen in Wrisbergholzen wurde das bedeutende Kunstwerk aus der Zeit Rokoko erworben, in der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Hildesheim restauriert und 2014 am Ort seiner Entstehung aufgebaut.

Ruthe 09
(© Verein zur Erhaltung von Baudenkmalen in Wrisbergholzen)

 

Vergleich eines Details von Fliesengemälde und Kupferstich

Ruthe   Ruthe
10                                                                   11

 

Fliesentableau aus Schloss Ruthe im Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim

Ruthe 12
Seifenblasende Putti (© Roemer- und Pelizaeus-Museum, Foto: K. Freise)

Georg Carl Hermann Roemer (1816-1894), Senator im Magistrat der Stadt Hildesheim, hatte entscheidenden Einfluss auf die Gründung eines Museums in Hildesheim, das heute seinen Namen trägt. Er erwarb für sein Museum dieses bedeutende Fliesenbild aus dem 1891 völlig niedergebranntem Schloss Ruthe.
Farbe und Oberfläche der Großfliesen und auch die gemalten Rocaillen entsprechen denjenigen der Jagdbilder aus Schloss Ruthe. Abweichend von den Jagdbildern stellt es Seifenblasende Putti, als Zeichen der Vergänglichkeit, dar. Für die ehemalige Platzierung des Fliesengemäldes als Supraporte spricht das Format von 101 x 174 cm. Die eigentliche Bildfläche wird von sechs Großfliesen im Format 30,2 x 45,5 cm ausgefüllt. Sie wird umrahmt von zwölf Randfliesen im Format 19 x 34-35 cm und vier Eckfliesen.

 

Fliesentableaus aus Schloss Ruthe im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund
Das Museum Dortmund erwarb 1914 vom königlichen Baurat Professor Karl Albrecht Haupt (1852-1932) in Hannover sieben aus blau bemalten Großfliesen zusammengesetzte Fliesentableaus. Sie wurden im alten Museum in Dortmund ausgestellt.
Der Verkäufer teilte, wie damals im Kunsthandel üblich, nicht mit, woher die Fliesengemälde stammten. Die Verwaltung des Museums verzichtete damals auf Nachforschungen, da die Fliesengemälde in der Sammlung für Industrie und Handwerk als Vorbilder dienen sollten. Zudem behielt sich sein damaliger Direktor, Professor Albert Baum (1892-1934), ihre Publikation vor. Da diese Publikation nicht erschien, nahm die Fachliteratur von den Fliesentableaus bis 1968 nicht Notiz.
Im 2. Weltkrieg wurden zu Beginn des Luftkrieges die Fliesentableaus demontiert und ausgelagert.

Sonderausstellung „Kacheln und Fliesen“ in Schloss Cappenberg
Zur Sonderausstellung „Kacheln und Fliesen“, die das Museum im Jahre 1968 an seinem damaligen Sitz, Schloss Cappenberg, veranstaltete, wurden auch die Fliesengemälde im Terrassensaal des Schlosses ausgestellt. Zur Sonderausstellung erschien ein kleiner bebilderter Katalog.

 

Ruthe 13
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

Terrassensaal im Museum der Stadt Dortmund in Schloss Cappenberg mit den Fliesen aus Schloss Ruthe: Fliesengemälde ‚Falkenjagd‘, norddeutscher Fayenceofen und Fliesengemälde ‚Einsprung in den Tiergarten‘.
Das Fliesentableau ‚Falkenjagd‘ ist mit 2,58 x 6,65 m ungewöhnlich groß.

 

Ruthe 14
Falkenjunge aus dem Fliesengemälde ‚Falkenjagd‘
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

Die Fliesen messen ca. 30 cm im Quadrat.

 

Ruthe 15
Fliesengemälde ‚Parforcejagd‘ aus Schloss Ruthe in Schloss Cappenberg.
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

 

Ruthe 16
‚Parforcejagd‘(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

Das Fliesentableau hat die Maße 2,58 x 4,17 m.
Die weiße Neuverfugung wirkt sich störend auf den Gesamteindruck aus, da sie jede Einzelfliese betont.

 

Ruthe 17
Detail aus dem Fliesengemälde ‚Parforcejagd‘, Abbildung 16.
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

 

Ruthe 18
‚Ausritt zur Jagd‘, Fliesenbild aus Schloss Ruthe.
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

 

Ruthe 19
Fragment eines Fliesengemäldes aus Schloss Ruthe
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

 

Falkner zu Pferd in der Ausstellung ‚Kacheln und Fliesen‘ in Schloss Cappenberg im Jahr 1968. Das Fragment der Reitergruppe aus sechs Großfliesen misst 0,90 x 0,60 m.

Ruthe 20

Ruthe 21

Fliesentableaus ‚Bockskopf- und Löwenvase auf Postamenten‘ aus Schloss Ruthe.
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

 

Ruthe 22
Rückseite einer Großfliese im Format 30 x 30 cm aus Schloss Ruthe.
(© Museum für Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Dortmund, Ursula Haustein)

Deutlich ist zu sehen, dass zur Stabilisierung der Fliese bei Trocknung und Brand aufgebrachte Stege vor dem Ansetzen abgeschlagen wurden.

 

Ausstellung der Fliesentableaus ‚Parforcejagd‘, ‚Ausritt zur Jagd‘ und ‚Falkenjagd‘ im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund.

Ruthe 23
Fliesensaal im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte Dortmund (© MKK, Jürgen Spiler)

 

Links das Fliesengemälde ‚Parforcejagd‘, in der Mitte ‚Ausritt zur Jagd‘ und rechts ‚Falkenjagd‘.

Ruthe 24
Detail des Fliesentableaus ‚Ausritt zur Jagd‘ (© MKK, Jürgen Spiler)

 

 

Erläuterungen zu den Fliesentableaus auf einer Tafel rechts neben dem Fliesentableau ‚Ausritt zur Jagd‘.

Fürstliche Repräsentation - Der Fliesensaal
„Die Fliesen sind Rest der Raumausstattung eines Saales im Jagdschloss Ruthe, das der Kurfürst Clemens August 1751 erbauen ließ. Das Bildprogramm veranschaulicht nach Stichen von Elias Ridinger (1698-1767) die Jagdarten, die in Ruthe gepflegt wurden. Dabei galt die Falkenjagd als die schwierigste. Man verstand sie als Sieg des menschlichen Geistes über das Tier, aber auch über das Element Luft. Clemens August (1700-1761) war durch Anhäufung weltlicher und kirchlicher Ämter einer der reichsten Fürsten seiner Zeit und typischer Vertreter des Absolutismus. Bildliche Darstellungen zeigen ihn als Bischof, Kurfürst, Falkenjäger. Die Fayence-Fliesen aus der Zeit um 1750 sind einmalige Sonderanfertigungen der Manufaktur Wrisbergholzen. 1891 brannte das Schloss ab. 1914 gelangten Teile des Fliesensaales durch Kauf in das Museum.“

 

Ruthe 25
Fliesengemälde ‚Parforcejagd‘ (© MKK, Madeleine-Annette Albrecht)

 

Ruthe 26
Detail des Fliesengemäldes ‚Parforcejagd‘ (© MKK, Madeleine-Annette Albrecht)

 

Ruthe 27

Johann Elias Ridinger ‚Die Parforcejagd‘, Radierung 1729. Vorlage für Abbildung 25.

 

Danksagung
Mein Dank gilt allen Personen und Institutionen aus Dortmund, Hannover, Flensburg, Hildesheim, Sarstedt und Wrisbergholzen, die mir Bildmaterial und Informationen zur Verfügung stellten.
Jan Pluis stellte mir Bildmaterial aus Schloss Cappenberg zur Verfügung.
Mein Sohn Norbert bearbeitete und veröffentlichte den Bericht.

 

Verein zur Erhaltung von Baudenkmalen in Wrisbergholzen
www.baudenkmale-wrisbergholzen.de
Roemer und Pelizaeus Museum Hildesheim
www.rpmuseum.de
Museum für Kunst und Geschichte Dortmund
www.dortmund.de/mkk