Wilhelm Joliet |
||||
|
Braga liegt im Norden Portugals, nordöstlich von Porto. Die Stadt ist
bekannt für ihr religiöses Erbe und ihre religiösen Feste. Im Osten liegt
die neoklassizistische Wallfahrtskirche Bom Jesus do Monte mit ihrem 170
Stufen umfassenden Treppenaufgang. Im Zentrum liegt die mittelalterliche
Kathedrale von Braga, die ein Museum für Sakralkunst und die Königskapelle
beherbergt. Der nahe gelegene imposante Erzbischofspalast bietet Blick auf
den Garten Santa Barbara. Für Fliesenfreunde ist die Kirche São Victor in
der R. de São Domingos
das
beliebte Ziel.
01 Kirche São Victor, Rua S.
Domingos, 4
Die Kirche wurde auf Initiative des Erzbischofs von Braga, D. Louis de Sousa
(1637-1690), unter Leitung des französischen Baumeisters Miguel de l’Ècole
auf Resten eines antiken Tempels errichtet. Die Grundsteinlegung erfolgte
1686, so ist es auf einem Schriftfeld an der Fassade der Kirche zu lesen.
Erzbischof João de Susa (1696-1703) weihte die Kirche São Victor am 19. März
1698 ein.
Durch Dekret 129/77 vom 29. September 1977 ist das Gotteshaus als zu
schützendes Baudenkmal eingestuft.
Die älteste Überlieferung über das Leben und Sterben des hl. Victor stammt
aus dem 9. Jahrhundert, als König Alfons III. von
Asturien
gegen die Mauren kämpfte. Am angeblichen Ort des Martyriums in Braga wurde
im 12. Jahrhundert eine ihm geweihte
Kirche
gebaut, die im 17. Jahrhundert wegen Baufälligkeit abgerissen und durch die
heutige Kirche ersetzt wurde. Der heilige Victor gehört zu den auf der
iberischen Halbinsel am meisten Verehrten.
02 Statue eines Bischofs und
in die Fassade eingefügte Schrifttafel
Links und rechts vom Hauptportal stehen in Nischen Statuen zweier Bischöfe
(siehe Bild 01). Da
Inschriften und Attribute fehlen, nach denen sie als bestimmte Personen zu
identifizieren wären, gibt es unterschiedliche Angaben von Forschern. Auf
der Schrifttafel findet man den Hinweis auf die Grundsteinlegung der Kirche
São Victor im Jahr 1686.
03 Blick in das Innere der Kirche
São Victor Die
Fliesendekoration der Kirche wurde von Erzbischof D. Louis de Sousa
(1637-1690) in Auftrag gegeben. Sie sollte eine bleibende Erinnerung an sein
Wirken in Braga sein.
Aus noch vorhandenen
Bauakten geht hervor, dass die Innendekoration als Gesamtkonzept
ausgearbeitet war und selbst nach dem Tod des Erzbischofs
D. Louis de Sousa im Jahr
1690 ohne Arbeitsunterbrechung ausgeführt
wurde. Der
Hauptaltar und die weiteren vergoldeten Elemente sind Werke des berühmten
Holzschnitzers Domingos Lopes.
04 Erster Seitenaltar der Evangelienseite
05 Großflächige Azulejodekoration an der Evangelienseite
des Langhauses
Die Betrachtung der Bildfelder ist für Menschen unserer Zeit bedrückend und
zum Teil unverständlich. Schlüssel zum Verständnis kann der Versuch sein,
unser heutiges Weltbild mit dem des 17. Jahrhunderts zu vergleichen. Dabei
ist noch die besondere Situation Portugals zu betrachten, denn 1668 erlangte
Portugal seine Unabhängigkeit im Friedensvertrag von Lissabon, den der
spanische und portugiesische König unterzeichneten. Nur zwanzig Jahre früher
wurde im Westfälischen Friedensschluss der Dreißigjährige Krieg in
Deutschland und der Achtzigjährige Unabhängigkeitskrieg der Niederlande
beendet.
Die Heiligenverehrung ist das ehrende Gedenken an Menschen, die ein
vorbildliches oder heiligmäßiges Leben führten oder wegen ihres Glaubens den
Märtyrertod starben.
In der Kirche São Victor auf Azulejos gemalte Heilige aus der Region Minho
sowie örtliche Märtyrer (einige davon auch Bischöfe oder Erzbischöfe),
werden als größte Darstellung vom Leben und Sterben in Portugal verehrter
Heiliger angesehen.
Die
kobaltblaue Inglasurmalerei auf weißer Zinnglasur ist eine Azulejo-Arbeit
der Werkstatt des aus Spanien stammenden Malers Gabriel del Barco
(1648-1701) und wurde zwischen 1692 und 1693 ausgeführt. Es
fehlt in der Kirche eine Signatur des Fliesenmalers, doch reicht zur
Zuschreibung der Vergleich mit nachgewiesenen und zum Teil datierten
Arbeiten:
Capela da Qinta dos Sinel de Cordes, Barcarena (1692)
Quinta de Dantas da Cunha, Lissabon-Torel (1695
Palácio dos Condes da Ponte, Lissabon-Santo Amaro (1697)
Igreja de Santiago, Évora (1699)
Igreja do Convento dos Lóios, Arraiolos (1700).
EVANGELIENSEITE OBEN
06 S: EVFEMIA als erstes großes Tableau im oberen Bereich
der Evangelienseite
Gemäß einer portugiesischen Legende wurde Eufemia eine der Neunlingstöchter
von Calsia, der Frau des heidnischen römischen Statthalters Castelius Lucius
Severus im Jahr 119 n. Chr. in Braga geboren. Calsia war enttäuscht, dass
nicht eines der Kinder ein Sohn war. Deshalb forderte sie ihre Magd Sila
auf, die neun Kinder zu ertränken Sila war eine Anhängerin des Christentums,
und so übergab sie die Babys einem Mönch. Der heilige Ovidius, Bischof von
Braga, kümmerte sich um die Mädchen, taufte sie und brachte ihnen alles über
das Christentum bei. Um 133 wurden die neun Jungfrauen als bekennende
Christinnen entdeckt und starben als Märtyrinnen.
07 Die beiden ersten großen Tableaus S. EVFEMIA und S.
NARCISO der Evangelienseite
08 S. NARCISO - und die Bekehrung der Heidin und
öffentlichen Sünderin Afra in Augsburg S.
NARCISO war in den Jahren 270 bis 275 Bischof von Braga. Er kam zur Zeit der
Diocletanischen Christenverfolgung in Begleitung seines Diakons Felix nach
Augsburg. Narciso (Narcissus) starb um 307 als Märtyrer.
Afra
erlitt im Zuge der Christenverfolgungen des römischen Kaisers Diokletian um
313 einen gewaltsamen Tod und wird als Heilige verehrt.
09 Die Azulejo-Tableaus S. NARCISO und S. LIBERATA an der
Evangelienseite
10 S. LIBERATA
Liberata war eine der Neunlingstöchter von Calsia, der Frau des römischen
Statthalters in Braga. Sie und ihre Schwestern Basilia, Eufemia, Genibera,
Germana, Marciana, Marina, Victoria und Quiteria starben während der
Christenverfolgung um 133 als Märtyrinnen. Liberata starb den qualvollen
Kreuzestod.
11 Azulejo-Tableau S. VICTOR im Altarraum links
Victor, geboren in Paços (heute
Paços de
Ferreira bei Braga), im 1.
Jahrhundert in Braga enthauptet.
EVANGELIENSEITE UNTEN
12 Figur des hl. Josef mit Jesuskind vor dem Tableau mit
der Darstellung des hl. Salamão
13 S. SALAMÃO
Salamão war von 299-300 Bischof von Braga. Das
Tableau ist fünf Fliesen plus eine Teilfliese breit. Gemäß Maße des
Spruchbandes wurde das Tableau genau in dieser Breite geplant und
ausgeführt.
14 Erster Seitenaltar auf der Evangelienseite des
Langhauses
Die Bildteile sind von
Akanthusblattmotiven umrahmt, die auch Türen und Fenster abgrenzen.
Alle Elemente wurden in
ein dekoratives Programm zusammengefasst.
EVANGELIENSEITE IM ALTARRAUM
15 Schwere Vorhänge vor geöffneter Doppeltür zur Sakristei
16 Innenecke im Altarraum Die
Pilgerin ist in die Lektüre eines Buches vertieft.
Dekor- und Bildteil sind von
Akanthusblattmotiven umrahmt.
17 Bildfeld über der Tür Im
Bildfeld entprechen die Putti den von Gabriel del Barco gemalten Putti in
anderen von ihm signierten Arbeiten.
18 Im Altarraum erzählen die Azulejos der Seitenwand
vom Leben und Tod des
heiligen Victor Das
untere Bildfeld zeigt links den heiligen Victor und rechts den Triumphzug
der Ceres nach einer grafischen Vorlage des Antonio Tempesta, das obere
Bildfeld das Martyrium des heiligen Victor in Braga.
19 Der Bildausschnitt zeigt Victor in Rüstung und mit
eindeutig ablehnender Haltung
Victor (* Paços, heute
Paços de
Ferreira bei Braga - + im
1. Jahrhundert in Braga). Victor weigerte sich, der Überlieferung zufolge,
an einer Prozession zu Ehren der Göttin Ceres teilzunehmen und erlitt
deshalb unter Kaiser Diokletian den Märtyrertod durch Enthauptung.
Das von mehreren Männern mit Hilfe von
Tüchern gesammelte Blut soll gemäß portugiesischer Überlieferung später
viele Wunder bewirkt haben.
20 Triumphzug der Ceres
21 Grafische Vorlage für das Azulejogemälde ‚Victor und
der Triumphzug der Ceres‘
Antonio Tempesta (1555, Florenz – 1630 Rom) entwarf und fertigte diese
Grafik 1592. Das Blatt hat die Maße 149x215 mm.
CHORRAUM RECHTS – OBEN
22 Victor vor Gericht
LANGHAUS EPISTELSEITE
23 Epistelseite des Langhauses
24 Über dem ersten Seitenaltar – links ein betender
Einsiedler und rechts die heilige Marinha
25 Enthauptung der Marinha
Marinha war eine der Neunlingstöchter von Calsia, der Frau des römischen
Statthalters in Braga. Sie und ihre Schwestern Basilia, Eufemia, Genibera,
Germana, Liberata, Marciana, Victoria und Quiteria starben als Märtyrinnen.
26 S. PROFVTVRO, Erzbischof von Braga von 405 bis 410
27 S. QVITERIA, (Braga 120 – Toledo 135) ist eine heilige
Jungfrau und Mätyrerin. Eine
portugiesische Überlieferung besagt, dass
Quiteria, nachdem man ihr den Kopf abgeschnitten hatte, ihn in die Hand
nahm.
28 S. LEODICISIO, Erzbischof in Braga von 675-678
CHOR UNTEN - EPISTELSEITE
29 Großflächiges Azulejotableau auf der Epistelseite im
Chorraum.
30 Detail aus Bild 29
31 Detail aus Bild 29
32 Detail aus dem großflächigen Azulejotableau ‚S.
ROSENDO‘
Rudesindus, in Galicien als San Rosendo verehrt, Sohn des Grafen von
Vilanova, gründete 936 das Kloster Celanova. Der Besitz, auf dem er das
Kloster gründete, war eine Schenkung des galicischen Königshauses an die
Familie des Rudesindus. Er war zunächst
Bischof
von Dume bei Braga,
wurde später Mönch,
vielleicht auch Abt
von Celanova. 970 wurde er zum Bischof von Iria Flavia (heute Padrón)
ernannt, ein Amt, das er bis zu seinem Tod 977 ausübte.
Gemäß Legende kämpfte er als Verwalter der Diözese Compostela gegen
Normannen und Mauren.
33 Detail aus Bild 32
34 Detail über einer Nische (siehe Bild 23)
Deutlich ist durch den unterschiedlich weißen Grundton der Azulejos zu
sehen, dass diese Fläche mit den beiden Engel später in die bestehende
keramische Wandfläche eingefügt wurde.
35 S. SENHORINA Das
Azulejogemälde, beschreibt das Leben der heiligen Senhorinha. Sie wurde 924
wahrscheinlich in Vieira do Minho geboren. Senhorinha war nicht ihr
Taufname, sondern ein Rufname, den ihr Vater, der Graf von Basto, ihr gab.
Mit 15 Jahren wurde sie Nonne und lehnte edle Verehrer ab. Mit 36 Jahren
wurde sie Äbtissin des Klosters Vieira. Ihr wurden bereits vor ihrem Tod am
22. April 982 zahlreiche Wunder zugeschrieben. Ihr Grab war während des
gesamten Mittelalters ein bedeutender Wallfahrtsort. Zu den großen Anhängern
der Heiligen zählten die portugiesischen Könige D. Sancho I. (1154-1211) und
D. Pedro I. (1320-1367).
36 Detail aus Bild 35 ‚S. SENHORINA‘
37 Detail aus Bild 35 ‚S. SENHORINA‘
38 S. MARCIANA
Gemäß einer portugiesischen Legende war Marciana eine der Neunlingstöchter
von Calsia, der Frau des römischen Statthalters Catillus in Braga. Sie und
ihre Schwestern Basilia, Eufemia, Genibera, Germana, Liberata, Marina,
Victoria, und Quiteria starben als Märtyrinnen.
39 S. MARCIANA, Detail aus Bild 38
40 S. ASISCLO S.
ASISCLO (auch ACISOLUS und ACISCLUS) starb 304 unter Diokletian in Córdoba
als Märtyrer.
41 Detail aus Bild 40 Das
Schriftband gibt Rätsel auf, denn es setzt sich deutlich im Helligkeitsgrad
vom umgebenden Tableau ab. Zeigt das Tableau wirklich den heiligen ASISCLO?
42 S. CVCVFATE S.
Cucufate (Sankt Cucuphas) ist ein frühchristlicher Märtyrer und Heiliger.
Die genauen Lebensdaten sind unbekannt - manchmal wird sein Geburtsjahr mit
269 oder 270 angegeben.
Im Zuge der
diokletianischen
Christenverfolgungen
habe er 303 oder 304 bei Barcelona den Märtyrertod erlitten.
43 Detail aus Bild 42 Das
Bild zeigt den von einem Richter zum Tode verurteilten Cucufate, der
gefesselt zur Vollstreckung des Urteils geführt wird.
44 Dekor ‚Fruchtranke‘ in direkter Bemalung umrandet von
Akanthusblätter in Ausspartechnik Die
Aufteilung dieses Feldes ist bemerkenswert, denn es wurden in der Breite
zwei ganze und vier halbe Azulejos angesetzt. Dabei sind die Azulejos der
Fruchtranke kleiner als die der Rahmung. Deutlich sind die Fugenversätze zu
erkennen.
45
Betender Mönch
Der Strahlenkranz zeichnet ihn als Heiligen aus. Auf dem Tableau ist
allerdings kein Name angegeben.
46 Martyrium eines auf dem Tableau namentlich nicht
bezeichneten Heiligen
47 Martyrium eines auf dem Tableau namentlich nicht
bezeichneten Heiligen
48 S. FELIS TORCÃO,
Bischof von Braga (693-734),
Märtyrer in Braga mit 27 Gefährten
49 Auf einer Schrifttafel sind Heilige aufgelistet Der
Sinn der Ergänzungen bei den Heiligen Narcizo und Basilio ist mir nicht
bekannt.
50 S. PATERNO, Erzbischof von Braga von 400 bis 405
Auf der oberen Ebene des
Chores präsidiert Paternus, Erzbischof von Braga, das 1. der 18 Konzilien
von Toledo, wie aus der zentralen Kartusche hervorgeht.
Das 1. Konzil von Toledo
im Jahr 400 verurteilte u.a. die Lehre Priscillians und bestrafte
Giftmischerei mit lebenslanger Haft. Priscillian, Bischof von Avila, war der
erste Häretiker (Vertreter einer
Lehre,
die im Widerspruch zu
kirchlich-religiösen
Glaubensgrundsätzen steht)
des Christentums der wegen Ketzerei hingerichtet wurde.
51
PATERNO ARCEBISPO / Q FOI
DE BRAGA PREZEDIND / O AHV CONSILIO DE TOLEDO / cunho ff 222 nr. 6 Die
keramische Wandfläche war extremen Spannungen ausgesetzt, die Azulejos
reißen ließen. Es kam zu Glasurabplatzungen und Bewegungsrissen. Wie das
Bild zeigt, wurde die Wandfläche leider unprofessionell restauriert.
52 Detail des Tableaus
‚S. PATERNO‘
Markant sind die starken Unterschiede im Farbton der blauen Azulejo-Malerei, die
man nicht nur auf der oberen Ebene des Chores findet. Bildnachweis Wikipedia: 21 Archiv Rainer Marggraf: 35 Ida und Frans Dronkers: 04/14/18/23/43/48 Dr. Herbert van den Berge: alle übrigen Bilder Benutzte
Literatur Wikipedia Lexikon der christlichen Ikonographie - Ikonographie
der Heiligen (Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1994) Rosário Salema de Carvalho, A Igreja de São Victor
Braga (Centro Atlantico Braga 2017) Ich danke meinen
Tegelvrienden Ida, Frans und Herbert. Meinem Sohn Norbert danke ich für die Bearbeitung und
Veröffentlichung des Berichtes. Paróquia de
São Victor R. de São Domingos 4, 4710-439 Braga, Portugal Tel. 253204621 Email: paroquia.svictor(at)arquidiocese-braga.pt
www.arquidiocese-braga.pt/paroquiasaovictor |
|||