Erfurter Fliesen des 18. Jahrhunderts

im mittleren Dornburger Schloss

 

 

Dornburg

01 Dornburg / Saale um 1650,
Kupferstich von Wilhelm Richter, Weimar (1626-1702)

Dornburg ist eine ehemalige Stadt im Norden des Saale-Holzland-Kreises und seit dem 1. Dezember 2008 Teil der Stadt Dornburg-Camburg.

Dornburg wurde vor allem durch die drei Dornburger Schlösser bekannt.

Die Stadt liegt im mittleren Saaletal zwischen den Städten Jena und Naumburg (Saale) auf einem steilen Kalksteinfelsen, der nach Osten ins Saaletal und im Süden und Norden zu zwei kleinen Seitentälern abfällt.

 

 

Dornburger Schlösser

Wenige Kilometer von Jena entfernt erheben sich auf einem Muschelkalkfelsen über dem Saaletal die drei Dornburger Schlösser. Zwischen dem Alten Schloss auf der östlichen und dem Renaissanceschloss auf der westlichen Seite liegt das Rokokoschloss.

Die Dornburger Schlösser waren Sommerresidenzen der Großherzöge von Sachsen-Weimar-Eisenach. Johann Wolfgang von Goethe schätzte die Atmosphäre über dem Saaletal zeitweise als Aufenthaltsort.

 

 

Rokokoschloss

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Rokokoschloss mit einem Teil der Bastion

 

Herzog Ernst August I. von Sachsen-Weimar (1688-1748) ließ zwischen 1736 und 1741 das mittlere Dornburger Schloss als Lustschloss errichten. Zusammen mit der Bastion betont das Untergeschoss zur Talseite die militärische Nutzung des Schlosses als Feldherrnsitz des Herzogs.

Im Untergeschoss findet man heute im zentralen Saal sehenswertes chinesisches Porzellan und hervorragende niederländische Fayencen.

 

 

Erfurter Fliesen des 18. Jahrhunderts

Seit 1716 gab es Bemühungen in Erfurt eine Fayencemanufaktur zu errichten. In dem nur etwa 25 km von Erfurt entfernten Arnstadt produzierte die Fayencemanufaktur Dorotheenthal. Dass 1718 in so geringer Entfernung eine gleichartige Manufaktur genehmigt wurde, ist dadurch zu erklären, dass Erfurt von 1664 bis 1802 zum Kurfürstentum Mainz gehörte, also nicht wie Arnstadt zu den sächsischen Fürstentümern. Erster Besitzer der Erfurter Fayencemanufaktur war der Zinngießer Laurentius Silberschlag. Er führte den Betrieb bis zu seinem Tod 1722. Sein Nachfolger war der Zinngießer Johann Paul Stieglitz. Unter seiner Leitung erlebte die Fayencemanufaktur Erfurt ihre Blütezeit.

Alle für die Erfurter Manufaktur nachgewiesenen Fliesen sind oder waren in Schlossanlagen des Herzogs Ernst August I. von Sachsen-Weimar (Regierungszeit von 1707 bis 1748) angesetzt oder verlegt.

Der Herzog hatte den „Bauwurmb“ und liebte wie viele andere Fürsten Porzellan. Der „Bauwurmb“ veranlasste den Herzog in der Zeit seiner Regentschaft zweiundzwanzig Schlösser und Jagdhäuser zu errichten. Die meisten wurden in Eile und unsolide gebaut, so dass nur drei die Zeiten bis heute überlebten. Jedes dieser drei Schlösser –Belvedere und Tiefurt bei Weimar und das mittlere der Dornburger Schlösser bei Jena – besitzt noch Bestände Erfurter Fliesen. Im 18. Jahrhundert waren Fliesen als „porcellaine Plätgen“ Ersatz für Porzellan. Echtes Porzellan war wesentlich teurer und konnte dank seiner fehlenden Saugfähigkeit der Scherben nicht mit Mörtel angesetzt oder verlegt werden.

 

 

Erfurter Fliesen im Dornburger „Rokokoschloss"

Im mittleren Dornburger Schloss findet man eine besonders sehenswerte Fliesenarbeit in der Eingangshalle. Diese diente gleichzeitig als Anrichte. Bei einigen Fliesen wird das Mittelstück von aufwendigen Bandwerkornamenten eingefasst. Die Fliesenmitte wird in diesem Fall vom sächsischen Wappen oder den Buchstaben EA, den Initialen des Herzogs, eingenommen. Zwei gebogene Blätter bilden das Eckmotiv, aus deren Mitte ein Bandwerkornament hervorgeht. Bereits zu Lebzeiten Herzogs Ernst August I. verfielen einige seiner Neubauten. Es ist davon auszugehen, dass die Fliesen aus einem anderen Bau stammen und in Dornburg ihre Zweitverwendung fanden. Ein Indiz dafür sind von mir bei der Besichtigung des Schlosses 1991 festgestellte historische Rand- und Kantenbeschädigungen.

Nach Vergleichen mit Erfurter Fliesen in den Schlössern Belvedere und Tiefurt bei Weimar kann für die Fliesen in der Eingangshalle des mittleren Dornburger Schlosses davon ausgegangen werden, dass sie in den Jahren 1720 bis 1730 gefertigt wurden.

Im Juni 1991 besuchte ich das mittlere der Dornburger Schlösser und erstellte eine Fotodokumentation.

 

 

Fotodokumentation 1991

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Eingangshalle mit Kassenbereich

 

In Wandputz und Anstrich gab es deutlich sichtbare Schäden durch aufsteigende Feuchtigkeit.

 

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Detailbereich links neben der Durchreiche

 

Die Wandbekleidung zeigte Ausblühungen in Bereichen der Mörtelfugen und frische Rand- und Kantenschäden.

Dieses Foto veröffentlichte ich auf Seite 186 meines 1996 in Köln erschienenen Buches „DIE GESCHICHTE DER FLIESE“.

 

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Detailbereiche links neben und über der Durchreiche

 

Besonders markant sind die Dekore der hellen Blumenschalen an der linken oberen Ecke der Durchreiche, darunter die sehr dunkle Fliese mit der lustwandelnden Dame und rechts daneben ein Müller auf dem Weg zur Mühle.

Für eine Zweitverwendung der Fliesen sprechen unterschiedliche Eckornamente und deutliche historische Rand- und Kantenbeschädigungen.

 

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Fliesenfeld über der Durchreiche

 

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Blick zu Wandbekleidungen über der Durchreiche, der rechten Wange der Durchreiche und der Wandecke zur Eingangstür

 

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Eckbereich zum Eingang

1. Fliese mit der Abbildung des Hausordens vom Weissen Falken, eines Ordens des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach. Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar stiftete ihn am 2. August 1732 mit Genehmigung und zu Ehren von Kaiser Karl VI., dessen General-Feldmarschallleutnant er war. Der Herzog gab dem Orden den Titel „de la Vigilance“. Großherzog Carl August erneuerte den Orden am 18. Oktober 1815.

2. Diese Fliese zeigt ein aufwendiges Bandwerkornament, deren Mitte das sächsische Wappen einnimmt.

3. Die Mitte des Doppelkreises nehmen die Buchstaben EA, die Initialien des Herzogs, ein.

4. Auch bei dieser Fliese wird das Mittelstück von aufwendigem Bandwerkornament eingefasst. Deren Mitte nehmen in diesem Fall die Buchstaben EA ein.

 

 

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1. Ausplatzungen von Glasur zeigen extreme Feuchte- und damit verbundene Salzbelastung.

2. Teile der Fliese, sind bedingt durch Spannungen im Wandaufbau abgeschert.

3. Aufgetretene Spannungen schädigten die Fliese. Die Fehlstelle wurde mit Mörtel gefüllt.

 

 

Restaurierung der historischen Erfurter Fliesen im mittleren Dornburger Schloss

Schäden an den historischen Erfurter Fliesen, bedingt durch Feuchte- und damit verbundene Salzbelastung, erforderten im Jahr 2000 die Restaurierung der historischen Fliesenbekleidung. Weiterungen von Schäden an den keramischen Bekleidungen sollten unbedingt verhindert werden.
Den Auftrag zur Voruntersuchung, Bergung der Fliesen und deren Neuansetzen erhielt der Restaurator und Dipl. Designer Klaus-Peter Dyroff aus Dippoldiswalde im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.

Herr Dyroff führte vorher schon mit seinem Team erfolgreich Restaurierungsarbeiten an historischen Fliesenarbeiten in den UNESCO-Welterbestätten Schloss Falkenlust und Schloss Augustusburg in Brühl / Rheinland aus. Ich hatte damals die Aufgabe die Restaurierungsarbeiten zu begleiten.

Voruntersuchungen im mittleren Dornburger Schloss ergaben, dass die Fliesenbekleidungen wegen starker Salzbelastung von den Wänden abgenommen und entsalzt werden mussten, um dann in einem speziellen Verfahren wieder anzubringen. Die Restaurierungsarbeiten erfolgten im III. Quartal 2005.

 

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Bei früheren Restaurierungsmaßnahmen hatte man Fliesen mit Zementmörtel angesetzt. Deshalb wurde zum Abnehmen ein Hinterschneiden mittels fahrbarem Blatt erforderlich.

Das Hinterschneiden musste sehr behutsam erfolgen, da viele Fliesen Risse aufwiesen oder sogar schon zerbrochen waren und nur durch die Haftung am Ansetzmörtel oder / und der Mörtelverfugung gehalten wurden.

 

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Nach dem Entfernen des Ansetzmörtels kam bei einigen Fliesen der Buchstabe E auf dem Scherben zum Vorschein. Es ist die Signatur eines mir unbekannten Fliesenmalers der Erfurter Fayencemanufaktur.

 

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Nach gründlichem Entsalzen stand die Restaurierung defekter Fliesen an.

 

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Zu den sehr stark beschädigten Fliesen gehörte auch die Fliese mit dem Dekor des Weißen Falkenordens.

 

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Eine Auswahl Erfurter Fliesen auf dem Tisch des Restaurators.

 

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Zur Dekoration waren bei den Fliesenmalern der Erfurter Manufaktur Durchstaubschablonen in Gebrauch. Holzkohlenpunkte gaben ihnen markante Punkte und Linien des Dekors vor.

An den Fliesen zwei und drei der unteren Reihe ist zu erkennen, welche Freiheit den einzelnen Malern bei der Augestaltung des Dekors blieb.

 

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Im mittleren Dornburger Schloss gibt es eine gute Übersicht über die große Vielfalt Erfurter Dekore.

 

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Fliese mit den Initialen des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar.

 

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Unter den Erfurter Fliesen gibt es neben Landschafts- und Tierdarstellungen auch Szenen aus dem Leben der Chinesen. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Chinamode in Europa stark verbreitet. Der Adel überbot sich u.a. mit Sammlungen chinesischer Porzellane aber auch mit niederländischen und deutschen Fayencen mit Dekoren nach Kupferstichen, die die Welt der Chinesen darstellten.

 

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Die Maße der Erfurter Fliesen im mittleren Dornburger Schloss differieren von ca. 117x117x12 bis 120x120x14 mm. Dies machte beim Ansetzen der Fliesen breite Fugen erforderlich.

 

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Außer den Wappenfliesen sind die Darstellungen in Kreisen und mit kräftigen Eckornamenten gemalt.

 

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Vor dem Anbringen der Fliesenbekleidungen wurden bauseits Heizschlangen in den Wandberich eingebaut. Trotzdem wählte man das Aufbringen der restaurierten Fliesen im Flowting-Butteringverfahren auf Aluminiumwabenplatten. Das Bild zeigt die linke Seite der Durchreiche. Der Restaurator brachte die komplette Fliesentafel im Abstand zum tragenden Untergrund an. Dies ermöglicht die Hinterlüftung und verhindert einen erneuten Befall durch eventuell im tragenden Untergrund aufsteigende Feuchtigkeit mit Salzbelastung.

 

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Auch die Vorderansicht der keramischen Wandbekleidung wurde auf kompletten Fliesentafeln mit Abstand zum tragenden Mauerwerk angebracht.

 

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Die Erfurter Fliesen im mittleren Dornburger Schloss bleiben nach erfolgter Restaurierung der Nachwelt erhalten.

Seit 2009 ist die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten Eigentümerin des Rokoko- und des Renaissanceschlosses.

 

 

Bildnachweis

01 Wikipedia

02 Klaus-Peter Dyroff

03-09 eigene Aufnahmen

10-22 Klaus-Peter Dyroff

 

 

Benutzte Literatur

Foerster, Christel (Text), Renate und Roger Rössing (Fotos), Dornburger Schlösser, VEB F.A. Brockhaus, Leipzig 1986

Wikipedia

 

 

Ich danke Herrn Klaus-Peter Dyroff und seiner Tochter Anna für Zurverfügungstellung von Bildmaterial und der 2006 erstellten Dokumentation der Restaurierung.

Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes im Internet unter www.geschichte-der-fliese.de

 

 

Schloss- und Gartenverwaltung Dornburger Schlösser
Max-Krehan-Straße 2
07774 Dornburg-Camburg
Telefon 036427/215130

schlossverwaltung@dornburg-schloesser.de

 

Museumsverwaltung Dornburger Schlösser
Max-Krehan-Straße 2
07774 Dornburg-Camburg
Telefon 036427/215131

museum@dornburg-schloesser.de

 

Restaurierungsatelier und Mosaikkunst 
Klaus-Peter Dyroff
im Bahnhof Schmiedeberg
01744 Dippoldiswalde OT Schmiedeberg
Telefon 035052/20957

www.mosaikkunst.de

peter.dyroff@mosaikkunst.de