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 Keramische Bodenbeläge der
 Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren – Fabrik
 in der Kirche der Benediktinerabtei Engelberg

 

 

 

Die Benediktinerabtei liegt in einem Bergtal am Fuße des Titlis in Engelberg, einer politischen Gemeinde des Kantons Obwalden in der Zentralschweiz.
Der Ort geht auf die 1120 gegründete Abtei zurück und ist umgeben von den Kantonen Bern, Nidwalden und Uri.

 

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Benediktinerabtei Engelberg am Fuße des Titlis

 

Kloster Engelberg wurde vom Zürcher Adeligen Konrad von Sellenbüren gestiftet und 1120 von Mönchen aus Muri unter Abt Adelhelm gegründet. Mitte des 12. Jahrhunderts erneuerten Mönche aus dem Reformkloster St. Blasien (Schwarzwald) das klösterliche Leben. Abt Frowin (1147-78) gründete eine Schreibschule, die unter ihm und seinen Nachfolgern Berchtold (1178-97) und Heinrich (1197-1223) eine Blütezeit erlebte. Um 1604 wurde das Kloster Engelberg in die Schweizer Benediktinerkongregation aufgenommen.
Bis zur Französischen Revolution war der Abt zugleich geistlicher und weltlicher Talherr. 1798 erlangten die Talleute politische Unabhängigkeit. Die heutige barocke Klosteranlage entstand nach einem Brand 1729.

 

 

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Blick vom Langhaus zum Hochaltar

 

 

Lieferungen und Leistungen der Sinziger Mosaikplatten- und Thonwaren-Fabrik für die Kirche des Benediktinerklosters Engelberg in den Jahren 1897 / 1898

Im Zuge von umfassenden Restaurierungen in und an der Klosterkirche entschied man sich 1897 unter Abt Anselm Villiger den barocken Kirchenbau dem Zeitgeschmack des Historismus anzupassen. Der weiße Innenraum erhielt eine Farbausstattung in Grau-, Rosa- und Grüntönen. Die Bodenbeläge aus dunklen Schieferplatten erschienen nicht passend zur nunmehrigen farbigen Ausstattung. Man entschied sich für keramische Bodenbeläge im Vorchor, im Laienschiff, in den Seitenkapellen und in der Vorhalle.
Die Wahl fiel auf Mosaikplatten der ‚Sinziger Mosaikplatten & Thonwaren-Fabrik‘.
Das Unternehmen hatte schon Bodenplatten in der Innerschweiz in der Pfarrkirche Sarnen und in der Kirche der Schwestern vom Hl. Kreuz in Menzingen verlegt.
Man nahm, durch Vermittlung des Agenten Sennhauser-Stadler aus Sankt Gallen, Kontakt zur Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik auf. Es gab einen ausgedehnten Briefwechsel. Dieser ist im Stiftsarchiv nebst fünf auf Karton aufgeklebten Bodenplattenmustern erhalten.


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Kostenanschlag der Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik  vom 28.06.1897

 

Der Kostenanschlag für rund 645 m2 Mosaikplatten wurde angenommen und man entschied sich für folgende noch heute vorhandene Mosaikplatten:
Vorchor: Platten Nr. 256 mit Rosette Nr. 256a und den Friesen Nrn. 257–258.
Hauptschiff: Platten Nr. 660, Rosette Nr. 672 sowie Fries Nr. 679.
Seitenschiffe: Platten Nr. 703 mit Fries Nr. 679.
Vorhalle: gerippte Trottoirplatten mit Fries Nr. 303.

 

 

Vorchor:

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Bodenbelag mit Eckmotiv und Friesen

 

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Musterblatt der Mosaikfabrik Sinzig für den Bodenbelag im Vorchor mit den Mittelplatten Nr. 256a, dem Mittelstück 256b und den Friesen Nrn. 257a und 258a

 

 

Hauptschiff bzw. Mittelschiff:

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Bodenbelag im Hauptschiff mit Platten Nr. 660, Rosette Nr. 672 sowie Fries Nr. 679


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Rosette Nr. 672 im Hauptschiff


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Fries Nr. 679 mit passendem Eckmotiv im Hauptschiff


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Musterblatt für die Mosaikplatten in den Gängen des Mittelschiffs im Stiftsarchiv


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Verlegeplan für die Mosaikplatten in den Gängen des Mittelschiffs - mit Angabe der Lage der Rosette Nr. 672 - und für die Mosaikplatten im Seitenschiff mit den Platten Nr. 703 und Fries Nr. 679 im Stiftsarchiv.



 

Seitenschiffe:

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Detail des Bodenbelags im linken Seitenschiff mit Platten Nr. 703 und Fries Nr. 679


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Musterblatt für die Mosaikplatten Nr. 703 und Fries Nr. 679 in den Seitenschiffen im Stiftsarchiv

 



Vorhalle:
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Trittsichere gerippte Platten in der Vorhalle

 

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Musterblatt für gerippte Platten und Fries Nr. 303 im Stiftsarchiv


 

Anlieferung der Mosaikplatten
Die Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik lieferte die Platten im Herbst 1897.
In drei Güterwaggons ging die Fracht von Sinzig am Rhein über Basel nach Luzern. Dort wurden die Platten auf ein Schiff geladen und nach Stansstad verfrachtet. Mitarbeiter des Klosters brachten die Platten dann auf Pferdefuhrwerken von Stansstad nach Engelberg.

 

Verlegung der Mosaikplatten
Im Januar 1898 schickte die Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik dem Benediktinerkloster Engelberg Verlegepläne. Das Abtragen der alten Böden und das Einbringen von Betonuntergründen übernahm das Kloster. Auf Anraten aus Sinzig übernahm der Plattenleger Franz Josef Stenz aus Menzingen, der schon Sinziger Mosaikplatten im Kloster Menzingen und anderen Schweizer Kirchen verlegt hatte, die Überwachung der Vorarbeiten.
Mit der Verlegung der Platten begann Franz Josef Stenz am 18. April 1898. Nach genau zwei Monaten waren die Verlegearbeiten am 18. Juni 1898 abgeschlossen. Es ist nicht überliefert, wer Herrn Stenz bei der Verlegung der Mosaikplatten half.

 

Rechnung der Verlegungsarbeiten:

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Rechnung der Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik Act.-Ges. vom 2. Juli 1898 für Verlegungsarbeiten von 623,50 Quadratmeter diverse Platten im Kloster Engelberg.
Der Betrag von 1.329,50 Franken wurde in zwei Raten im August 1898 bezahlt.

 

 

Innenrenovierung des Chorraumes 1902
Unter Abt Leodegar Scherer wurde das von Abt Anselm Villiger begonnene Modernisierunngsprogramm weitergeführt. Der barocke Holzriemenboden im Chorraum sollte einem keramischem Bodenbelag weichen. Am 29. April 1902 erstellte die Sinziger  Mosaikplatten- & Thonwaren-Fabrik Act.-Ges. der Klosterverwaltung ein Kostenangebot für einen Mosaikplattenbelag im Chorraum der Klosterkirche.


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Neben dem Kostenangebot schickte die Sinziger Mosaikplatten- & Thonwarenfabrik mit separater Post drei Vorschläge und einen Situationsplan der Klosterverwaltung.
Einen Belag aus Füllplatten Nr. 705, mit Friesen 706, 708, 713 und der Rosette Nr. 718 sei das Feinste in Ausführung und Wirkung was die Sinziger Mosaikplatten- & Thonwarenfabrik liefern könne. Das Angebot wurde vom Konvent angenommen. Ende August kamen die Mosaikplatten aus Sinzig in Engelberg an. Die Verlegung übernahm der aus Sinzig angereiste Plattenleger M. Sädler. Am 11. Oktober 1902 war der Mosaikplattenbelag im Chorraum fertiggestellt und wurde von Abt Leodegar und Confratres mit Lob und Anerkennung in Benutzung genommen.



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Belag aus Platten Nr. 705, Friesen 706, 708, 713 und Rosette Nr. 718 im Chorraum

 


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Musterblatt der Mosaikfabrik Sinzig für die Rosette im Chorraum

 

 

Letzte Etappe der Bodenrenovierungen mit Sinziger Platten im Jahr 1913

Unter Abt Leodegar Scherer beschloss die Klosterverwaltung im Spätsommer 1913, nach 1897 und 1902 noch die Böden im hinteren Teil der Kirche bis zur Sakristei und in der barocken Sakristei mit Sinziger Mosaikplatten auslegen zu lassen. Mit eigenen Leuten wurden die Schieferplatten entfernt und nach Sinziger Empfehlung Betonuntergründe erstellt. Gesiebter Sand, Zement und Kalk wurden für die Verlegung der Plattenböden bereitgestellt.


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Vereinbarung für Kost und Logis des Plattenlegers Mathias Krupp.

Die Sinziger Mosaikplatten- Fabrik firmierte jetzt mit ‚Vereinigte Mosaikplattenwerke Friedland-Sinzig Aktiengesellschaft‘.
Der Sinziger Plattenleger Mathias Krupp nahm am 3. November seine Arbeit auf und hatte nach 26 Arbeitstagen die ca. 240 m2 Mosaikplatten verlegt. Über Helfer bei den Verlegarbeiten ist mir nichts bekannt.

 

 

Umgang beim Chor

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Platten Nr. 660 und Fries 679 im Umgang beim Chor

 

 

Gang zwischen Sakristei und Hochaltarwand

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Schmuckfeld im Gang zwischen Sakristei und Hochaltarwand

 


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Schmuckfeld im keramischen Bodenbelag zwischen Sakristei und Hochaltarwand

Das Mittelfeld besteht aus 4 x 4 = 16 Platten im Format von jeweils 17 x 17 cm der Nummer 760 aus dem Werkskatalog Sinzig von 1896.

 

 

Sakristei

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Blick in die Sakristei

Verlegt wurden Platten Nr. 660 und Fries Nr. 679 (siehe Abbildung 09).

 

 

Rechnung für die Verlegearbeiten in Sakristei und Flur
Am 6. Dezember 1913 wurde dem Engelberger Grosskellner, P. Bonifaz Regli, aus Sinzig die Rechnung für die Verlegearbeiten in Sakristei und Flur in Rechnung gestellt.

 

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Dokument im Archiv des Museums Sinzig unter ‚Werk Sinzig 1096‘.

Dem Stift Engelberg Engelberg enstanden nicht nur Kosten für Lieferung und Verlegen der Sinziger Platten, sondern auch durch zu zahlenden Zoll, denn die schweizer Zollstation stufte die Sinziger Platten als Luxusartikel ein.

 

 

Herstellung der Platten

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Den Wert Sinziger Platten kann nur der ermessen, der ihre weitestgehend in Handarbeit erbrachte Fertigung kennt. Die farbigen Tonpulver brachte man von Hand in Messingmatrizen ein.
Nach dem Entfernen der Matrize wurde noch eine Lage Grundmasse eingebracht und die Platte unter hohem Druck gepresst. Der Brand erfolgte bei einer Temperatur von ca. 1400 Grad Celsius.

 

https://www.museumsinzig.de/stadtgeschichte/fliesenproduktion-film/


 

Kunden konnten anhand eines Musterkatalogs eine Vielfalt von Platten, Rosetten und Friesen zur Auswahl vorgelegt werden.
https://www.geschichte-der-fliese.de/sinzig1.html

 

 

Fotonachweis
Stiftsarchiv Engelberg 03, 04, 06, 07, 09, 10-17, 20-23
Felix Odermatt 01, 02, 08
Museum Sinzig 05, 18, 19, 24, 25


Benutzte Literatur
Michael Tomaschett, Die Benediktinerklosterkirche in Engelberg, Bau-und Restaurierungsgeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert, Zürich 2005

Katalog Heiss gebrannt und unverwüstlich – 140 Jahre Fliesen aus Sinzig, hg. vom Arbeitskreis Keramik im Heimatmuseum Schloss Sinzig, Sinzig 2011

Rolf De Kegel, Sie wurden auf der Zollstation als Luxusartikel taxiert. Sinziger Mosaikplatten in der Klosterkirche Engelberg 1898-1913, in: Heiss gebrannt und unverwüstlich – 140 Jahre Fliesen aus Sinzig, hg. vom Arbeitskreis Keramik im Heimatmuseum Schloss Sinzig, Sinzig 2011, S. 77-82.


Danksagung
Mein besonderer Dank gilt Herrn Rolf De Kegel, Archivar des Klosters Engelberg, für vielfältige Hilfe und Zurverfügungstellung von Bildmaterial.
Herr Josef Erhardt gab mir wichtige Hinweise.
Frau Ages Menacher danke ich für die Genehmigung, Bildmaterial des Museums Sinzig veröffentlichen zu dürfen.
Herr Felix Odermatt stellte mir Fotos zur Verfügung.
Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.