Wilhelm Joliet |
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Bibel- und Landschaftsfliesen an einem offenen Kamin im Wasserschloss Haus Assen
Wasserschloss Haus Assen um 1860 (Sammlung Duncker)1
Haus Assen ist ein Wasserschloss im Stil der Lipperenaissance2
in Lippborg, einem Ortsteil der Gemeinde Lippetal im Kreis Soest
(Nordrhein-Westfalen).
Zur
Geschichte des Wasserschlosses:
Bereits im 11. Jahrhundert bestand eine „Borch to Assen“. 1384 erhielt
Röttger von Ketteler die Burg als Lehen. Der Besitz wurde 1455 geteilt. 1564
baute Laurenz von Brachum im Auftrag von Goswin von Ketteler das südlich der
Burg gelegene Haus Assen. Das Wasserschloss ging 1653 aus dem Besitz derer
von Ketteler an Heinrich von Galen.
Matthias Graf von Galen (1800–1878) und seine Frau erneuerten Haus Assen von
Grund auf und bauten im Jahr 1858 die neogotische Schlosskapelle. Haus Assen
blieb bis 1997 im Besitz der Familie von Galen. Christoph Bernhard Graf von
Galen (1907-2002) übergab 1997 seinen Wohnsitz der Ordensgemeinschaft Diener
Jesu und Mariens (SJM). Renaissance-Schloss Haus Assen ist ein Ort der
Begegnung für Jugendliche und Familien.
Toreinfahrt im Stil der Lipperenaissance
Schriftfeld über dem Torbogen mit dem in Stein gemeißelten christlichen
Glaubensbekenntnis
Offener Kamin mit Renaissancerahmung
An der Kaminwand gibt es 109 Landschaftsfliesen im Kreis, mit dem Eckmotiv
‚spin‘3, in blauer Bemalung.
Diese Fliesen im Format 130x130 mm wurden in der Zeit um 1830-1840 in Makkum
/ Friesland hergestellt. Sie zeigen eindeutig mit ihrem guten
Erhaltungszustand, dass sie bei der grundlegenden Erneuerung von Haus Assen
unter Matthias Graf von Galen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in
Erstverwendung angesetzt wurden.
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Bibelfliesen über der Feueröffnung
Über der Feueröffnung sind 59 Bibelfliesen im Format 130x130 mm im Kreis und
dem Eckmotiv ‚ossenkop‘4
angesetzt. Der Zustand deutet auf eine Zweitverwendung hin.
Für biblische Darstellungen auf Fliesen wurde meist Druckgrafik als Vorlage
benutzt.
In diesem Bericht versuche ich den manganfarbenen Bibelfliesen ihre
grafischen Vorlagen zuordnen.
Grundlagen für einige manganfarbene Bibelfliesen waren Kupferstiche des
Pieter Hendricksz. Schut in der ‚Historiae Sacrae Veteris et Novi
Testamenti‘, zum Teil nach oder inspiriert von Matthaeus Merian. Herausgeber
war Nicolaes Visscher ca. 1650 in Amsterdam.
Die Bibelfliesen in manganfarbener Bemalung können dem Produktionsort
Utrecht zugeschrieben werden. Sie entsprechen zwei Typen, die etwa 1780 und
etwa 1820 hergestellt wurden.
Typ 1
Typ 2
Typ 1 datiert aus der Zeit um 1780, Typ 2 um 1820. Deutlich ist der
Unterschied in der Ausführung der Bemalung festzustellen. Beim Typ 2 ist die
Bemalung feiner ausgeführt. Auch ist die Zuschreibung zu einem Text der
Heiligen Schrift kleiner. Die Ausführung der Eckornamente wurde geändert.
Die Bibelfliesen vom Typ 2 wurden ergänzt durch Rotterdamer Darstellungen.
Zuschreibungen der manganfarbenen Bibelfliesen zum Alten und Neuen Testament
Anmerkungen
1
Grafiksammlung preußischer Schlösser, die unter dem Titel Die ländlichen
Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in
der preußischen Monarchie nebst den Königlichen Familien-,
Haus-Fideicommiss- und Schatull-Gütern in naturgetreuen, künstlerisch
ausgeführten, farbigen Darstellungen nebst begleitendem Text von 1857
bis 1883 im Verlag Alexander Duncker erschien.
2
Der Begriff der Lipperenaissance
bezeichnet eine nordische Variante der Renaissance. Hauptmerkmal der
Lipperenaissance ist ein überdimensionales
Beschlagwerkdekor, das die Außenfassaden überzieht. Es setzt sich
aus Kreisen, Halbkreisen, Rauten und Quadraten zusammen, die durch Bänder zu
einer Art Netzwerk verbunden sind.
3
Das Eckmotiv ‚spin‘ ‚Spinne‘
besteht aus einem Blumenkreuz mit 5 Punkten.
4
Bezeichnend für das Eckmotiv
‚ossenkop‘ ‚Ochsenkopf’auf den Utrechter Bibelfliesen ist die Ausführung
der Hörner.
5
Die Durchstaubschablone liegt im Gemeentemuseum Het Hannemahuis in
Harlingen.
6
Diese Grafik verlegte Gerard de Jode (1504-1591) in der
Prentbijbel met voorstellingen uit
het Oude en Nieuwe Testament.
7
Auch diese Durchstaubschablone liegt im Gemeentemuseum Het Hannemahuis in
Harlingen.
Durchstaubschablone:
Sie
besteht aus einem Stück Papier. Darauf ist das Dekor gezeichnet und alle
Linien mit einer Nadel durchstochen. Bei beiden Durchstaubschablonen aus dem
Gemeentemuseum Het Hannemahuis handelt es sich um sogenannte ‚moedersponsen‘
‚Mutterschablonen‘. Das sind die ursprünglichen und ältesten
Durchstaubschablonen.
Gebrauch der Durchstaubschablone:
Die
Durchstaubschablone wird auf die mit weißbrennender Zinnglasur versehene
Fliese aufgelegt. Mit einem Säckchen aus Stoff, das mit Kohlepulver gefüllt
ist, wird auf die Durchstaubschablone geklopft. Holzkohlepulver durchdringt
an den Einstichen das Papier. Danach steht die Zeichnung in feinen schwarzen
Kohlepünktchen auf der Glasur. Nun kann der Maler das aus punktierten Linien
bestehende Motiv nachmalen.
Benutzte Literatur
Jan
Pluis, BIJBELTEGELS – BIBELFLIESEN, Ardey-Verlag, Münster 1994
In
diesem Standardwerk zu Bibelfliesen sind die Darstellungen des Alten und
Neuen Testaments numeriert. Bei einem Verweis auf die Nummer des Themas wird
darum ein O (Oude = Altes Testament) oder ein N für das Neue Testament
hinzugefügt.
Danksagung
Herrn Pfarrer Uwe Sundermann danke ich für seine Bilddokumentation aus Assen
und seine Genehmigung zur Veröffentlichung im Internet. Die Patres der
Ordensgemeinschaft Diener Jesu und Mariens (SJM) genehmigten mir meinen
Bericht. Meinem Fliesenfreund Jan Pluis danke ich für vielfältige Hilfe und
meinem Sohn Norbert für die Bearbeitung und Veröffentlichung des Berichtes.
Kontakt
Haus Assen
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Haus Assen kann nur nach vorheriger Anmeldung besichtigt werden.
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