01
Aushangzeichen
des Restaurants am Kalverringdijk in Zaandam
02
Fassade
des Restaurants ‘de hoop
op de Swarte Walvis‘
Der
harmonisch aussehende Gebäudekomplex besteht aus drei Gebäudeteilen,
die in den sechziger Jahren auf der Zaanse Schans zu einem neuen Gebäude
zusammengefügt wurden. Es handelt sich um ein Waisenhaus aus
Westzaan von 1717, ein Kaufmannshaus aus dem 19. Jahrhundert von der
Ostseite von Zaandam und ein ehemaliges Lagerhaus für Ausrüstung
von Walfängern aus Koog aan de Zaan.
Das
Waisen- und Armenhaus stand in Westzaan an der Lambert Meliszstraat.
Es wurde 1955 abgebrochen, um einem Neubau eines Altenheims Platz zu
machen. Bei der Überführung von Bauteilen zum Kalverringdijk in
Zaandam stellte sich heraus, dass mehrere Teile zum Wiederaufbau
unbrauchbar waren. Sie wurden sorgfältig vermessen und ersetzt.
Original sind unter anderem die Steine des Giebels, ein Großteil
der Holzelemente und die Innentüren.
Im
Haus wurden viele Teile verarbeitet, die aus abgebrochenen Häusern
an der Zaan stammen, darunter Wandfliesen des 18. Jahrhunderts in
unterschiedlichen Bereichen, mehrere Fliesentableaus und vor allem
der offene Kamin (smuiger) im Restaurant (‘Regentenkamer‘).
Das
Restaurant ‘de hoop op de Swarte Walvis‘ wurde am 7. Oktober
1966 festlich eröffnet. Viele hochgestellte Persönlichkeiten,
darunter Königin Juliana, Königin Beatrix, Prinz Willem-Alexander,
Prinzessin Maxima und Michail Gorbatschow besuchten das Restaurant
seit dieser Zeit.
03
Eingang
zum Restaurant
Am
1. Januar 1994 wurde das Gebäude durch einen Brand beschädigt. Vor
allem nahm der Saal ‚Weesmeester‘
auf der 1. Etage Schaden. Alle Fliesentableaus blieben zum Glück
unbeschädigt. Die Restaurierungsarbeiten nahmen neun Monate in
Anspruch.
Fliesentableau
im Eingangsbereich
04
Fliesentableau
im Eingangsbereich des Restaurants
05
Tableau
‘Moses wird von der Tochter des Pharao gefunden‘, 9x5 Fliesen,
Rotterdam, 1765-1790
Dieses
Tableau schreibe ich der Werkstatt ‘De Bloempot‘ Schiedamsedijk
/ Leuvehaven zu. Es wurde in der Zeit gefertigt, als die Brüder Jan
Aalmis jr. (1714-1799) und Jan Bartolomeus Aalmis (1725-1786) die
bekannte Rotterdamer ‘tegelbakkerij‘ leiteten.
Das
Museum Rotterdam besitzt ein identisches Fliesengemälde (invnr.
5009).
Grafische
Vorlage für das Fliesentableau
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Stich
aa 1 Joseph Wagner, Venedig 1764, nach Jacopo Amigoni (1675-1752),
50,5x34 cm.
Grafische Sammlung der Veste Coburg
Exodus
2:5.6 Und die Tochter des
Pharao ging hinab und wollte im Nil baden, und ihre Gespielinnen
gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah,
sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. Und als sie es auftat,
sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es
sie und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.
Smuiger im
Restaurant
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‘Smuiger‘
Der
‘smuiger‘ ist ein
besonderer Kamintyp, der in Nord-Holland von der Zaanstreek (nördlich
von Amsterdam) bis nach Westfriesland vorkommt und um 1700 entstand.
Der Rauchfang ruht auf einem im Mauerwerk verankerten, mit Messing
umkleideten, Boseneisen. Neben der Feuernische sind Seitenstücke
vorgesetzt und mit profilierten Holzbrettern abgedeckt.
Feuerraum
08
Der
Feuerraum ist mit Ornamentfliesen ausgekleidet.
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Servetster
(DNT A.01.05-45)
DNT = Jan Pluis, De
Nederlandse Tegel Decors en benamingen 1570-1930, Leiden 2013,
10
Diagonaldekor ‘Servetster‘.
Das größere Eckmotiv bildet das Zentralmotiv von jeweils vier
Fliesen.
Linkes
Seitenteil neben dem Feuerraum
11
Unterer
Bereich des linken Seitenteils
12
Sockel
aus vier Fliesen (DNT A.14.06.55 Slingerdecor ‘Hele
steenslijst‘)
Rechtes
Seitenteil neben dem Feuerraum
13
Rechtes
Seitenteil neben dem Kaminraum
Am
linken und rechten Seitenteil findet man jeweils 7 x 4= 28
Bibelfliesen.
DE HOOP -
Die Hoffnung -
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Allegorische
Darstellung der Hoffnung auf drei Fliesen links neben der Kaminhaube
Die
allegorische Darstellung der Hoffnung ist hier Basis für eine auf
Fliesen gemalte Kupidosäule.
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Im
Portal hält eine Frau einen Anker und trägt eine Taube auf ihrer
Rechten
DE LIEFDE
– Die Liebe –
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Allegorische
Darstellung der Liebe auf drei Fliesen rechts neben der Kaminhaube
Die
allegorische Darstellung der Liebe ist hier Basis für eine auf
Fliesen gemalte Kupidosäule. Bibelfliesen, Basis und Kupidosäule
werden umrahmt von Randfliesen der Art DNT A.14.06.15 ‘Cupidorand‘.
Bibelfliesen
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Bibelfliesen
der Art ‚Historie met tekst
in cirkel; hoekmotief anjer‘
Manganbraun
gemalte Darstellungen, mit Text im Kreis und dem Eckmotiv
‘Nelke‘, gehörten zu den teuersten Fliesentypen. Nur reiche
Kaufleute, Kapitäne und Bauern konnten sich Kamine oder Wände mit
Bibelfliesen als Statussymbol leisten. Käufer waren Personen
verschiedenster Religionsgemeinschaften. Es gab im 18. Jahrhundert
Regionen, in denen besonders starke religiöse Tendenzen
festzustellen waren. Dazu gehörte das Gebiet an der Zaan nördlich
von Amsterdam. Dort wohnten viele Doopsgezinden, die Bibelfliesen
als bildliche Unterstützung der religösen Unterweisung nutzten. Es
kam hier beides zusammen, religiöses Interesse und Wohlstand.
Bibelfliesen waren neben dem gesprochenen und geschriebenen Wort
Grundlage für die tägliche Auseinandersetzung mit Bibeltexten.
So
heißt es in einem 1639 veröffentlichten Hausbuch von Willem
Teelinck:
„alsdan
so versamelde het gantsche huysgesin, jonch en out, en
lasent’samen een capittel vervolgens uyt de H. Schrift; alsoo
bereyt zijnde doorhet lesen des Woorts, riepen sy eendrachtelyk met
ghebogen knyen dennaem des Heeren aen; daerna aen tafele […],
spraken sy t’samen van hetgene een yder uyt het capittel bemerckt
hadde […]; na den eten songensy t’samen eenen Psalm, dan keerde
sich een ygelijck wederom tot synwerck.“
„Sodann versammelten sich alle Hausbewohner, die Jungen und die Alten und
lasen zusammen ein Kapitel aus der Heiligen Schrift; so vorbereitet
durch das Lesen des Wortes, riefen sie auf Knien andächtig den
Namen des Herrn an; danach bei Tisch […] besprachen sie was jedem
in diesem Kapitel aufgefallen war […]; nach dem Essen sangen sie
zusammen einen Psalm, dann gingen sie unverzüglich wieder ihrer
Arbeit nach.“
Alter der Amsterdamer Bibelfliesen am offenen Kamin (smuiger) im Restaurant
Die
Amsterdamer Bibelfliesen stammen eindeutig nicht von einem
kompletten Kamin, der zur Zaanse Schans überführt wurde. Es wurde
hier auf Vorräte zurückgegriffen.
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Alleine
auf Abbildung 18 sind Fliesen aus verschiedenen Herstellungszeiten
zu erkennen. Die ältesten sind die mit den Ziffern 1 und 2
bezeichneten Fliesen. Sie stammen aus der Zeit um 1720-1730. Die
Fliese mit der Ziffer 3 wurde etwa 1750 gefertigt. Die Fliesen in
der oberen Reihe sind noch jünger; sie stammen aus der Zeit um
1770-1790.
Grafische
Vorlagen für die Bibelfliesen
Für
die Bibelfliesen am offenen Kamin (smuiger) im Restaurant dienten
insgesamt Kupferstiche des Pieter H. Schut als Vorlagen.
19
In
den ‘BYBELSCHE HISTORIEN‘ gibt es für das Alte Testament 192
und für das Neue Testament 144 Kupferstiche.
Grafische
Vorlagen für die nummerierten Fliesen 1-7
in Abbildung 18:
1
|
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Altes
Testament
Genesis 2:7
Die Erschaffung des Menschen
Adam
im Paradies
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2
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|
Neues
Testament
Matthäus 27:29
Verspottung Jesu und Dornenkrönung
|
3
|
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Altes
Testament
Genesis 22:9-13
Abraham opfert seinen Sohn Isaak
|
4
|
|
Neues
Testament
Matthäus 25:35
Ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben
|
5
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Neues
Testament
Lukas 7:37, 38
Jesus von einer Sünderin gesalbt
|
6-7
|
|
Altes Testament
Job 1:5
Jobs Brandopfer
|
Die
Kaminhaube
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Die
Vorderansicht der Kaminhaube besteht aus 8x5 Bibelfliesen über
einem Tableau im Format von 4x5 Fliesen und
5 Bibelfliesen unter dem Tableau, insgesamt umrahmt von Randfliesen.
Die seitlichen Abschrägungen bestehen jeweils aus einer Reihe von
12 Fliesen.
21
Linke
Seite des Übergangs von Haube, Seitenfläche und Deckenanschluss in
handwerklich hervorragender Ausführung
22
Rechte
Seite des Übergangs von Haube, Seitenfläche und Deckenanschluss
Die
Bibelfliesen werden begrenzt von Randfliesen und die Wandfläche
durch eine Kupidosäule mit Randfliesen.
Fliesentableau
‘Das salomonische Urteil‘
23
Vorderansicht
der Kaminhaube mit dem Tableau ‘Das salomonische Urteil‘
Der
smuiger mit dem
Fliesentableau ‚Salomo’s oordeel‘ stand in einem Haus am
Hellingpad in Koog a/d Zaan.
Im Jahr 1912 wurde das Haus abgebrochen um Platz für die
Maschinenfabrik P.M. Duyvis & Co. zu machen.
Der smuiger wurde
abgebrochen und die manganfarbenen Bibelfliesen mit dem Eckmotiv
‘Nelke‘ und das Fliesentableau in einer großen Kiste auf dem
werkseigenen Speicher ‘Leeuwarden‘ deponiert. Die Direktion der
Maschinenfabrik beschloss in den sechziger Jahren Bibelfliesen und
Fliesentableau vom smuiger
der Stichting Zaanse Schans zu schenken. Beim Auspacken stellte sich
heraus, dass das Fliesentableau fehlte. Der zuständige Bauleiter,
Architekt Jaap Schipper (Zaandam 1915-2010), fand ein entsprechendes
Tableau – allerdings in spiegelbildlicher Darstellung – bei
einem Antiquar in Hoorn.
24
Ein
dem Original entsprechendes Tableau befindet sich in einer
Privatsammlung
25
Fliesentableau
im Format von 4 x 5 Fliesen auf der Rundung der Kaminhaube
Dieses
Tableau schreibe ich der Werkstatt ‘De Bloempot‘ Schiedamsedijk
/ Leuvehaven zu. Es wurde in der Zeit gefertigt, als die Brüder Jan
Aalmis jr. (1714-1799) und Jan Bartolomeus Aalmis (1725-1786) die
bekannte Rotterdamer ‘tegelbakkerij‘ leiteten.
Das
Museum Rotterdam besitzt ein identisches Fliesengemälde aus einem
Haus ‘aan de oude dijk‘ (invnr. 5448).
Das
salomonische Urteil (Altes Testament, 1. Könige 3:16-28)
„Damals kamen zwei Dirnen und
traten vor den König. Die eine sagte: Bitte, Herr, ich und diese
Frau wohnen im gleichen Haus, und ich habe dort in ihrem Beisein
geboren. Am dritten Tag nach meiner Niederkunft gebar auch diese
Frau. Wir waren beisammen; kein Fremder war bei uns im Haus, nur wir
beide waren dort. Nun starb der Sohn dieser Frau während der Nacht;
denn sie hatte ihn im Schlaf erdrückt. Sie stand mitten in der
Nacht auf, nahm mir mein Kind weg, während deine Magd schlief, und
legte es an ihre Seite. Ihr totes Kind aber legte sie an meine
Seite. Als ich am Morgen aufstand, um mein Kind zu stillen, war es
tot. Als ich es aber am Morgen genau ansah, war es nicht mein Kind,
das ich geboren hatte. Da rief die andere Frau: Nein, mein Kind lebt
und dein Kind ist tot. Doch die erste entgegnete: Nein, dein Kind
ist tot und mein Kind lebt. So stritten sie vor dem König. Da
begann der König: Diese sagt: Mein Kind lebt und dein Kind ist tot!
und jene sagt: Nein, dein Kind ist tot und mein Kind lebt. Und der König
fuhr fort: Holt mir ein Schwert! Man brachte es vor den König. Nun
entschied er: Schneidet das lebende Kind entzwei und gebt eine Hälfte
der einen und eine Hälfte der anderen! Doch nun bat die Mutter des
lebenden Kindes den König - es regte sich nämlich in ihr die mütterliche
Liebe zu ihrem Kind: Bitte, Herr, gebt ihr das lebende Kind und tötet
es nicht! Doch die andere rief: Es soll weder mir noch dir gehören.
Zerteilt es! Da befahl der König: Gebt jener das lebende Kind und tötet
es nicht; denn sie ist seine Mutter. Ganz Israel hörte von dem
Urteil, das der König gefällt hatte, und sie schauten mit
Ehrfurcht zu ihm auf; denn sie erkannten, dass die Weisheit Gottes
in ihm war, wenn er Recht sprach.“
26
Peter
Paul Rubens (1577-1644), ca. 1617, 234x303 cm.
Statens Museum for Kunst København, Danmark (kmssp185)
Peter Paul Rubens schuf das großformatige Gemälde ‚Het oordeel van Salomon‘.
27
P.P.
Rubens pinxit
Cum Privilegijs Regis Christianissimi, Serenissimae Infantis, et
Ordinum Confederatorum.
B. à Bolswert sculp. et excudit
Boëtius
Adamsz. Bolswert (1580-1633) nach Peter Paul Rubens. Kupferstich,
Blattgröße h: 390 mm x b: 503 mm.
Ein Exemplar dieses Kupferstichs diente den Rotterdamer
Fliesenmalern als Vorlage.
Bildnachweis
01-05,
07-23, 25 Norbert und Wilhelm Joliet (23.09.2016)
06 Veste Coburg
24 Jaap de Koning
26 Statens Museum for Kunst København,
Danmark
27
Wikipedia
Literaturnachweis
Willem
Teelinck Huysboek ofte Eenvoudige verclaringhe ende toeeygheninghe van de
voornaemste Vraegh-stucken des Nederlandtschen Christelijcken
Catechism, 2de ed. Middelburgh, 1639
S. Lootsma
Bijdrage tot de
Geschiedenis der Nederlandsche Walvisvaart (maar speciaal de
Zaansche), Amsterdam 1937
Jan Pluis,
Bijbeltegels
- Bibelfliesen. Biblische Darstellungen auf niederländischen
Wandfliesen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, Münster 1994
Jan Pluis,
De Nederlandse Tegel
Decors en benamingen 1570-1930. Derde druk, Leiden 2013
Wikipedia
Danksagung
Ich
danke den Herren Ruud Keinemans und Paul Riteco für die Genehmigung zur Veröffentlichung dieses
Berichtes, meinem Fliesenfreund Jan Pluis für vielfache Hilfe und
meinem Sohn Norbert für die Bearbeitung und Veröffentlichung des
Berichtes.
De
Hoop Op D’Swarte Walvis, Kalverringdijk 15 (Zaanse Schans), 1509 BT
Zaandam
https://www.dewalvis.nl/
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