ANTWERPEN

Die Stadt Antwerpen nimmt in der Geschichte der Keramik und speziell der Fliesenproduktion eine Schlüsselposition ein.
Im 16. Jahrhundert entstanden dort Fayencen, die eine Verbindung zwischen den südeuropäischen, ja sogar asiatischen Fayencen und dem Norden herstellten.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts brachten italienische Keramiker ihre Kunst in viele Handelszentren diesseits der Alpen. Antwerpen war während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts einer der größten Hafenstädte und vornehmsten Handelsplätze des westlichen Europa geworden. Auch mit Italien wurde ein lebhafter Handel getrieben. Es verwundert deshalb nicht, dass sich italienische Keramiker in Antwerpen niederließen und Manufakturen gründeten. Ihre Produkte waren natürlich stark durch italienische Vorbilder geprägt.
Cipriano Piccolpasso (*1524-+1579) schrieb 1558 in seinen "Li tre libri dell'arte del vasaio", daß die Kunst der Keramiker durch Guido di Savino aus Castel Durante in der Grafschaft Urbino nach Antwerpen gebracht worden sei.
Antwerpener Archivalien belegen 1510, dass ein Guido Andries (erw. 1510-+1541) mindestens seit 1508 als Keramiker in der Stadt tätig war.
Es darf angenommen werden, dass es sich bei Guido di Savino und Guido Andries um dieselbe Person handelt. Guido di Savino hat wohl, was in der damaligen Zeit nicht unüblich war, den Vornamen des Vaters seiner ersten Frau angenommen und sich fortan Andries statt Savino genannt.
Der Herzog von Urbino, Federigo da Montefeltro, den man auf Portraits an seiner gebrochenen Nase erkennt, war ein Förderer der Keramiker seines Territoriums. Ist es dann verwunderlich, dass auf Antwerpener Fliesen, die um 1520 in der Kapelle des englischen Landsitzes "The Vyne" in Sherborne St. John (Hampshire) verlegt wurden, ein Portrait des Herzogs Federigo da Montefeltro zu finden ist?

 

England, Hampshire
Ausschnitt aus dem Fliesenboden der Kapelle des englischen Landsitzes >>The Vyne<<,
Antwerpen um 1520, der Werkstatt des Guido Andries zugeschrieben.

 


Bourg-en-Bresse (Frankreich)
Eine der 1526 gefertigten Antwerpener Fliesen aus der Grabkapelle für Philibert II.

 

Bourg-en-Bresse (Frankreich)

Eine der 1526 gefertigten Antwerpener Fliesen aus der Grabkapelle für Philibert II.
Margarete von Österreich, war von 1507-1515 und 1517-1530 Statthalterin der habsburgischen Niederlande. Sie ließ Kloster Brou für ihren im Alter von vierundzwanzig Jahren bei einem Reitunfall tödlich verletzten Ehemann bauen.

 

London, Victoria & Albert Museuim
Stilisiertes Lilienmuster auf vier Fliesen aus Antwerpen.

 

Antwerpen, Museum Het Vleeshuis
Runde Haustafel, 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts

 

Antwerpen, Museum Vleeshuis
Hauszeichen „Zur Rose“

 

Antwerpen, Museum Vleeshuis
Hauszeichen „In St. Anna“

 

Antwerpen, Museum Vleeshuis
Hauszeichen mit der Darstellung der Geschichte vom Fuchs und dem Storch nach einem italienischen Holzschnitt als Illustration zu Äsops Fabeln

 

Groningen, Museum voor Stad en Lande

Die Fliese aus dem Aduard-Kloster – aan de Munnekeholm – in der niederländische Stadt Groningen zeigt das Wappen des Zisterzienserordens. Die Fliese hat die Maße 169 mm x 165 mm x 21 mm. Sie trägt die Jahreszahl 1547 und wird der Antwerpener Fayencewerkstatt >>Den Salm<< zugeschrieben.

 

Groningen, Museum voor Stad en Lande

Die Fliese aus dem Aduard-Kloster – aan de Munnekeholm – in der niederländische Stadt Groningen zeigt das Wappen des Abtes Johannes Rekamp. Die Fliese hat die Maße 169 mm x 165 mm x 21 mm. Sie trägt die Jahreszahl 1547 und wird der Antwerpener Fayencewerkstatt >>Den Salm<< zugeschrieben.

 


Den Haag, Gemeente Museum
Zweiteilige Haustafel aus Antwerpen mit dem heiligen Antonius, 1560

 

Antwerpen, seit 1486 Hauptstadt der vereinigten Grafschaft Flandern und des Herzogtums Burgund war im 16. Jahrhundert das Töpferzentrum der Niederlande. Guido Andries und seine Nachfolger brachten das Keramikerhandwerk in Antwerpen zur Blüte und exportieren ihr Wissen und Können in andere Länder. Frans Andries wanderte 1556 nach Sevilla aus. Joris Andries zog 1564 nach Middelburg.
Jasper Andries wanderte um 1567 nach Norwich aus und war um 1571 in London tätig.
Eine weitere erfolgreiche Künstler- und Keramikerfamilie waren die Floris in Antwerpen. Auf Cornelis Floris, einem international bekannten Architekten und Entwerfer geht der Ferronnerie - Dekor, ein Ornament mit klarer graphischer Linienführung, zurück, der ein Hauptbestandteil des Rouen-Stils ist. Der Keramiker Jan Floris wurde von Philipp II. nach Spanien gerufen. Er arbeitete u.a. in Talavera. Weitere bekannte Keramiker aus Antwerpen sind Jan Bogaert, seine Nachfolger und Franchois Frans, der 1543 Anna van Dueren, die Witwe des Guido Andries heiratete und die Werkstatt "Den Salm" übernahm.
Der Krieg mit Spanien brachte ab 1568 das Keramikerhandwerk in Antwerpen zum Erliegen. 1572 ging Christiaen van Abeele nach Antwerpen und 1584 nach Amsterdam. Mit dem Fall von Antwerpen 1585 wanderten die meisten Keramiker in die nördlichen Niederlande und nach England aus. Der letzte in Antwerpen urkundlich belegte Keramiker des 17. Jahrhunderts ist Adriaen van Hauten 1627, bei dem nicht gesichert ist, ob er auch Fliesen herstellte.