Wilhelm Joliet |
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Arnstadt Matthäus
Merian, Topographia Superioris Saxoniae, Frankfurt am Main, 1650. Arnstadt
ist eine Kreisstadt in Thüringen an der Gera. Die erste Erwähnung stammt
aus dem Jahr 704. Arnstadt ist damit eine der ältesten Städte
Deutschlands außerhalb der römischen Siedlungsgebiete. Bis zum 18.
Jahrhundert war sie Residenzstadt der Grafen von Schwarzburg. Johann
Sebastian Bach hatte seine erste Anstellung als Organist an der neuen
Kirche (1703-1707). Zahlreiche seiner Vorfahren waren bereits im 17.
Jahrhundert Hof-, Ratsmitglieder oder Kirchenmusiker in der Stadt. Gründung
der Fayencemanufaktur Dorotheenthal Gründerin
der Fayencemanufaktur war Fürstin Auguste Dorothea von
Schwarzburg-Arnstadt (*1666 - +1751), Tochter des Herzogs Anton-Ulrich von
Braunschweig-Wolfenbüttel und seiner Frau
Juliane von Holstein-Norburg. Auguste
Dorothea heiratete 1684
in Wolfenbüttel den Grafen Anton Günther II., von
Schwarzburg-Sondershausen (*1653 - +1716). Die Ehe blieb kinderlos. Die Fürstin
bekam im Jahr 1699 von ihrem Gemahl ein Grundstück geschenkt, auf dem sie
bis 1710 das Schloss Augustenburg unweit Arnstadt bauen ließ. Von ihrem
Mann entfremdet, schaffte Auguste Dorothea sich ihren eigenen
Wirkungskreis. Zu
den besonderen Initiativen der Fürstin gehörte die Gründung einer
Fayencemanufaktur. Ihr
Vater hatte bereits 1707 eine „Porzellainfabrik
nach Delftischer Art“ in Braunschweig errichten lassen. Vor 1710
wurde im Auftrag der Fürstin zunächst in Oberndorf in einem Haus neben
der Kirche, wenige Kilometer südöstlich der Stadt Arnstadt, an einer
Fayenceproduktion experimentiert. Schon 1715 ließ die Fürstin eine
Fayencemanufaktur in unmittelbarer Nähe ihres Schlosses in Dorotheenthal
errichten und die Vorgängereinrichtung in Oberndorf auflösen..
Dorotheenthal liegt südlich von Arnstadt und südwestlich von
Angelhausen-Oberndorf. Unweit der Manufaktur lagen beim Wäldchen Hain
ergiebige und geeignete Tonvorkommen. Die
Fürstin nutzte ihre Verbindung nach Braunschweig, um erfahrene
Fayencefachleute wie den Dreher Kanja und die Malerfamilie Frantz nach
Dorotheenthal zu holen. Deshalb fehlte hier die Anlaufphase mit technisch
fehlerhaften Stücken. Besonders die frühen Fayencen sind künstlerisch
und technisch von großer Qualität. Dies gilt vor allem für
Dorotheenthaler Fliesen. Für
die frühen Jahren der fast hundertjährigen Geschichte der Manufaktur
sind bedeutende Maler nachweisbar: Johann Theobald Frantz (1716-1726),
Johann Christoph Alex (1718-1736), Johann Nicolaus Wellendorf (1724-1737),
Johann Michael Raßlender (1725-1740) und Johann Martin Meiselbach
(1733-1737). Fürstin
Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt hatte den Maler und
Kupferstecher Pius Rösel von Rosenhof als Schlossverwalter ihrer
Augustenburg angestellt. Es ist anzunehmen, dass manche künstlerische
Anregung für die Fayencemanufaktur Dorotheenthal von ihm ausging. Fürstin
Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt verpachtete 1724 den Betrieb. Die
Dorotheenthaler Fayenceproduktion war bis 1806 wirksam. Zwischen 1724 und
1806 wechselten die Besitzer häufig. Die
Gründerin der Fayencemanufaktur starb 1751 im Alter von 84 Jahren auf
Schloss Augustenburg bei Arnstadt. Das Schloss wurde Ende 1765 abgerissen. Dorotheenthaler
Fliesen im ehemaligen Fürstlichen Palais Das
äußerlich schlichte Barockschloss liegt in zentraler Lage von Arnstadt.
Es wurde 1729-1734 im Auftrag des Fürsten Günther I. von
Schwarzburg-Sondershausen erbaut. Das Palais diente neben der Wohnung des
Fürstenpaares zur Bewahrung der fürstlichen Kunstsammlungen insbesondere
der Porzellansammlung. Der größte Teil ist bis zum heutigen Tag im
Porzellan- und Spiegelkabinett zu bewundern. Das
Arnstädter Schlossmuseum im ehemaligen Fürstlichen Palais besitzt die größte
Sammlung Dorotheenthaler Fliesen, die hier in mehreren Varianten
vorkommen. Zur ersten Ausstattung gehörten nachweislich bereits
Dorotheenthaler Fliesen. Allerdings wurde ein Teil der heutigen
Fliesenbekleidungen erst 1930 bei Einrichtung des Schlosses als Museum
angesetzt. Es ist leider nicht nachvollziehbar, um welche Fliesen es sich
handelt. Fliesenfelder,
die vor Kaminen im Porzellanzimmer liegen, gehören mit Sicherheit zur
alten Ausstattung. Es sind manganfarbene Darstellungen in grün
gespritzten Rändern.
02 Vier
Fliesen im Bodenbelag vor einem Kamin im Porzellanzimmer Die
Fliesen haben als Eckmotiv einen Viertelkreis mit einem manganfarbenen
Blatt auf weißem Grund. Das Eckmotiv lässt den gespritzten Rahmen der
Fliese zurückspringen. An der Kreuzfuge ergeben die Viertelkreise jeweils
eine vierblättrige manganfarbene Blume auf weißer Kreisfläche.
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08 Für die Dorotheenthaler Fliesen als Bodenbeläge vor
Kaminen im Porzellanzimmer darf angenommen werden, dass sie während der
ersten Ausbauphase des Schlosses, also um 1735, entstanden sind.
09 Detail
eines Bodenbelags vor einem Kamin im Porzellanzimmer Bei der Bemalung der Fliesen wurden Durchstaubschablonen
zur Festlegung markanter Punkte und Linien verwendet. Die beiden
Darstellungen eines Chinesen zeigen den Spielraum, den Fliesenmaler trotz
der Benutzung von Durchstaubschablonen in der Ausführung von Details
hatten.
10 Fliesen
als pilasterartige Streifen in einer Raumecke Die Fliesen im ehemaligen Fürstlichen Palais variieren
farblich und wurden dem Farbcharakter des jeweiligen Raumes angepasst. Ein
Raum mit cremefarbigen Wänden ist mit Fliesen ausgestattet, deren Dekore
blau bemalt und deren Rahmungen mangan gespritzt sind. Die Raumecke ist ausgerundet, gegenüber den Wänden
vorgezogen und wird durch Fliesenstreifen begrenzt. Als Abschluss dieser
Raumecke ist unter dem Stücksims waagerecht noch eine Reihe Fliesen
angeordnet. Als Teil des Deckenstuckes wird die Raumecke durch aufwendige
Kartuschen bekrönt. Es ist davon auszugehen, dass dies dem ursprünglichen
Zustand entspricht, denn das goldene „G“ in der Kartusche steht für Fürst
Günther I. von Schwarzburg-Sonderhausen, den Erbauer des Palais. Der größere Teil dieser Fliesen war von vornherein für
das Arnstädter Schloss gedacht, denn mehrfach kommen Fliesen mit den
Initialen der Erbauer auf Fliesen vor:
10 „G" für Fürst Günther I. von
Schwarzburg-Sonderhausen (*1678 - + 1740) und
11 „EA“ für Elisabeth Albertine von Anhalt-Bernburg
(*1693 - +1774) Sie heiratete 1712 Graf Günther XLIII. von
Schwarzburg-Sondershausen (1678-1740), den späteren Fürst Günther I.
von Schwarzburg-Sondershausen. Aufnahmen
einzelner Dekore in blauer Bemalung im mangan gespritzten gebogenen
Achteck
Es würde allen Vorstellungen des
Merkantilismus, dem Wirtschaftssystem des Absolutismus, widersprechen,
wenn man für die Ausstattung des Arnstädter Schlosses mit Fliesen nicht
Erzeugnisse der nahegelegenen Manufaktur Dorotheenthal und damit
Erzeugnisse des eigenen Landes genommen hätte.
24 Fliesen
mit unterschiedlichen Dekoren in gebogenen und gefüllten Achtecken Die Fliesen in blauer Bemalung sind kräftiger Kontrast
zur roten Wandfarbe und der angrenzenden Ledertapete.
33 Fliesen
mit unterschiedlichen Dekoren in gebogenen und gefüllten Achtecken
34 Raumecke
eingefasst mit Fayencefliesen in blauer Bemalung im mangan gespritzten
Achteck, um 1753. Am
Türdurchgang wurden manganfarbene Dekore in mangan gespritzten Achtecken
angesetzt.
35 Detail
der viergestuften rechten Rahmung (siehe Abb. 34)
36 Detail
der viergestuften rechten Rahmung (siehe Abb. 34)
37 Detail
der viergestuften rechten Rahmung (siehe Abb. 34)
38 Detail
der viergestuften rechten Rahmung (siehe Abb. 34)
39 Sicher nicht in ursprünglicher Anordnung befinden sich
als Türrahmung Fliesen, die mangan bemalt sind. An Rand- und Kantenbeschädigungen
ist zu erkennen, dass es sich bei dieser Fliesenarbeit zumindest um eine
Zweitverwendung handelt.
Aufnahmen
einzelner Dekore in manganfarbener Bemalung im mangan gespritzten
gebogenen Achteck
Die einzelnen Motive der Fliesen im Arnstädter Schloss
kommen durchaus mehrfach vor und zwar gleiche Motive in verschiedenen
Farbkombinationen. Allerdings sind solche Motivwiederholungen sehr viel
seltener als bei anderen Manufakturen.
59 Raumecke,
eingefasst mit Fayencefliesen in blauer Bemalung, um 1753. Links
im Bild sind vier der insgesamt achtzig Puppenstuben zu sehen. Am
Übergang zum stuckierten Sims gibt es sechs Fliesen mit
Initialen der Erbauer „G" für Fürst Günther
I. von Schwarzburg-Sonderhausen (*1678 - + 1740) und „EA“ für
Elisabeth Albertine von Anhalt-Bernburg (*1693 - +1774). Puppenstadt Die
weltbekannte Puppenstadt, mit achtzig Puppenstuben und mehr als
vierhundert Puppen ist Teil der musealen Kostbarkeiten des Schlossmuseums
Arnstadt. Sie verdankt ihre Entstehung der Sammelleidenschaft der Fürstin
Augusta Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt (1666-1751). Die
aus Braunschweig-Wolfenbüttel gebürtige Fürstin erhielt Anregungen
durch in Mode gekommene deutsche und niederländische Puppenhäuser des
17. Jahrhunderts. In Miniräumen der Puppenstadt sieht man Festräume des
Schlosses mit allem Zubehör, einschließlich der kostbaren Ledertapeten.
Die Ministuben geben aber auch Einblick in das Leben der Bewohner von
Arnstadt in der Zeit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bis auf das
kleinste Teil der damaligen Wirklichkeit sind die Teile original
nachgebildet. Ein Rundgang durch die historische Puppenstadt führt über
acht Räume. Die Miniräume geben Überblick über Kultur- und
Kunstgeschichte, Mode und Wohnkultur der damaligen Zeit.
60 Detail
einer Rahmung (siehe Abb. 59)
Abbildungen 01
Wikipedia 02-60
eigene Fotos Benutzte
Literatur Siegfried
Stahl, Fayencefliesen
des 18. Jahrhunderts aus deutschen Manufakturen. – In: Keramos Heft
67/1975 Siegfried
Stahl, Deutsche
Fliesen. Fayence-Fliesen des 18. Jahrhunderts. – Braunschweig, 1977 Adelheid
Mahnert, Thüringer
Fayencen des 18. Jahrhunderts. – Leipzig, 1993 Adelheid
Mahnert, Thüringer
Fayencefliesen und ihre Maler. – In: Keramos Heft 150/1995 Wilhelm
Joliet, Die
Geschichte der Fliese. – Köln, 1996 Horst
Heinz Grimm, Schlossmuseum
zu Arnstadt. – München, 2015 Wikipedia Meinem
Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des
Berichtes. Schlossmuseum
mit Puppenstadt ‚Mon plaisir‘ Telefon:
03628-9602932 |
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