Sehenswerte Fliesenbekleidungen von Villeroy & Boch Dresden
im Ladenlokal der Fleischerei Büchner in Görlitz

 

Wenn die Dresdner Molkerei Gebrüder Pfund als der schönste Milchladen der Welt gilt,
dann hat die Fleischerei Büchner in Görlitz mit Sicherheit das schönste Fleisch- und Wurstgeschäft.

   

01. Fleischerei Büchner, Bismarckstraße 3, Görlitz.

 

Das Haus wurde 1876 für den Zimmermeister Paul Jaeckel errichtet. Bereits 1878 gab es bauliche Veränderungen, denn im Hinterhaus wurde eine Wurstküche errichtet. In einer Geschäftsanzeige aus dieser Zeit steht zu lesen: „Bruno Brendel - Fabrik feiner  Fleisch- und Wurstwaren - Eigene Kühlanlagen - gegr. 1878 - Hauptgeschäft Bismarckstraße 3.“
Im Görlitzer Adressbuch von 1911 finden sich folgende Einträge: Brendel, Bruno, Fleischerei u. Wurstfabrik, Bismarckstr. 3 p Filiale: Postplatz 11 p. und Brendel, Bruno, Fleischermeister u. Wurstfabrikant, Bismarckstr. 3 1 G p.

1911 ließ Fleischermeister Brendel einen Seitenflügel anbauen, der im Parterre als Fleischerwerkstatt genutzt wurde.
Im Zuge dieser Maßnahmen wurde nachweislich auch eine neue Schaufensteranlage eingebaut. Es ist zu vermuten, dass zu dieser Zeit auch die Fliesen aus der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch im Ladenlokal angesetzt wurden.

Sind in Pfunds Milchladen an der Bautzener Straße in Dresden typische Motive der Milchproduktion dargestellt, so sind es im Ladenlokal in der Bismarckstraße 3 typische Motive des Fleischerhandwerks.

Die ‚Allgemeine Fleischerzeitung“ schrieb im Dezember 1948 anlässlich des 70-jährigen Bestehens: „Die Fleischerei Bruno Brendel arbeitet noch im gleichen Hause, in dem der Betrieb einst gegründet wurde. Der jetzige Inhaber Wilhelm Brendel leitet nun schon mehrere Jahrzehnte das Unternehmen und übt in der fünften Generation das Fleischerhandwerk aus. Ein umfangreiches Versandgeschäft mit den verschiedenen Wurstsorten hat den Betrieb auch in Berlin bekannt gemacht.“

Wilhelm Brendel war hart getroffen, als er erfuhr, dass sein Sohn und für das Geschäft vorgesehene Nachfolger nicht aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkehre.

In den 1970er Jahren war die Fleischerei am Ende. Rund 15 Jahre stand das Ladenlokal mit den herrlichen Fliesenarbeiten dann leer.

 

02. Schaufenster und Ladentür.

 

Thomas Büchner besuchte die Meisterschule in Frankfurt am Main. Nach Ablegung der Meisterprüfung schaute er sich nach einem Fleischerladen um, denn er wollte sich selbstständig machen. Glückliche Umstände führten ihn in Görlitz zur früheren Fleischerei Brendel auf die Bismarckstraße. Er war von der Fliesenausstattung des Ladenlokals beeindruckt und erwarb 1992 das Grundstück. Da das Objekt eingetragenes Kulturdenkmal des Freistaates Sachsen ist, war bei geplanten Restaurierungsarbeiten die Denkmalpflege mit einzubeziehen.

Untersuchungen im Frühjahr 1993 ergaben, dass die Fliesenbekleidungen bis zu 1,40 Meter Höhe durch Einwirkung von Salpetersalzen geschädigt waren. Etwa 85 % der Fliesen mußten in den Sockelbereichen erneuert werden, da sie Risse und vor allem Abplatzungen von Glasur aufwiesen. Zum Glück fand man die Wandbekleidungen oberhalb der Sockelbereiche weitestgehend unbeschädigt. Neben den Fliesenbekleidungen der Sockelzonen war auch der keramische Fliesenboden zu erneuern.

Nach einer Planungsphase von Mai bis Juni 1993 begannen Bauherr und Planungsbüro in Zusammenarbeit mit der Denkmalplege mit den Restaurierungsarbeiten.

Fliesen für die Sockelzonen wurden nach Originalvorlagen von der Meißenkeramik GmbH hergestellt. Die Fliesen für den Fussboden lieferte die Firma Johnson aus London.

Nach sechsmonatiger Bauzeit konnte am 16. Dezember 1993 die Neueröffnung des Fleischerladens erfolgen.

Zunächst war es nur möglich, den Laden zu betreiben und fremde Fleisch- und Wurstwaren zu verkaufen. Um 2000 lief nach Abriss alter Gebäudeteile und dem Bau einer modernen Werkstatt die eigene Produktion an.

 

03. Kunden im Fleischerladen Büchner.

 

Das mit moderner Technik eingerichtete Ladenlokal ist ca. 6 Meter tief und 5 Meter breit.
Moderne Theken stehen in gutem Kontrast zu den Wandbekleidungen aus handgemalten Fliesen, der hölzernen Türrahmung mit eingearbeiteter Uhr und der Angebotstafel in aufwendiger hölzerner Rahmung der Gründerzeit.
Deckenstrahler setzen Fleisch- und Wurstwaren aber auch die Fliesenbekleidungen ins rechte Licht.

 

04. Wurstwaren vor historischen Fliesenbekleidungen der Dresdner Wandplattenfabrik von Villeroy & Boch.

 

05. Gut sortierte Wursttheke.

 

06. Historische Eingangstür.

 

Die doppelflügelige Tür mit Bleiverglasung, original aus der Gründerzeit, ist 1,50 Meter breit und 3,50 Meter hoch.
Die Fliesenbekleidung zwischen Tür und angrenzendem Schaufenster blieb oberhalb des Sockelbereichs bei der Restaurierung 1993 unverändert.
Touristen werden auch Andenken angeboten, die Bezug auf Fliesengemälde der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch im Ladenlokal haben.

 

07. Wandsockel zwischen Eingangstür und Schaufenster.

 

Durch aufsteigende Salpetersalze waren die Fliesen im Sockelbereich bis zur Höhe von etwa 1,40 Meter stark geschädigt. Risse und Abplatzungen von Glasur machten eine Wiederverwendung der Fliesen unmöglich. Die Meißenkeramik GmbH fertigte 1993 Kopien nach Originalvorlagen. Von der ausführenden Fliesenfirma Seidel aus Niesky wurde eine Werbefliese der Meißenkeramik GmbH am Pfeilervorsprung unterhalb der Bordüre angesetzt.

 

08. Wanddetail.

 

09. Wanddetail.

 

Die Aufnahme vom Dezember 2015 zeigt, dass es im unteren Wandbereich wieder zu starken Schädigungen der keramischen Bekleidungen gekommen ist. Es sind Rissbildungen (A) und Abplatzungen von Glasur (B) festzustellen. Eine Fliese ist aus dem Verbund gedrückt (C). Bei den Restaurierungsarbeiten wurde 1993 eine nicht zugehörige Fliese angesetzt (D).  

 

 

Vorlagen für die Wandfliesenarbeiten im Ladenlokal Bismarckstraße 3 in Görlitz waren Musterblätter von Villeroy & Boch in Dresden.

 

10. Blatt I.

 

Die Entwürfe für die Vorlagen werden dem seit 1880 bei Villeroy & Boch in Dresden tätigen Kunstmaler Josef Zeutzius zugeschrieben,

Im Ladenlokal der Fleischerei wurden von Blatt I die Dekorfliesen mit blauer Bemalung auf weißem Grund und die beiden großen senkrechten Felder übernommen.

 

11. Blatt II.

 

Von Blatt II wurden vom obersten Band die linken und rechten Motive übernommen.

 

11. Blatt IV.

 

Bei genauem Hinsehen findet man im Ladenlokal der Fleischerei Büchner die auf Blatt IV in den beiden oberen Bändern abgebildeten Szenen, dazu die Szenen links und recht vom unteren Band.

 

12. Blatt V.

 

Alle im oberen Band gezeigten Szenen findet man in der Fleischerei Büchner, dazu Teile des zweiten Bandes.
Der im mittleren Band genannte Fleischer-Innungsmeister Adolf Hilgenberg, hatte 1888 seine Fabrikation feiner Fleisch- und Wurstwaren in der Steinthorstraße 13 in Hannover.
Adolf Hilgenberg war ‚auswärtiger Königlich Sächsischer Hoflieferant‘.
Im Fleischerladen Büchner in Görlitz ist ‚Inhaber: Adolf Hilgenberg‘ durch ‚Grüß Gott‘ ersetzt.
Das untere Band findet man im 1882 mit handgemalten Fliesen ausgestatteten Pfunds Milchladen.
Die beiden Buchstaben GP in der Kartusche stehen für Gebrüder Pfund.

 

13. Foto zum Vergleich, linkes Band aus dem Vorlagenblatt I (Bild 10).

 

Sehr schön ist auch die Angebotstafel in aufwendigem Holzwerk aus der Gründerzeit.

 

14. Die im Maleratelier der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch entstandenen Fliesenbilder zeigen den Herstellungsprozess von Fleisch- und Wurstwaren von der Weide bis zum Verkauf.

 

15. Auf dem Bild ist links ein Teil der aufwendig geschnitzten Holzrahmung des Türdurchgangs zu erkennen.

 

 

 

Details der keramischen Wandflächen

 

16. Fliesenbekleidung im Anschluss zur Holzrahmung des Türdurchgangs.

 

17. Wandansicht mit beiden Typen der senkrechten Bänder aus dem Vorlagenblatt I (Bild 10).

 

 

18. Wandfläche neben der Eingangstür. Zu beachten ist die farbig gefasste Stuckkehle als Deckenanschluss.

 

19. Ein Schweinskopf wird von einem Fleischerlehrling auf einem Tablett präsentiert.

 

20. Kuh mit Kalb auf der Weide.

 

21. Dieses im Dezember 2015 aufgenommene Foto zeigt eindrucksvoll, dass die keramischen Wandbekleidungen in Teilbereichen bis zur Höhe von ca. 1,40 Meter stark geschädigt sind.

 

Aus dem Untergrund herrührender Druck verursachte und verursacht weiterhin Rissbildungen und Abplatzungen von Glasur. Bei den 1993 erfolgten Restaurierungsarbeiten wurde die entscheidende Schadensursache der aufsteigenden Salpetersalze nicht erfolgreich beseitigt.

 

 

Umlaufender Fries aus handgemalten Fliesen mit Darstellungen des Herstellungsprozesses von Fleisch- und Wurstwaren von der Weide bis zum Verkauf.

 

22. Dieses Wanddetail wurde leider durch Verankerung eines Winkeleisens stark beschädigt.

 

23. Hütebuben auf der Weide. Es wird gehandelt und bar gezahlt. Die gleiche Darstellung gibt es auch seit 1882 in Pfunds Milchladen in Dresden (siehe Abb. 24).  

 

24. Detail aus Pfunds Milchladen an der Bautzener Straße in Dresden.

 

 

25. Umlaufender Fries an der linken Seitenwand des Ladenlokals.

 

26. Die mit Abb. 25 gezeigten Darstellungen vom Fries, gibt es auch mit kleinen Veränderungen der Details in Pfunds Milchladen.

 

27. Der drei Fliesen breite Fries wird durch goldfarbene Profile betont.

 

28. Hirtenidylle in bergiger Landschaft.

 

29. Innenecke von linker Seitenwand und Rückfront; links = Schweinezucht, rechts = Rinderzucht.

 

30. Rückwand.

 

31. Ein stilisierter Fleischergeselle hält eine Blumengirlande.

 

32. Ein stilisiertes Blumenmädchen hält auf dieser Seite die Girlande.

 

33. Mit ‚Grüß Gott!‘ wird die Kundschaft begrüßt.

 

34. Über dem Fliesenfries sieht man eine sehr schön ausgearbeitete Deckenkehle aus farbig gefasstem Stuck.

 

35. Für die Motive A, B, C und D sind mir keine Vorlagen bekannt.

Die farbigen Markierungen brachte der Restaurator Klaus-Peter Dyroff im Dezember 2015 an. Sie weisen auf Hohlstellen in der Fliesenbekleidung und auf Absplitterungen von Glasur hin.

 

36. Ein Bulle ist zur Schlachtung angekettet. Das Detail von Säule und Kette aus Abbildung 34 dokumentiert die Feinheit der im Malersaal der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch ausgeführten Fliesenmalerei.

 

37. Hier werden warme Würstchen verkauft. Bei diesem Fliesengemälde fallen die starken Konturen der rechten Person ins Auge.

 

38. Obere Ecke der rechten Seitenwand.

 

39. Nackte Kleinkinder (Putten) mit Fleischerwerkzeug.

 

40. Schade, dass dieses Fliesenbild zwischen Eingangstür und rechter Seitenwand beim Anbringen eines Winkeleisens sehr stark beschädigt wurde.

 

 

Bildnachweis

03 und 04             Mitteldeutsche Medienförderung GmbH

10, 11 und 12       Werksarchiv von Villeroy & Boch Mettlach

alle anderen         Klaus-Peter Dyroff

 

 

Benutzte Literatur

Ott, Birgit, Historische Ladeneinrichtungen am Beispiel des Fleischerladens Bismarckstraße 3 in Görlitz in: Denkmalpflege in Görlitz 3/1984

Buddensieg, Andrea, Künstlerentwurf und Firmenprodukt, Weimar 1995

Schulz, Hans, Weihnachten geht es um die Wurst SZ-online.de/sachsen/goerlitz?pubdate=21.12.2013

Krüger, Axel, Bericht über die Fleischerei Büchner in: goerlitz-kocht

  
Bitte beachten Sie meine Berichte
'Die Geschichte der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch'
www.geschichte-der-fliese.de/vbd_geschichte.html
und
'Der schönste Milchladen der Welt'
www.geschichte-der-fliese.de/milchladen.html

 

 

Ich danke

Herrn Fleischermeister Thomas Büchner für seine Genehmigung zur Veröffentlich dieses Berichtes,

Herrn Restaurator Klaus-Peter Dyroff aus Dippoldiswalde für seine Bilddokumentation,

Frau Agnes Müller, Werksarchiv von Villeroy & Boch, für ihre Hilfe bei der Suche nach Vorlagen,

den Verantwortlichen der Mitteldeutschen Medienförderung GmbH für die Abbildungen 03 und 04 und Genehmigung, diese in diesem Bericht zu veröffentlichen und

meinem Sohn Norbert für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.