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Meereswesen auf Fliesen
im Nederlands Tegelmuseum Otterlo

 

 

 

Das Niederländische Fliesenmuseum in Otterlo in der Veluwe (Provinz Gelderland) beherbergt eine der größten Sammlungen niederländischer Einzelfliesen und Fliesenbilder.
Die Sammlung umfasst über 10.000 Objekte, von denen nur ein Teil dauerhaft ausgestellt ist. Das Museum bietet umfassende Informationen zu den Techniken der Formgebung, des Brennens und Bemalens von Fliesen sowie zur historischen Entwicklung niederländischer Fliesen.
Die Sammlung beinhaltet eine große Anzahl Fliesen mit Darstellungen von Meereswesen.
Mein Bericht beschränkt sich auf eine Auswahl Fliesen, die in der Zeit des frühen 17. Jahrhunderts gefertigt wurden.

 

Polychrom bemalte Fliesen (blau, orange-gelb, grün, braun und violett)
Um 1500 zogen Töpfer aus Castel Durante (Herzogtum Urbino) nach Antwerpen, einem der damals wichtigsten Seehäfen Europas sowie einer bedeutenden Kunst- und Kulturstadt. Bekanntester der eingewanderten Töpfer war Guido di Savino, in Antwerpen als Guido Andries bekannt. Er bildete seine Söhne und viele weitere Töpfer in der farbenfrohen Majolika-Technik aus. 1576 wurde Antwerpen von spanischen Soldaten geplündert, dann 1585 von den Habsburgern belagert und eingenommen. Viele Töpfer flohen von Antwerpen in den Norden in die sogenannten Vereinigten Provinzen. Sie gründeten Werkstätten in Haarlem, Amsterdam, Rotterdam, Utrecht und Delft.
Ihre Gebrauchs-, Zierkeramik und Fliesen mit Zinnglasur und polychromer Bemalung fanden großen Absatz.


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© Tegelmuseum Otterlo DK 00201 - 131 x 130 x 11 mm

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© Rijksmuseum Amsterdam, RP-P-OB-32.149, 352x358 mm.

Jan Harmensz. Muller nach Entwurf von Cornelis Cornelisz. van Haarlem, Herausgeber: Harmen Jansz. Muller, 1589.

Unter dem Bild zwei zweizeilige Verse in Latein und in der Mitte das Motto des Schriftstellers Hendrick Laurensz Spieghel.

* Arion war ein griechischer Sänger und Dichter im 7. Jahrhundert v. Chr. Er stammte aus Mithymna auf Lesbos, verbrachte aber einen großen Teil seines Lebens als Künstler am Hof des Tyrannen Periander von Korinth, wo er zu großem Ruhm und Reichtum gelangte. Um seinen Ruf auch in fremden Ländern zu mehren, besuchte Arion Sizilien, wo er zum umjubelten Sieger eines Sängerwettstreites wurde und sich mit Reichtümern überhäuft auf die Heimreise machte. Seine Schätze weckten den Neid der Schiffsleute, die ihn vor die Wahl stellten, über Bord zu springen oder ermordet zu werden. Allerdings gewährten sie seinen Wunsch, ein letztes Lied zu singen. Als Arion seinen Gesang anstimmte, erschien bald eine Gruppe Delphine beim Schiff, danach stürzte der Sänger sich in die Fluten. Einer der Delphine trug Arion auf seinem Rücken, bis er wohlbehalten das Land erreichte und seine Heimreise nach Korinth fortsetzen konnte.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 08514 - 129 x 129 x 12 mm

Kentaurenfrau mit Fang in der Hand.

* Sie ist ein Mischwesen mit menschlichem Oberkörper, den Vorderbeinen eines Pferdes und schuppenbedecktem Fischschwanz.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00962 – 115 x 117 x 14 mm

Ein Triton bläst auf seinem Schneckenhorn (Tritonshorn), mit dem er das Meer aufwühlen und wieder beruhigen kann.

* Tritonen sind Begleiter und Diener von Neptun, die mit Nereiden, als weibliche Begleiter, neben seinem Wagen schwimmen und auf Schneckenhörnern blasen. Sie haben menschliche Oberkörper und Unterleibe wie Fische. Ihr Haar ist blau und ihr Unterleib schuppig.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00963 – 130 x 127 x 10 mm

Kentaurenfrau mit menschlichem Oberkörper, den Vorderbeinen eines Pferdes und schuppenbedecktem Fischschwanz.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00964 – 125 x 128 x 12 mm

Meerfrau und Meermann mit Schneckenhorn in blaugrüner See.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 13606_1/2 – 132 x 258 x 15 mm

Meermann mit Paddel und Spiegel.
* Die Fliese 1 wurde im Jahr 2000 beigearbeitet.

 

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© Tegelmuseum Otterlo DK 00184 – 131 x 132 x 15 mm

Seepferd in ungewohnter Farbgebung.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 05147 – 129 x 129 x 11 mm

Vorderteil einer Meereskuh. Die Vorderhufe sind als Schwimmflossen ausgebildet.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00944 – 91 x 180 x 15 mm

Delphin an einer Muschel.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00965 – 132 x 262 x 10 mm

Delphin mit Beute.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 02137 – 130 x 258 x 12 mm

Meereskuh in blaugrüner See.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 13606_3 – 131 x 131 x 12 mm

Cupido mit Bogen und Pfeilen auf einem Delphin reitend.

* Cupido ist ein halbwüchsiger nackter Knabe. Er trifft zum Beispiel mit seinen Pfeilen ins Herz und erweckt damit die Liebe.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 13606_4 – 128 x 128 x 12 mm

Cupido mit Geldbeutel auf einem Delphin über grünblauen Meereswellen reitend.

 

 

 

Wechsel zu blau bemalten Fliesen
1602 wurde die Niederländische Ostindien-Kompanie (Verenigde Oost-Indische Compagnie VOC) gegründet. Neben Gewürzen und anderen gewinnbringenden Gütern gehörte auch Porzellan zum Sortiment der VOC. Das stand im Kontrast zu den in den Niederlanden weit verbreiteten, schlichten Keramiken aber auch zu aufwendigen Majolika-Arbeiten. Porzellan war deutlich härter, wies einen hohen Glanz auf, wurde dünn gebrannt, und die chinesischen Dekorationen in Unterglasurblau auf dem strahlend weißen Grund waren ein echter Blickfang und regten die Fantasie an.
Die Versteigerung von Porzellan, das von zwei erbeuteten portugiesischen Schiffen, der São Tiago 1602 in Middelburg und der Santa Catalina 1604 in Amsterdam, stammte, markierten einen Wendepunkt. Plötzlich stand kaufkräftigen Personen chinesisches Porzellan zur Verfügung. Die Produktion von Porzellan war in den Niederlanden technisch noch nicht möglich.
Für die breite Masse der Bevölkerung wurde Ersatz für Porzellan gefunden.
Niederländische Keramikwerkstätten ersetzten in zunehmendem Maße polychrome durch blaue Bemalung auf Zinnglasur. Ihre Steingutprodukte, darunter Fliesen, waren für die Menschen in den Städten und später auch auf dem Land erschwinglich.

Nach ursprünglichem Einsatz als Sockelfriese weitete sich der Einsatz von Fliesen bald auf größere Wandbereiche aus. Damit begann die Verzierung von Fliesen mit Eckornamenten.

 

Fliesen mit dem Eckmotiv „spin“

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© Tegelmuseum Otterlo 00953 – 132 x 132 x 11 mm

Venus mit zwei Nereiden in einem Muschelgefährt, von einem Seepferd über das Meer gezogen.

* Venus ist die römische Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit.
Der Delphin ist das ihr beigeordnete Tier. Er gilt als Symbol für Liebe und menschenfreundliches Verhalten.
* Nereiden sind Nymphen des Meeres. Sie beschützen Schiffbrüchige und begleiten Seeleute. Mehrfach nehmen sie Anteil am Schicksal von Menschen und Göttern. Sie wohnen in Höhlen am Grund des Meeres und sind Begleiterinnen des Gottes Poseidon. Auf vielen Darstellungen reiten die Nereiden auf dem Rücken eines Delphins. Es sind Frauen, die im Gegensatz zu Meerjungfrauen keine Fischschwänze haben.
* Wahrscheinlich wurde diese Fliese in Delft gefertigt, denn sie hat das besondere Eckmotiv „rozetspin“, ein Spinnenmotiv mit acht Punkten.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 01108 – 131 x 132 x 11 mm

Neptun mit Dreizack wird in einem Muschelwagen von einem Seepferd über das Meer gezogen.

* Neptun, Bruder von Jupiter und Pluto, erhielt gemäß Mythologie bei der Aufteilung der Welt Meere, Flüsse und Seen. Sein Attribut ist der Dreizack, eine altertümliche Stichwaffe. Mit dem Dreizack konnte Neptun sein Reich verteidigen und Erdbeben auslösen.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 01109 – 129 x 129 x 14 mm

Speiender Triton mit jungem Robben und Cupido mit Kranz.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 01119 – 129 x 128 x 13 mm

Fortuna auf einer Kugel in einer Muschel, mit beiden Händen ein Segel haltend und von einem Delphin über das Meer gezogen.

* Fortuna ist die Glücks- und Schicksalsgöttin der griechischen Mythologie. Eines ihrer Attribute ist eine rollende Kugel.

 

Fliesen mit dem Eckmotiv „ossekop“

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© Tegelmuseum Otterlo 00790 – 133 x 131 x 11 mm

Seebock mit Fischschwanz.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00795 – 127 x 125 x 9 mm

Nereide mit Krug auf einem Delphin reitend.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00798 – 125 x 126 x 9 mm

Bärtiger Meermann von einem Pfeil getroffen.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00800 – 125 x 125 x 10 mm

Meerjungfrau mit einem Kurzschwert in der Rechten.

* Meerjungfrau, auch Seejungfrau oder Fischweib, ist ein weibliches Fabelwesen, ein Mischwesen aus Frauen- und Fischkörper. Sie lebt nach Legenden und Aberglauben im Meer und anderen Gewässern. Männliches Gegenstück ist der Meermann oder Wassermann.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00801 – 128 x 126 x 10 mm

Cupido mit brennender Fackel reitet auf einem Delphin.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00803 – 127 x 127 x 10 mm

Meerjungfrau schüttet einen Krug aus.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 00805 – 126 x126 x10 mm

Venus Marina sitzt auf einer Kugel in einer Muschel. Mit beiden Händen hält sie ein Segel.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 03660 – 123 x129 x 10 mm

Ein Cupido mit Fackel reitet rücklings auf einem Delphin. Auf der Schwanzflosse des Delphins steht ein kleiner Cupido mit Zweizack.

 

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© Tegelmuseum Otterlo 03888 – 127 x 128 x 10 mm

See-Einhorn mit dreifachem Schwanzende.

* Das Einhorn ist ein Fabelwesen von Pferdegestalt mit einem geraden langen Horn auf der Stirnmitte. Es gilt als das edelste aller Fabeltiere und steht als Symbol für das Gute.

 

 

 

Benutzte Literatur
D.F. Lunsingh Scherleer, Zeewesens op tegels, Lochem 1970
Jan Pluis, De Nederlandse Tegel. Decors en benamingen 1570-1930, Leiden 1997
Jan Pluis & Reinhard Stupperich, Mythologische voorstellingen op Nederlandse tegels, Leiden 2011
Wikipedia

 

Danksagung
Herrn Dr. Johan Kamermans, Kurator des Nederlands Tegelmuseum, sage ich Dank für seine Genehmigung das Bildmaterial in diesem Bericht zu veröffentlichen.
Meinem Sohn Norbert danke ich für Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.

 

Nederlands Tegelmuseum
Eikenzoom 12
6731 BH Otterlo
+31 (0)318 591 519
www.nederlandstegelmuseum.nl
info@nederlandstegelmuseum.nl

Sammlung:
https://www.collectiegelderland.nl/organisaties/nederlandstegelmuseum

Anreise mit dem Auto
In den Niederlanden: A1, A50 oder A12, Richtung Ede, Otterlo.
Anreise mit dem Zug
Von den Bahnstationen Apeldoorn, Arnhem und Ede/Wageningen fahren Busse.
Die Bushaltestelle liegt in direkter Umgebung des Museums.