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Mahlzeit auf einer Terrasse.
Rijksmuseum, Amsterdam
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Tanzendes Paar auf einer
Terrasse. Museu Nacional de Azulejo, Lissabon
Fliesengemälde des Willem van der
Kloet im Palácio Galvão Mexia
Die Tableaus stammen aus
dem Palácio Galvão Mexia, der bis 1899 in der Lissaboner Bairro
Alto im Stadtteil Encarnação in der Rua dos Mouros, nahe dem
Convento de São Pedro de Alcântara, stand.
Am 1. November 1755 führte
das Erdbeben von Lissabon in Verbindung mit einem Großbrand und
einem Tsunami zur nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt. Der
Palácio Galvão Mexia überstand diese Katastrophe
erstaunlicherweise relativ unbeschädigt, wurde aber nach mehreren
Besitzwechseln und Benutzung als Erholungsheim 1899 abgerissen.
In einem Artikel der
Zeitschrift Diário de Notícias vom 11 Juli 1894 beschrieb der
Kunsthistoriker Francisco Marques de Sousa Viterbo im Artikel
‚Azulejos Preciosos’ die Fliesenarbeiten im Palast wie folgt:
„ Im Treppenhaus und einigen Sälen findet man sehr schöne
Fliesengemälde in blauer Bemalung auf weißem Grund. Es sind
interessante und sorgfältig gemalte Szenen. Die Wandbekleidungen im
Treppenhaus zeigen spielende Kinder, die in den Sälen Tanz-, Musik-
und häusliche Szenen. Aber die schönsten sind in der Hauskapelle
zu bewundern. Es sind Szenen aus dem Leben Jesu. Es scheint mir,
dass sie alle aus gleicher Werkstatt und aus gleicher künstlerischer
Quelle stammen, denn bei den Fliesengemälden der Kapelle findet man
die Signatur ‚Willem van der Kloet fec.’ Es war wohl ein Holländer
oder Flame.“
Weitere Hinweise auf den
Palast und die Fliesenarbeiten findet man vom gleichen Autor in
seinem Handbuch "Notícias de Alguns Pintores" (Lisboa
1903). Francisco Marques de Sousa Viterbo schrieb darin, dass die
Fliesengemälde aus dem Palácio Galvão Mexia vor dem Abriss
ausgebaut wurden, am 10. Juli 1899 in eine Versteigerung kamen, aber
keinen Käufer fanden.
Einen weiteren Hinweis
auf die Fliesengemälde aus dem Palácio Galvão Mexia findet man
bei Vergilio Correia "Azulejadores e Pintores de Azulejos em
Lisboa in Aguia" N° 77-78, 1918. Er ergänzte, dass
einige Fliesengemälde in den Besitz der Kunstsammler Adriano Julio
Coelho und Alfredo Keil kamen.
Mahlzeit auf einer
Terrasse
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Rijksmuseum Amsterdam,
Inventurnummer BK-1955-86
Tableau aus 13 x 33 = 429 Fliesen
Der Weg des
Fliesengemäldes von Lissabon nach Amsterdam
Die niederländischen
Fliesenforscher Kees Boschma und Pieter Jan Tichelaar versuchten den
Weg des Tableaus von Lissabon bis Amsterdam nachzuvollziehen. Sie
kamen zu folgendem Ergebnis:
Aus unbekanntem Besitz
und zu unbekanntem Zeitpunkt verließ dieses Tableau mit weiteren
Fliesengemälden des Willem van der Kloet, die bis 1899 Wandflächen
im Palácio Galvão Mexia in der Lissaboner Rua dos Mouros zierten,
Portugal.
Sie befanden sich nach
dem Ende des 2. Weltkrieges in der Benediktinerabtei Saint-Paul in
Wisques im Department Pas-de-Calais. Die in Kisten verpackten
Fliesen wurden in den fünfziger Jahren für einen geringen Betrag
an den Antiquar Deene nach Gent verkauft. Von dort kam das
Fliesengemälde mit der Darstellung ‚Mahlzeit auf einer
Terrasse’ in den Besitz des Amsterdamer Antiquars Morpurgo, der es
1955 dem Rijksmuseum Amsterdam verkaufte.
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Eine vornehme
Gesellschaft tafelt auf einer Terrasse. Die Kleidertrachten weisen
auf die Zeit um 1685 bis 1715 hin.
Zuschreibung der
Fliesengemälde in Lissabon und Amsterdam
Vergleicht man die
kobaltblaue Bemalung auf weißem Grund der beiden Tableaus mit
signierten Arbeiten in der Kirche in Nazaré und aus der Kapelle des
Palácio Galvão Mexia in Lissabon, so ist die Zuschreibung an
Willem van der Kloet möglich.
Markante Merkmale in
Arbeiten des Willem van der Kloet:
- karakteristische Ausführung der Rinde an Baumstämmen
- Blätter an Bäumen sind wie Schlingen gemalt
- horizontal verlaufende Wolkenpartien sind strichartig und wenig
ausgeprägt in einen Punkt auslaufend
gemalt.
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Das Fugenbild der sorgfältig
gemalten Marmorplatten hebt im Bodenbereich das sonst störende
Fugenbild des Fliesentableaus auf.
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Über den Fenstern
findet man die Inschrift ANNO 1707. Dies ist ein Hinweis auf das
Lieferdatum der Fliesengemälde für den Palácio Galvão Mexia nach
Lissabon.
Die Lieferungen der
Fliesenkompositionen für die Kirche Nossa Senhora de Nazaré
erfolgten übrigens gemäß Bauunterlagen zeitnah in den Jahren 1708
und 1709.
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Zu beachten ist der
meisterhafte Pinselstrich des in Inglasurtechnik erbrachten
Fliesengemäldes und die Ausarbeitung von Details.
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Bei den in eine
Konversation vertieften Personen fallen die zeitgenössischen
Haartrachten auf. Der Herr trägt eine Allongeperücke. Ludwig XIV.
ernannte sie 1673 zur Staatsperücke, wonach sie in ganz Europa
Verbreitung fand. Um 1730 kam sie mit Ausnahme von Amtstrachten völlig
außer Gebrauch und wurde durch kürzere Haarformen abgelöst.
Die Dame ziert eine
Fontange, eine hohe, über einem Gestell aus Draht aufgebaute Haube.
Diese Haartracht wurde etwa von 1685 bis 1715 getragen. Der Name
bezieht sich auf eine Maitresse Ludwigs XIV., die Herzogin von
Fontanges.
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Eine farbige Dienerin
bildet den Abschluss der Personengruppe.
Tanz auf der Terrasse
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Museu Nacional do
Azulejo, Lisbo
Inv.n° 1680, 170 x 400 cm
Das Fliesengemälde besteht aus 13 x 31 = 403 Fliese
Es kam aus der Sammlung des Herrn Silverio Cardoso in den Besitz des
Lissaboner Fliesenmuseums.
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Linke Hälfte des Fliesengemäldes, auf hölzernen
Grund aufgebracht, im Depot des Museu Nacional do Azulejo in
Lissabon.
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Dame mit Kind als
Beobachter der Tanzszene.
Die Fliesen weisen
erhebliche Beschädigungen und deutlich sichtbare Nachbesserungen
auf.
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Ein Kind sitzt auf der
Brüstung einer Terrasse neben einer Prunkvase und weist auf eine
Tanzszene hin.
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Ein Musikant spielt zum
Tanze auf.
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Tanzendes Paar auf einer
Terrasse.
Die Dame trägt als Kopfschmuck eine Fontange, der Herr eine
Allongeperücke.
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Dame mit graziösem
Tanzschritt.
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Portrait der Dame.
Fliese im Originalformat von 132 x 132 mm.
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Tanzender Herr mit
Allongeperücke und Dreispitz.
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Dame, Herr und Kind sind
in der Art gekleidet, wie sie vor allem in Frankreich in
entsprechenden Kreisen um 1685 bis 1715 in Mode war.
Selbst das kleine Mädchen trägt eine aufwendige Fontange, die dem
Kind mit Sicherheit keine Möglichkeit zu ausgelassenen Bewegungen
gab.
Literatur für die
Fliesentableaus
J.M. dos Santos Simões:
Carreaux céramiques Hollandais au Portugal et en Espagne (La Haye
1959)
‘Willem van der Kloet
en het tableau met een hertejacht’ in: Vormen uit Vuur.
Mededelingenblad Nederlandse vereniging van vrienden van ceramiek en
glas (1992/1)
Tichelaar Makkum:
‘Willem van der Kloet en het tableau met een hertejacht’ (Makkum
1992)
Museu Nacional do
Azulejo: ’Os azulejos de van der Kloet em Portugal – Van der
Kloet tiles in Portugal’ (Lisboa 1994)
Literatur für die
Mode
Wikipedia
Bildnachweis
03, 11 und 12 Fotoarchiv
Rainer Marggraf
Bildbearbeitungen des
Verfassers
Links in Sachen
‚WILLEM VAN DER KLOET’
Mythologische
Darstellungen auf Amsterdamer Fliesentableaus
www.geschichte-der-fliese.de/klomy.html
Willem van der Kloet
und das Fliesengemälde einer Hirschjagd
www.geschichte-der-fliese.de/klohi.html
Zwei Fliesengemälde
des Willem van der Kloet im Museum Nogueir da Silva in Braga
www.geschichte-der-fliese.de/klobra.html
Acht Fliesengemälde
mit Szenen aus dem Leben Jesu der Amsterdamer Werkstatt des Willem
van der Kloet
www.geschichte-der-fliese.de/kloet.html
Fliesengemälde des
Willem van der Kloet aus Amsterdam in der Kirche Nossa Senhora da
Nazaré / Portugal
Tegeltableaus van Willem
van der Kloet uit Amsterdam in de kerk Nossa Senhora da Nazaré in Sítio
(Nazaré) in Portugal
Tile panels made in
Amsterdam by Willem van der Kloet in the church of Nossa Senhora da
Nazaré / Portugal
Igreja et Santuário de
Nossa Senhora da Nazaré os azulejos de Willem van der Kloet
http://www.geschichte-der-fliese.de/nossa_senhora.html
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